Sunnie Groeneveld
14.10.2016, 14:43 Uhr
«Bei vielen Digitalisierungsthemen gewinnt der Schnellere»
Warum digitalswitzerland - ehemals DigitalZurich2025 - die erste Initiative ist, die den Schweizer Technologiestandort tatsächlich voranbringen kann, erklärt die ehemalige Geschäftsführerin Sunnie Groeneveld im Interview.
Computerworld: Aus der regionalen Standortinitiative DigitalZurich2025 wurde im September die national ausgerichtete Initiative digitalswitzerland. Wie kam es dazu und was hat DigitalZurich2025 erreicht?
Sunnie J. Groeneveld: DigitalZurich2025 ist 2015 mit der Vision ins Leben gerufen worden, die Schweiz zum führenden digitalen Innovationshub in Europa zu machen, mit Fokus auf den Grossraum Zürich. Hierzu wurden bei Gründung fünf Hauptprojekte angekündigt, die innerhalb von 2016 umgesetzt werden sollten. Seither hat DigitalZurich2025 den Kickstart-Accelerator initiiert, das in Europa grösste multi-corporate Beschleunigungsprogramm für Jungunternehmen, wofür über 900 Bewerbungen aus 40 Ländern eingegangen sind und zurzeit 30 Start-ups gefördert werden. Der Investor Summit hat Schweizer Start-ups mit internationalen Investoren zusammengebracht, wobei in mindestens einem Fall ein siebenstelliges Investment getätigt wurde. Acht Start-ups haben wir die Reise an die CeBIT ermöglicht, zwei konnten sogar bei Angela Merkel pitchen. Das WORLDWEBFORUM war im ersten Jahr aus Zeitgründen hauptsächlich eine pragmatische Partnerschaft, wurde aber mit einer Minderheitsbeteiligung und zwei Sitzen im Verwaltungsrat im vergangenen Juni ausgebaut. Wie stark die im Semptember lancierte Web-Plattform Education Digital einschlägt, muss sich noch weisen, aber ich bin sehr zuversichtlich. Nach der erfolgreichen Startphase gilt es nun die Kräfte schweizweit zu bündeln und zunehmend national zu agieren, deswegen der Entscheid hin zu digitalswitzerland.
Welchen Mehrwert hat DigitalZurich2025 ausser den Projekten dem Technologiestandort gebracht?
DigitalZurich2025 hat es geschafft, auf oberster Ebene jene zusammenzubringen, die sonst nicht zusammenarbeiten. Nun ziehen Konkurrenten bei digitalen Themen gemeinsam für den Standort industrieübergreifend am selben Strang. Ringier und NZZ, Coop und Migros oder Credit Suisse und UBS beispielsweise. Das war der grosse Verdienst von Ringier-CEO Marc Walder. Mit sehr viel persönlichem Engagement und Geschwindigkeit hat er die Initiative vorangetrieben und diese Grundhaltung vorgelebt.
Wo lagen die Schwierigkeiten?
Bei vielen Digitalisierungsthemen gewinnt der Schnellere. Ich denke, die grösste Herausforderung für die Schweiz in der Digitalisierungsthematik ist die Geschwindigkeit. Auch wenn DigitalZurich2025 und seine Mitgliedsunternehmen Gas gegeben und die ersten Projekte sehr rasch umgesetzt haben, über die gesamte Wirtschaft betrachtet, verspüren wir bei den digitalen Themen noch eine zu tiefe Dringlichkeit. Hinzukommt, dass wir in der Schweiz den Ansatz pflegen, stets alle «abzuholen». Das führt zu mehr Konsens, aber nicht unbedingt zu mehr Geschwindigkeit, manchmal eher das Gegenteil. Diesen Balanceakt hinzukriegen ist schwierig.
Den Balanceakt könnten Sie nun in der ganzen Schweiz versuchen. Allerdings sind Sie nicht mehr länger dabei, weshalb?
Die 20 Gründungsmitglieder von DigitalZurich2025 haben meiner Beratungsfirma Inspire 925 ein jahrelanges Mandat für den Aufbau der Geschäftsstelle als auch die Gesamtprojektleitung der bei Gründung angekündigten fünf Hauptprojekte erteilt. Seither haben wir ein gutes Team aufgebaut, alle Initiativen erfolgreich umgesetzt und es geschafft, aus der regionalen Initiative eine nationale zu machen. Die Startphase und somit unser Auftrag sind erfolgreich abgeschlossen. Für die Weiterführung ist ein vollamtlicher Geschäftsführer gefunden, der das operative Tagesgeschäft mit viel Erfahrung leiten wird. Ich freue mich fortan meine Firma Inspire 925 weiter auszubauen und widme mich unseren bestehenden als auch neuen Mandaten.
Was macht Inspire 925 ausser DigitalZurich2025?
Wir sind ein Beratungsunternehmen, das auf Mitarbeiterengagement, Zusammenarbeit und Innovation spezialisiert ist. Swissôtel engagierte uns beispielsweise in Anschluss an eine Mitarbeiter-Engagement-Befragung für ein Projekt, wo es darum ging, dass sich die Mitarbeitenden mit ihrem Arbeitsplatz, nicht aber so sehr mit der Hotel-Kette verbunden fühlten. In Partnerschaft mit dem Technologieunternehmen «Beekeeper» vernetzten wir die Belegschaft via Mobile App über die einzelnen Hotels hinweg, das Projekt war erfolgreich und führte zum weltweiten Roll-out. Ein anderes Unternehmen stand vor der Herausforderung, dass zu viel in Silos gearbeitet wurde. Für diesen Kunden entwickelten wir mit Nexys die Webapplikation Lunch-Lottery.com. Sie bringt Mitarbeitende nach dem Zufallsprinzip hierarchie- und abteilungsübergreifend zum Mittagessen zusammen. Nach einem jahrelangen Pilot in der Schweiz sind wir kurz davor, es europaweit für den Kunden zu implementieren.
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Zurück zu digitalswitzerland. Wie kann die Initiative weiterhin erfolgreich sein?
Damit die Initiative nachhaltig erfolgreich bleibt und ihr Ziel erreicht, die Schweiz zu einem führenden digitalen Innovationshub in Europa zu machen, muss es ihr nicht nur gelingen, einen digitalen Wandel voranzutreiben, sondern vor allem auch einen Kulturwandel. Konkret: Die Schweiz muss weniger Bedenkenträger und mehr Pionier sein, weniger Gärtchendenken tolerieren und mehr Kräfte bündeln, sich weniger in Diskussionen verlieren und mehr mit unternehmerischem Elan anpacken. Denn alle Zutaten, um ein führender digitaler Innovationshub zu werden, sind in unserem Land grundsätzlich vorhanden: Geld, Talent, top Bildungs- und Forschungsinstitutionen und vieles mehr.
Aber es fehlt eine Kultur, eine Grundhaltung, die weniger auf Abwarten und mehr auf Handeln ausgelegt ist. Nehmen wir das Beispiel der Wachstumsfinanzierung für Jungunternehmer. Die Schweiz bringt hervorragende Gründer hervor, oft finden diese aber nach einer erfolgreichen Schweizer Seedfinanzierung ihr Wachstumskapital für die zweite Finanzierungsrunde im Ausland. Dies liegt nicht daran, dass die Schweiz kein Geld hat, sondern an unserer abwartenden Haltung. So verlieren wir zurzeit einige unserer besten Unternehmertalente.
Bei DigitalZurich2025 sagten wir etwas und machten es dann auch. Das hat uns von anderen Initiativen unterschieden. Diese Attitüde gilt es beizubehalten, vorzuleben und schweizweit sektorübergreifend zu skalieren.
Das klingt alles sehr amerikanisch.
Ich glaube nicht, dass wir den «American Spirit» kopieren können oder sollten. «Zurich becomes Sillicon Valley» ist eine der Headlines, die ich zu diesem Thema nie gerne gelesen habe. Wir haben eigene Stärken wie unsere Verlässlichkeit, unsere demokratischen Entscheidungsprozesse, unser Qualitätsbewusstsein. Dennoch müssen wir eine gewisse Trägheit überwinden, nach dem Motto: «Disruption findet zwar statt, aber nicht bei uns, denn uns geht es ja gut». Dieser Mentalitätswandel ist notwendig, wenn wir unseren Wohlstand in einer zunehmend digitalisierten Welt halten wollen.
digitalswitzerland wird aber schweizweit ausgerichtet sein und auch politisch aktiv werden, das dauert bekanntlich seine Zeit.
Das Wachstum der Initiative an sich ist eine grosse Chance für die Schweiz, aber klar, je grösser die Organisation wird und je mehr man sich geographisch ausbreitet, desto komplizierter wird etwa die nun zunehmend mehrsprachige Kommunikation. Wenn ich aber etwas im vergangenen Jahr gelernt habe, dann dass vieles in der Schweiz nur deshalb nicht vorangeht, weil es nicht wichtig genug ist und deswegen aufgeschoben wird. Bei digitalswitzerland sitzen die Richtigen am Tisch. Wenn es gelingt, den Willen und Pioniergeist der Gründungsmitglieder der bei DigitalZurich2025 vorherrschte, weiterhin zu kultivieren und gemeinsam an einem Strang zu ziehen, wird man auch schweizweit gut vorankommen.