Bundesrat entscheidet
15.12.2015, 11:11 Uhr
Provider weiterhin haftbar für Inhalte auf ihren Seiten
Macht sich eine Webseitenbetreiberin strafbar, wenn auf ihrer Seite diffamierende Kommentare hinterlegt werden? Der Bundesrat hat sich dem komplexen Thema Online-Haftung angenommen - und die Verantwortung an die Gerichte abgeschoben.
- Eine Person fühlt sich durch einen Beitrag in einem Online - Blog in ihrer Persönlichkeit verletzt und möchte vom Blogbetreiber die Löschung des Beitrags erwirken.
- Über eine Website werden irreführende und damit unlautere Informationen über ein Unternehmen verbreitet. Das betroffene Unternehmen möchte den Zugriff auf die Website sperren lassen.
- Über eine Filesharing-Plattform lassen sich Dateien von Musikstücken aus unlizen - zierten Quellen herunterladen. Die Namen der Personen, die die Dateien dort hochgeladen haben, sind unbekannt beziehungsweise es sind nur deren IP - Adressen bekannt. Die Inhaber der Urheberrechte möchten erfahren, welche konkreten Personen hinter den IP - Adressen stecken, damit sie gegen diese gerichtlich vorgehen können.
Darf eine Person, die durch Soziale Medien zu Schaden gekommen ist, gegen den Content-Provider klagen? Die oben beschriebenen drei Szenarien sind fast schon Alltag, rechtlich sind sie aber eine Grauzone. Bisher ist nur ein einziger Entscheid des Bundesgerichts zur zivilrechtlichen Verantwortlichkeit eines Providers gefällt worden (siehe Kasten).
! KASTEN !
Provider haften - aber «nicht uferlos»
In den letzten zwei Jahren befasste sich das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement damit, die zivilrechtliche Veranwortlichkeit von Plattformbetreibern und Internetprovidern zu prüfen. Die Ergebnisse sind im letzte Woche veröffentlichten Bericht Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Providern festgehalten und lauten: Ja, gegen die Provider darf zivilrechtlich geklagt werden. Das ist bereits heute so, gemss Zivilrecht kann gegen jeden vorgegangen werden, der an einer Persönlichkeitsverletzung mitwirkt. Der Bundesrat sagt allerdings auch, dass die Klagen «nicht uferlos» sein sollten. So wäre es ein Unding, Ansprüche gegen den Stromlieferanten eines der in den Szenarien verantwortlichen Providers zuzulassen, obwohl der im Grunde genommen durch die Lieferung von Strom an einer Rechtsverletzung mitwirkt. Hier sei der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen, was das geltende Gesetz gut mache, findet der Bundesrat. Es sei an den Gerichten zu entscheiden, welche Forderungen durchgesetzt werden sollen. Die Gerichte in die Verantwortung zu nehmen, scheint dem Bundesrat bei diesem Thema zu gefallen. Gleiches gilt nämlich für das Thema Schadenersatz und Genuugtung. Also, ob eine Webseite, auf der von einem Fremdautor falsche Informationen über die Firma «ABC» publiziert wurden, dieser Firma Entschädigung zahlen muss. Schadenersatz wird gemäss Gesetz nur fällig, wenn dem Provider Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Dabei ist entscheidend, ob der Provider seine Sorgfaltspflicht verletzt hat. Dazu gibt es in der Schweiz weder gesetzliche Regelungen noch aussagekräftige Gerichtsentscheide. Der Bundesrat sagt, dass weiterhin die Gerichte im Einzelfall entscheiden sollen. Kleinere Provider hätten in der Regel nicht das juristische Wissen, um beurteilen zu können, ob in einem konkreten Fall eine Rechtsverletzung vorliegt. Es bestünde deshalb die Gefahr, dass Provider Inhalte überschiessend entfernen, was die Meinungsäusserungsfreiheit der Nutzer tangieren würde. Der Bundesrat befürwortet daher eine «Abstufung der Sorgfaltspflichten nach der Inhaltsnähe des Providers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls» und schlägt dazu im Bericht gewisse Kriterien vor.
Auskunft nur bei Strafverfahren
Ein weiterer Punkt, der in der Vergangenheit ? und in Zukunft ? für Diskussionen sorgt, ist die Auskunftspflicht der Provider. Darf ich, wenn mich ein anonymer Kommentar in meine Ehre verletzt, den Namen des Betreffenden vom Provider erfahren? Nein, sagt der Bundesrat. Wird das Verhalten aber strafrechtlich relevant, kann die Aufhebung des Fernmeldegeheimnisses verlangt werden. Das setzt aber voraus, dass die Daten gespeichert werden. Ein Thema, das während der BÜPF-Debatte hinreichend diskutiert wurde und ebenfalls noch nicht abgeschlossen ist. Auch die schweizerischen Bestimmungen zur Zuständigkeit und zum anwendbaren Recht in internationalen Verhältnissen werden im Bericht untersucht. Sie sind nach Meinung des Bundesrates ausreichend und sachgerecht. Zwar sei die Rechtsdurchsetzung im Ausland oftmals mit Schwierigkeiten verbunden. Diese Probleme seien jedoch allgemeiner Natur und können durch eine unilaterale Schweizer Regelung kaum gelöst werden. Zielführender seien Rechtshilfeabkommen, welche beispielsweise die direkte postalische Zustellung von Gerichtsdokumenten vorsehen und damit Zivilprozesse wesentlich beschleunigen.
Fazit
Der Bundesrat glaubt nicht, dass der Gesetzgeber eingreifen muss, um die Zivilhaftung von Providern zu reglen. Es gäbe bereits das Urheberrechtsgesetz, das sich derzeit in der Vernehmlassung befindet und solche Fälle teilweise abdeckt. In der Urheberrechtsrevision geht es unter anderem darum, den Providern einen Anreiz zu bieten, Inhalte zu löschen und danach zu fragen. So sollen Richter gar nicht erst ins Spiel kommen müssen. Während also Copyright-Verstösse von Providern flächendeckend gelöscht werden sollen, versucht der Bundesrat, genau dies bei allen anderen Fällen zu verhindern.