22.11.2017, 07:24 Uhr
Berner IT-Unternehmer soll die EU betrogen haben
Am Berner Obergericht wird ein Fall verhandelt, bei dem einem IT-Unternehmer vorgeworfen wird, die EU um einen Millionen-Betrag geprellt zu haben.
Ein 68-jähriger Berner IT-Unternehmer wehrt sich vor Obergericht gegen den Vorwurf, die Europäische Union um rund eine Million Franken betrogen zu haben. Er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, beteuerte der Mann am Dienstag vor den Richtern.
Sein Verteidiger forderte einen Freispruch und eine Entschädigung für die erlittene Persönlichkeitsverletzung. Die erste Instanz hatte den Mann wegen Betrugs zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt. Zudem müsse er der EU rund eine Million Franken an unrechtmässig bezogenen Geldern zurückerstatten. Staatsanwältin Simone Steffen hält das Urteil des kantonalen Wirtschaftsstrafgerichts für korrekt, ebenso der Rechtsvertreter der EU. Die Europäische Union tritt in dem Prozess als Privatklägerin auf. Unstrittig ist, dass der Beschuldigte für die Mitarbeit an sechs Forschungsprojekten im IT-Bereich insgesamt 2,6 Millionen Franken erhielt. Nach Überzeugung der ersten Instanz floss nur so viel Geld nach Bern, weil der Mann zu hohe Personalkosten geltend gemacht habe.
Neue Vorschriften
«Er hat falsch abgerechnet, das ist unbestritten», räumte sein Verteidiger vor Obergericht ein. Er habe dies aber nicht mit Absicht getan. Vielmehr seien ihm die geänderten Vorschriften zum Verhängnis geworden. Schon seit den 1980er-Jahren habe der indischstämmige Mann mit seinen Firmen für die EU gearbeitet. Das Finanzielle wurde damals über den Bund abgewickelt. Die fraglichen Projekte ab 2005 liefen direkt über Brüssel, und es galten neue Vorschriften. Doch der Mann habe so abgerechnet wie früher. Die Vorschriften der EU seien übrigens gar nicht so eindeutig, führte der Verteidiger weiter aus. Auch deshalb sei das Urteil der Vorinstanz nicht hinnehmbar, das einen renommierten IT-Experten zum serienmässigen Betrüger stemple.
«Es war Absicht»
Die falschen Abrechnungen seien nicht irrtümlich, sondern absichtlich erfolgt, entgegnete Staatsanwältin Steffen. Der Mann habe genau gewusst, dass er nur den effektiven Aufwand hätte geltend machen dürfen. Trotzdem habe er höhere Kosten geltend gemacht und sich auf diese Weise einen höheren Lohn als ein Bundesrat ermöglicht. Die auf Englisch verfassten Vorgaben habe er durchaus verstanden, sagte die Staatsanwältin weiter. Englisch sei ja eine seiner zwei Muttersprachen. Der Mann habe die EU arglistig täuschen wollen. So sah es auch der Rechtsvertreter der Union. «Es war kein Irrtum, es war Absicht.» Der Mann habe Personalkosten angegeben, die bis zu zwei Drittel über den tatsächlichen Kosten gelegen seien. Das Obergericht will sein Urteil am Donnerstag verkünden.