«Man kann auch von der Schweiz aus die Welt erobern»
Aus KTI wurde Innosuisse: Was hat sich geändert?
Ihre Organisation entstand aus der ehemaligen Kommission für Technologie und Innovation (KTI). Seit Anfang 2018 fördern Sie Neuentwicklungen unter dem treffenden Namen Innosuisse. Was hat sich an Ihrem Auftrag geändert?
Nichts. Die Grundaufgabe und die dazugehörigen Förderinstrumente sind die gleichen geblieben: Wir fördern wissenschaftsbasierte Innovation in der Schweiz im Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft. Mit unseren Angeboten unterstützen wir Start-ups und KMU durch intensives Coaching und die Vernetzung mit Forschungspartnern darin, neue Ideen zum Durchbruch zu bringen und ihre Innovationen am Markt zu lancieren. Als Innosuisse setzen wir alles daran, dass Schweizer KMU im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähig sind.
Wie sieht es mit der Organisation aus? Hat es da Änderungen gegeben?
Unsere Organisationsstruktur hat sich stark verändert. Als KTI waren wir eine ausserparlamentarische Kommission, heute sind wir eine öffentlich-rechtliche Anstalt. Das bedeutet beispielsweise, dass wir rechtsgültige Verträge unterschreiben können, durch die sich Innosuisse bindet. Früher als Teil der Bundesverwaltung haben wir mit unserer Unterschrift quasi die gesamte Eidgenossenschaft vertraglich gebunden. In der KTI waren zudem strategische und operative Aufgaben vermischt. Jetzt haben wir eine klare Aufgabenteilung: Der Verwaltungsrat fällt strategische Entscheide, der Innovationsrat ist das Fachorgan und die Geschäftsstelle kümmert sich um das operative Geschäft. Durch die Reorganisation ist Innosuisse auch flexibler bei der Budgetverwaltung. Wir können etwa Rücklagen bilden und Drittmittel einwerben, um unsere Aufgaben zu erfüllen. Das war zuvor nicht möglich. Ein weiterer Grund ist, dass wir Innosuisse als Agentur stärker in die institutionelle Schweizer Förderlandschaft einbetten wollen. Bekannt ist etwa der Schweizerische Nationalfonds, der als privatrechtliche Stiftung agiert oder die Akademien, die Vereinsstrukturen haben und eigenständige Rechtspersönlichkeiten sind. Mit diesen Organisationen befinden wir uns jetzt auf Augenhöhe.
Inwieweit stehen Sie im Wettbewerb mit den anderen Förderinstitutionen?
Wir haben alle gesetzlich klar geregelte Aufgabenbereiche. Während der Nationalfonds für die Förderung von wissenschaftlicher Forschung zuständig ist, fokussieren wir auf die Innovationsförderung. Die Projekte des Nationalfonds sollen von Neugierde getriebene Forschung sein, bei denen noch nicht klar ersichtlich ist, was am Ende daraus entstehen kann. Wir sind dort tätig, wo Forschungsergebnisse vorliegen und ein Anwendungspotenzial ersichtlich ist, das sich zu einem konkreten Produkt, Service oder Produktionsprozess weiterentwickeln lässt. Insofern sind unsere Aufgaben klar getrennt. Wir haben sogar festgestellt, dass es eine Lücke gibt zwischen den Angeboten des Nationalfonds und denjenigen von Innosuisse: Bei Forschungsprojekten, die ein Anwendungspotenzial aufweisen, aber deren Entwicklungsstadium noch zu früh ist, um Akteure aus der Wirtschaft dafür zu begeistern und für Investitionen zu motivieren. Deshalb lancierten wir gemeinsam mit dem Nationalfonds das Bridge-Programm.
Wie funktioniert das Bridge-Programm?
Es gibt zwei Wege: Für den einen können sich bereits Bachelor-Absolventen bewerben, sofern sie erste Forschungsergebnisse vorweisen können, die ein Potenzial für neue Anwendungen bieten. Diese dürfen noch wenig konkret sein. Mit dem Unterstützungsbeitrag aus dem Bridge-Programm können die Absolventen an ihrem Projekt weiterarbeiten und vielleicht später daraus ein Start-up entwickeln. Über den zweiten Weg fördern wir sogenannte Discovery Projects. Hierfür kooperieren Forschungsgruppen, die Ergebnisse mit Nutzungspotenzial haben, was aber noch weiterentwickelt werden muss. Im Gegensatz dazu braucht es bei unseren Innovationsprojekten immer einen Partner aus der Wirtschaft mit dem Ziel, ein Projekt zur Marktreife zu führen.
Ist der Umbau von Innosuisse abgeschlossen oder wo gibt es noch Baustellen?
Wir sind komplett neu aufgestellt, mit neuen Förderorganen und vielen neuen Personen. Hierzu zählt der Innovationsrat mit seinen 21 Mitgliedern. Dieser wird verstärkt durch ausgesuchte Expertinnen und Experten. Das sind rund 120 Personen. Wir brauchen so viele, um die breite disziplinäre Palette abzudecken. Es ist wichtig, dass wir hierfür Fachleute haben mit einer ausgewiesenen Expertise auf ihrem Gebiet, die im Milizprinzip für uns arbeiten und ihre Aufgaben und Prozesse beherrschen. Im Moment befinden wir uns in einer Konsolidierungsphase, in der wir analysieren, wo wir effizienter werden, Prozesse verschlanken und wo wir unser IT-System für die Förderverwaltung anpassen können, sodass die Abläufe noch schneller werden.
Welchen Zeithorizont haben Sie sich dafür gesetzt?
Bis Ende des Jahres wollen wir soweit aufgestellt sein, dass der reguläre Förderprozess möglichst gut und ohne Verzögerungen funktioniert. Wir möchten insbesondere rasch entscheiden können. Es ist sehr wichtig für die Innovationsförderung, dass man nach Einreichung eines Projekts nicht vier bis fünf Monate auf einen Entscheid warten muss, sondern dass dieser rasch kommt. Bis Jahresende soll die Bearbeitungszeit auf dem Level der KTI sein. Derzeit liegen wir mit rund zwei Wochen mehr noch etwas darüber.
Gibt es etwas, das Sie sich noch wünschen würden?
Wir arbeiten mit Vierjahreszyklen, für die wir jeweils definieren müssen, was wir vorhaben. Aktuell arbeiten wir an den Fördermassnahmen für die Periode 2021 bis 2024. Was wir dafür vorschlagen, wird zu 80 bis 90 Prozent in die parlamentarische Botschaft für Bildung, Forschung und Innovation (BFI) aufgenommen. Auf Basis dieser BFI-Botschaft werden etwa Budgets für BFI-Themen für den entsprechenden Zeitraum gesprochen. Was wir hierbei sehen, ist, dass uns der gesetzliche Rahmen wenig Flexibilität gibt, unsere Förderinstrumente sind sehr genau definiert. Das erschwert uns die Arbeit, wenn wir zum Beispiel neue Bedürfnisse erkennen, auf die wir gerne reagieren würden. Uns sind die Hände gebunden, sobald etwas nicht im Gesetz steht. Es ist uns daher ein Anliegen, dass wir hier mehr Spielraum und flexiblere Instrumente für die Innovationsförderung erhalten, die ja im wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Interesse des Landes liegen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Für ein Innovationsprojekt muss sich ein Team aus Partnern von Hochschulen und aus der Wirtschaft zusammensetzen. Ist dagegen eine wissenschaftliche Projektgruppe bereits ein Start-up, dürfen wir sie nicht fördern. Ist ein Start-up noch an der Universität angesiedelt, dürfen wir zwar fördern, aber durch die Verflechtung mit der Universität ist es kaum möglich, dass wir das Start-up auch als wirtschaftlichen Partner fördern können. Hier müssten wir flexiblere Möglichkeiten haben.Sie haben die rasanten Veränderungen durch die digitale Transformation angesprochen.
Inwieweit ergeben da vierjährige Planungszyklen einen Sinn?
Das ist eine gute Frage. Insbesondere, wenn man sich bereits im Jahr 2018 mit der Periode 2021 bis 2024 befassen muss. Wer weiss, was dann aktuell sein wird. Das bedeutet für unsere Planung, dass man nicht exakt die Gebiete definieren kann, in denen man Akzente setzen will. Wir müssen stattdessen versuchen, die Instrumente innerhalb des vorgegebenen gesetzlichen Rahmens so flexibel wie möglich einzusetzen und auf die aktuellen Bedürfnisse zu reagieren. Es ist ein politischer Prozess, der seine Zeit braucht. Es ist aber auch selbstverständlich, dass der Gesetzgeber, der mit Steuergeldern agiert, entsprechend Rechenschaft von uns einfordert.
Sie haben den Transformationsprozess begleitet und stehen als Direktorin der Organisation vor. Wie sieht Ihre persönliche Vision für Innosuisse aus?
Ich möchte, dass wir als Förderagentur in weiten Kreisen bekannt sind. Insbesondere KMU, die ja eine zentrale Zielgruppe bilden, kennen uns noch zu wenig. Im öffentlichen Bewusstsein soll Innosuisse eine Agentur sein, die für Qualität steht, Relevantes fördert und Angebote mit einem Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft erzeugt. Mein Ziel ist, dass wir ein beispielhaftes Bild einer Förderorganisation abgeben, die als effizient und wirksam wahrgenommen wird. Diejenigen, die sich für Innosuisse engagieren, sollen dies mit Enthusiasmus und der vollen Überzeugung tun, dass sie einer Tätigkeit nachgehen, die sie mit Sinn erfüllt und einen Mehrwert schafft.
Was macht Innosuisse besser als vergleichbare Institutionen in anderen Ländern?
Unsere Vorgehensweise, die wirtschaftlichen Akteure in die Pflicht zu nehmen, dass diese selbst etwas zu Innovationsprojekten beitragen müssen ist ein Vorteil. Unternehmen können nicht nur die hohle Hand aufhalten und staatliche Gelder abholen. Sie müssen sich engagieren, um Forschungsleistung und finanzielle Förderung zu erhalten. Das ist sicher unser Erfolgsmodell. Auch dass wir keine Vorgaben machen, in welchen thematischen Bereichen wir fördern, trägt dazu bei. Das ist in anderen Staaten nicht immer der Fall. Wir sollten uns aber nicht so oft mit anderen Ländern vergleichen. Wir müssen als Schweiz unseren eigenen Weg gehen.
Innosuisse-Strategie bis 2020
Der Bundesrat gibt der Agentur Innosuisse ihre Ziele vor. Der Verwaltungsrat von Innosuisse wiederum leitet daraus weitere strategische Ziele ab. Innosuisse setzt sich nach eigenen Angaben dafür ein, dass Schweizer Innovationen auf internationaler Ebene den Ruf höchster Qualität haben. Den Herausforderungen der Digitalisierung will die Agentur besondere Beachtung schenken, speziell im Hinblick auf den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Entsprechend fördert Innosuisse insbesondere Projekte mit besonders hohem Innovationspotenzial und disruptive Geschäftsmodelle. Kleine und mittelständische Unternehmen sollen innovationskräftiger und innovationsfreudiger werden. Man setze alles daran, dass Schweizer KMU im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähiger sind, heisst es vonseiten der Förderagentur, die überdies auch das Schweizer Start-up-System durch Kooperationsmassnahmen stärken möchte.