Analyse zum Jubiläum 05.10.2018, 10:25 Uhr

20 Jahre nach dem Swisscom-Börsengang ist die Euphorie verflogen

Am 5. Oktober 1998 – also vor genau 20 Jahren – ging die Swisscom an die Börse und stiess weltweit auf grosses Interesse. Heute wird der Titel zwiespältig beurteilt.
(Quelle: Swisscom)
Der damalige Swisscom-CEO Tony Reis erinnert sich noch gut an jenen Tag. «Wir hatten davor sehr wenig Zeit, um den ehemaligen Staats-Monopolisten börsenfähig zu machen.» Und zeitgleich sei er «um die halbe Welt gejettet», um potenzielle Investoren zu überzeugen. «Die Erleichterung war daher gross, als die ersten Kurse eintrafen und es in die richtige Richtung ging.» Doch für Feiern blieb keine Zeit.
«Ich musste sofort von der Schweizer Börse an den Flughafen, um das Flugzeug nach New York zu erwischen», erinnert er sich gegenüber der Nachrichtenagentur AWP. In New York ging es mit dem Hubschrauber an die Wall Street. «Und bei Börsenschluss durften wir die Glocke läuten.» Das Interesse in den USA am Schweizer Telekomkonzern sei riesig gewesen, so der damalige Firmenchef. «Ich wurde von einer TV-Station zur nächsten gereicht.»

IPO in schwierigem Umfeld

Dieses Interesse hatte seiner Meinung nach verschiedene Gründe. So habe es sich mit einem Volumen über acht Milliarden Franken um den bedeutendsten Börsengang in Europa in jenem Jahr gehandelt, und dieser habe in einem eher schwierigen Börsenumfeld stattgefunden. Zudem sahen beim Stichwort «Telekommunikation» damals viele Investoren «Dollarzeichen». Es wurde in vielen Ländern privatisiert, liberalisiert und damit die ganze Branche neu aufgestellt.
Das Mobilfunkgeschäft verzeichnete ausserdem traumhafte Wachstumsraten. Im Jahr des Börsengangs zählte die Swisscom Monat für Monat 50'000 neue «Natel»-Kunden. Und der Zugang zum Internet erfolgte zwar noch über fiepende Modems, weckte allerdings erstmals Fantasien über eine digitale Zukunft.

Kurssprung während Dotcom-Phase

Prompt machte der Aktienkurs der Swisscom zwischen dem Börsengang (Ausgabepreis 340 Franken) bis zum Höhepunkt der «Dotcom-Blase» einen Sprung auf über 750 Franken. Solche Niveaus wurden in den 17 Jahren seither nicht mehr gesehen. Zwischenzeitlich rutschten die Valoren bis auf gut 291 Franken ab (April 2009). Aktuell notieren sie bei rund 450 Franken.
Auch das internationale Interesse liess nach. Nicht einmal zehn Jahre nach dem Börsengang liess das Unternehmen die Aktien von der New Yorker Börse dekotieren – wegen eines relativ geringen Handelsvolumens und hoher Kosten.

32 Milliarden ausgeschüttet

ZKB-Aktienanalyst Andreas Müller relativiert allerdings die auf den ersten Blick mässige Performance der Aktie. «Sie hat in etwa mit dem Gesamtmarkt tendiert», sagt er. Er nimmt für diese Berechnung allerdings nicht den reinen Kurs zur Hand, sondern die Gesamtrendite – inklusive Dividenden. Und dabei glänzte die Swisscom von Anfang an.
Seit dem Börsengang seien über Dividenden, Nennwertreduktionen und Rückkaufsprogramme 32 Milliarden Franken an die Aktionäre ausgeschüttet worden, brüstet sich die Swisscom-Pressestelle. Die immense Summe entspricht fast dem Dreifachen eines derzeitigen Jahresumsatzes der Gesellschaft.
Doch abgesehen von der Dividende fehlt es heute dem Papier an Fantasie, wie viele Analysten meinen. Derzeit raten mehr als doppelt so viele zu einen Verkauf wie zu einem Kauf. Oft wird in Kommentaren auf das härter gewordene Umfeld verwiesen – nicht zuletzt wegen der im letzten Frühling lancierten Festnetz-Offensive von Konkurrent Salt. Nur vereinzelt hoffen Analysten auf steigende Preise.

Privatisierung als Kurstreiber?

Für Diskussionen sorgt immer wieder, dass der Staat seit dem Börsengang die Mehrheit an der Swisscom besitzt. «Die Politik hatte Angst vor einem unzuverlässigen Eigentümer und vor einer schlechteren Grundversorgung», blickt Tony Reis zurück. «Mich hat das als CEO nie gestört.» Seine Nachfolger hätten den Einfluss des Staates dann aber zu spüren bekommen – konkret als Widerstand gegen gewisse Expansionspläne im Ausland.
Heute sieht er «eigentlich keinen Grund», warum der Staat derart stark an einem IT-Unternehmen beteiligt sein sollte. Politisch sei ein Abbau der Beteiligung derzeit aber chancenlos, meint Reis.
Ähnlich sehen dies Analysten. Laut Vontobel-Experte Panagiotis Spiliopoulos hätte eine privatisierte Swisscom zwar mehr strategischen Spielraum. «Sie könnte sich zum Beispiel stärker verschulden.» Doch auch er hält ein solches Vorhaben angesichts der politischen Befindlichkeiten für komplett unrealistisch. «Ich habe deshalb aufgehört, intensiv darüber nachzudenken.»



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