Computerworld vor 30 Jahren 19.12.2022, 06:15 Uhr

Die erste Schweizer Digitalbehörde

Mit dem Bundesamt für Kommunikation wurde 1992 die erste Digital­behörde der Schweiz gegründet. In Biel wurde über das revidierte Fernmeldegesetz gewacht, ebenso wurden Modems geprüft, berichtete Computerworld.
Das Bundesamt für Kommunikation Bakom wurde 1992 gegründet
(Quelle: Bundesamt für Kommunikation, Bakom)
Schon bald nach dem Gründungstag am 1. April 1992 sollte sowohl den Mitarbeitenden des Bundesamts für Kommunikation Bakom als auch der Schweizer EDV-Branche klar werden, dass es sich bei der neuen Behörde um einen Aprilscherz handelte. Denn die Beamten an der Bieler Zukunftsstrasse und die EDV-Firmen bekamen alle Hände voll zu tun. Parallel zur Installation des Bakom war das Fernmeldegesetz erstmals revidiert worden. Das dahin gültige «Bundesgesetz betreffend den Telegrafen- und Telefonverkehr» war seit 1923 in Kraft und wurde 1992 an die neue Realität angepasst: die Verschmelzung des Fernmeldenetzes mit dem Computer.
Mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes am 1. Mai 1992 begann zudem das PTT-Monopol zu bröckeln: Konsumentinnen und Konsumenten hatten die Wahl bei Telefonapparaten. Diese konnten bei der PTT oder im freien Handel erworben werden. Gleiches galt für die Telefonzentralen, die ebenfalls entweder bei privaten Unternehmen oder bei der PTT bezogen werden konnten. Weiter durften Dritte im Wettbewerb mit den PTT-Betrieben auf Mietleitungen selbstständig Datenübermittlungsdienste anbieten. Über alle Neuerungen hatten das Bakom zu wachen. Eine Mammutaufgabe, wie sich noch 1992 herausstellen sollte.

Telefon und Internet sponsoren Post

Das Amt musste sich zwar nicht um die Netzinfrastruktur und die Telefondienste zu kümmern, denn beide blieben im PTT-Monopol. Schon in den ersten Monaten stellte sich allerdings heraus, dass die PTT nicht gewillt war, ihre letzte Bastion kampflos aufzugeben. Das im revidierten Gesetz festgeschriebene Fernmeldemonopol könne nach Aussage des helvetischen Preisüberwachers Odilo Guntern (CVP) «möglicherweise» dazu führen, dass die Netzkapazitäten der PTT zu einem Flaschenhals im wachsenden Datenverkehr würden. Dieses Problem werde nach Gunterns Auffassung noch verschärft durch die damalige Praxis der spartenübergreifenden Mischrechnung. «Sollte nämlich das Fernmeldedepartement wie bisher unrentable Sparten quersubventionieren, kann es seine Finanzkraft nicht in ausreichendem Masse dazu verwenden, die notwendigen Mittel für die Netzinfrastruktur der computergestützten Informations- und Kommunikationstechnologie bereitzustellen», liess sich der Preisüberwacher von Computerworld zitieren. 
Für ihn sei es fraglich, inwiefern diese Praxis überhaupt mit dem neuen Fernmeldegesetz vereinbar sei. Denn das Gesetz halte die PTT dazu an, die verbleibenden Monopolleistungen preiswert anzubieten und die übrigen Leistungen nicht aus Monopolerträgen zu verbilligen. Nur wenn die Mischrechnung aufgehoben werde, sei sichergestellt, «dass der Postbereich nicht die künftig notwendige Investitionspolitik des Telekombereichs behindern wird».

Satellit statt teure PTT-Leitung

Bis dahin verdiente die PTT viel Geld mit den Mietleitungen. Wie Computerworld wusste, nahm der Staatsbetrieb stattliche 200 Millionen Franken jährlich ein. Da das Monopol durch das neue Fernmeldegesetz nicht fiel und die PTT Preiserhöhungen in Aussicht stellte, erwogen auch die treuen Kunden, auf alternative Übermittlungswege auszuweichen.
Der heutige Bakom-Direktor Bernhard Maissen
Quelle: Bundesamt für Kommunikation Bakom
Im Vordergrund stand die Satellitenlösung, so der Technikchef der Schweizerischen Depeschen­agentur, Peter Müller. Die SDA zahlte jährlich rund 350 000 Franken Miete für die PTT-Leitungen. Nach der Mieterhöhung musste die SDA mit einer Verdoppelung dieser Kosten rechnen. Hauptgrund für die massive Erhöhung war die von der Distanz und der Übertragungskapazität abhängige Realgebühr, die der SDA bis dahin zu zwei Dritteln erlassen worden war. Sie hätte mit der neuen Gebührenstruktur voll bezahlt werden müssen.
Von der neuen Gebührenstruktur potenziell betroffen waren nicht nur die Presseagenturen wie die SDA, sondern auch die Behörden und öffentliche Verwaltungen, denen der Staatskonzern keine oder nur geringe Realgebühren berechnet hatte. Insgesamt erliess die PTT den solcherart Begünstigten über die Jahrzehnte riesige Summen. Und trotzdem waren die Mietleitungen ein lukratives Geschäft für den Monopolisten. Schweizer Behörden blieben dem Konzern vorläufig treu.

PTT-Prüfung für Bakom-Siegel

Das neue Bakom war auch in einer weiteren Angelegenheit auf die PTT angewiesen: Eine der Aufgaben der neuen «Marktzugangsbehörde» war es zu prüfen, ob Anlagen wie Telefon-, Telex- und Videotexanlagen, Funkgeräte, Modems, Hauszentralen für Telefon oder ISDN den technischen Anforderungen entsprechen. Von diesem Entscheid hing ab, ob die Geräte in der Schweiz verkauft, vertrieben und benützt werden dürfen. Zuvor durften nicht zugelassene Modems zwar verkauft, offiziell aber nicht eingesetzt werden.
Marc Furrer war der erste Direktor des Bakom
Quelle: Bundesamt für Kommunikation Bakom
Einige dieser «halblegalen» Geräte mussten bei Inkrafttreten des neuen Fernmeldegesetzes vom Markt genommen werden. Zu diesen gehört das PSI-Modem für das Apple PowerBook der Swip Handelsgesellschaft. Die Firma bemühte sich zwar um eine PTT-Zulassung, fiel jedoch «haushoch» durch die Prüfung. So verschwand das Modell Ende April 1992 vom Markt – allerdings nur vorübergehend. Swip-Geschäftsführer Martin Gross äusserte gegenüber Computerworld die Hoffnung, bis Ende Juni 1992 die Bewilligung zu bekommen. Dass nun während zwei Monaten eine Modemlücke im Swip-Angebot klaffte, lastete Gross nicht etwa dem Bieler Beamtenschlendrian an, sondern dem grösseren Ansturm, den die PTT zu bewältigen habe. Beat Mühlemann, verantwortlich für Modem-Zulassungsprüfungen bei der PTT, bestätigte der Computerworld, dass man es «im Moment mit einem ziemlich grossen Andrang» zu tun habe. Wer Ende April ein Modem zur Prüfung anmeldete, bekam nicht vor Juni des gleichen Jahres einen Termin.
Mühlemann führt den Andrang nicht nur auf die drohende Illegalität zurück, sondern auch auf die Kosten. Die Prüfung schlug mit rund 1200 Franken pro Tag zu Buche. Ein Grund: Es gab in der Schweiz für den Endgerätemarkt mit einem Jahresumsatz von geschätzt 1,5 Milliarden Franken nur eine einzige (überlastete) Prüfstelle – die Prüfstelle der PTT. Sie hatte bis Ende 1992 immerhin 175 Geräte für gesetzeskonform befunden.
Der heutige Bakom-Direktor Bernard Maissen erlebte den Zwist zwischen PTT und SDA 1992 als Journalist – allerdings als Korrespondent für Graubünden und Liechtenstein. In einem Flyer zum 30-jährigen Jubiläum des Bakom lässt er sich mit der doppeldeutigen Aussage zitieren: «Wir arbeiten weiter an der Zukunft(strasse)».



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