21.10.2015, 18:00 Uhr
Die IT-Branche ist im Parlament besser vertreten. Das nützt aber nur, wenn nun der nächste Schritt folgt.
Das neue Parlament steht und die ICT-Branche kann mit den Gewählten zufrieden sein. Nun muss der neue Einfluss geltend gemacht werden.
Die Schweiz hat am Wahlsonntag einen Rechtsrutsch vollzogen, ist derzeit vielerorts zu hören und lesen. Ob das stimmt, sei mal dahingestellt. Man könnte auch argumentieren, dass es lediglich eine Korrektur der Wahl von 2011 war, nach der die Mitte-Links Parteien wesentlich mehr Abstimmungen gewannen als vorher. In den letzten vier Jahren förderte das Parlament Regulierungen, befürwortete Zentralisierung und gab gerne Geld aus. Das Parlamentarier-Ranking der NZZ zeigt auf, wie sich die Kräfteverhältnisse in dieser Zeit verschoben haben. ###BILD_53442_fullwidth### Seit Sonntag gibt es im Nationalrat neue Mehrheiten. Die Erfolge von SVP und FDP auf Kosten der «Neuen Mitte» werden dazu führen, dass im Bundeshaus in den nächsten vier Jahren ein liberaler Wind weht. Bereits in der letzten Legislaturperiode ging die Mehrheit der wirtschaftspolitischen Abstimmungen an die Mitte-Rechts-Fraktion, dieser Zustand wird sich nun noch verstärken. Für die IT-Branche ist das eine sehr gute Sache. Sie kann nur profitieren, wenn wirtschaftsfreundlich abgestimmt wird. Informatik ist eine Triebfeder für Wachstum und wer in dieser Branche tätig ist, wird mit Aufträgen und Arbeitsplätzen belohnt, wenn Unternehmen mehr Geld ausgeben können. Die IT-Branche kann aber auch aufgrund der gewählten Personen zufrieden auf den 18. Oktober 2015 zurückblicken. Ihre wichtigsten Akteure (Ruedi Noser, Balthasar Glättli, Kathy Ricklin, Lukas Reimann, Nathalie Rickli, Christian Wasserfallen, Beat Flach) konnten sich halten, wurden zumeist mit überragenden Ergebnissen wiedergewählt. Einziges prominentes Opfer ist Thomas Maier, der sich innerhalb der Zürcher GLP nicht hoch genug positionieren konnte, um seinen Sitz zu verteidigen.
Digitec- und Green-Gründer neu dabei
Neu zu dieser Runde wird sich dafür Franz Grüter gesellen. Neben Jaqueline Badran ist er einer der wenigen IT-Unternehmer in einem Parlament, das vorwiegend aus Juristen besteht. Der Green.ch-CEO ist erst seit drei Jahren in der Politik aktiv, hat aber als Luzerner SVP-Parteipräsident und Kantonsrat bereits auf kantonaler Ebene seinen politischen Fussabdruck hinterlassen. Auf nationalem Parkett hat er sich in den letzten Monaten vor allem dann bemerkbar gemacht, wenn es um das revidierte Bundesgesetz fr die berwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BPF) ging, dessen Umsetzung er als Vorsitzender des Referendumskomitees verhindern will. «Ich bin froh, aus dem Wahlkrimi als Sieger hervorgegangen zu sein», sagt Grüter, der seinen Sitz wegen einer Mehrheit von 700 Stimmen gewann. Als Grund für den Erfolg nennt er seine Bekanntheit, die er auch seiner Funktion als Vorsitzender des fünftgrössten Internetproviders der Schweiz zu verdanken hat. Entsprechend werden IT und Telekommunikation auch während seiner Zeit als Nationalrat zu seinen Schwerpunkten gehören, verspricht Grüter. Grüter wird von Marcel Dobler in den Nationalrat begleitet. Auch Dobler, als Gründer des Online-Händlers Digitec, ist ein erfolgreicher Unternehmer aus der IT-Branche. Der 35-Jährige beendete ##{"type":"InterRed::Userlink","linktype":"b","linkoffset":0,"ziel_ba_name":"cwx_artikel","bid":0,"cid":0,"extern":"","fragment":"","t3uid":"62807","page":0,"text":"nach dem Einstieg der Migros vor drei Jahren","target":"_top","alias":"","_match":"","_custom_params":[]}#! seine Tätigkeit als Co-CEO von Digitec und darf nun vier Jahre lang in Bern politisieren.
Verbände fordern
Wenn sich die Nationalräte am 30. November zur Winteression im Bundeshaus versammeln, wird die IT-Fraktion grösser sein als bisher. Das bedeutet für die Branche aber auch, dass sie nun vehementer als bisher fordern muss, gehört zu werden. Und sie bringt sich bereits in Stellung. ICTswitzerland will insbesondere, dass die Debatte um den Datenschutz und die Datensicherheit (BPF und Nachrichtendienstgesetz, wie weiter nach Save-Harbor-Entscheid, Veränderungen der EU Richtlinien/Vereinbarungen, die geplante Revision des Schweizer Datenschutzgesetzes) in eine für die Branche positive Richtung steuert. Wie auch die Masseneinwanderungsinitiative im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Fachkräften. Weitere Themen die dem Dachverband wichtig sind, sind die bilateralen Verträge, die Revision des Fernmeldegesetzes, die Beschaffungsstrategie des Bundes bei IT Projekten (Revision BöB und VöB) sowie die Revision des Urheberrechtsgesetzes. Aus Sicht der Digitalen Gesellschaft muss in der neuen Legislatur die Freiheit im Internet bewahrt und verteidigt werden. Dazu gehören die gesetzliche Gewährleistung der Netzneutralität, keine Netzsperren und Zensur im Urheberrecht, keine Providerhaftung zum Nachteil der Nutzer, kein Datennationalismus beim Datenschutz. Ausserdem habe es das neue Parlament in der Hand, das revidierte BÜPF «bachab zu schicken». Und die Organisation hofft, dass möglichst viele Parlamentarier das Referendum gegen das neue Nachrichtendienstgesetz unterstützen werden. Am wichtigsten sei, dass Netzpolitik in allen Parteien stattfindet, genauso wie heute schon die Umweltpolitik. Damit die Branche in den nächsten vier Jahren tatsächlich mehr Gewicht hat, braucht es ein Zusammenspiel der Verbände und Politiker. Wie es die Landwirtschaft oder das Gewerbe seit Jahren vormachen. Das dürfte schwer genug werden, noch immer fehlt es der ICT an dem Status, der ihr aufgrund ihrer Wichtigkeit für die Schweizer Wirtschaft eigentlich zustehen müsste. Oder wie es SwissICT-Präsident Thomas Flatt ausdrückt: «Wir können zufrieden sein, dass viele der Parlamentarier, die sich für unsere Branche einsetzen, wiedergewählt wurden. Doch vermutlich haben sie das nicht wegen ihres Informatik-Interesses geschafft.» Vermutlich nicht. Geschadet hat es aber auch nicht.