30.11.2011, 09:20 Uhr
«Entlassung von 17'000 Mitarbeitern nachvollziehbar»
Im Interview mit Computerworld.ch spricht der Schweizer Länderchef von Nokia Siemens Networks, Beat Rohr, über die Streichung von 17'000 Arbeitsplätzen und die Aussichten des Telekom-Zulieferers in der Schweiz.
Beat Rohr ist seit März 2011 Schweizer Länderchef des Joint-Ventures Nokia Siemens Networks. Rohr betreute zuvor beim gleichen Unternehmen den Grosskunden Swisscom und hatte vorher während über zehn Jahren ähnliche Posten bei Alcatel Lucent und Sun Microsystems inne.
Computerworld.ch: Letzte Woche gab Ihr Konzern eine Neuausrichtung der Strategie bekannt, der mehr als 17'000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen. Was haben Sie als erstes gedacht, als Sie davon hörten?
Beat Rohr: Für mich ist der Entscheid nachvollziehbar. Die Fokussierung auf das mobile Breitband und Glasfaser ist richtig. Fixnet-Anschlüsse verlieren je länger je mehr an Bedeutung. Ausserdem werden die Arbeitsplätze nicht per sofort sondern innerhalb der nächsten zwei Jahre abgebaut.
Lassen sich die Konsequenzen für die Schweizer Niederlassung schon abschätzen?
Nein, dafür ist es noch zu früh. Allerdings ist es wichtig zu wissen, dass unsere Kunden schon heute mehrheitlich Infrastruktur im mobilen Breitband beziehen. Es lässt sich dennoch nicht ausschliessen, dass auch hierzulande gewisse Randgebiete betroffen sind.
Anm. der Redaktion: Drei weitere Fragen zu Details des Stellenabbaus wurden von Nokia Siemens leider gestrichen. Weitere Infos finden Sie unter diesem Link.
In der Schweiz betreibt die Swisscom Feldversuche im Bereich LTE. Ist die Technik, die dort verwendet wird, von Nokia Siemens Networks?
Nein, die stammt nicht von uns.
Aber Sie würden in der Schweiz schon gerne beim Aufbau eines LTE-Netzes mithelfen?
Ja, selbstverständlich.
Gibt es denn diesbezüglich schon abgeschlossene Verträge mit Providern?
Wir haben bestehende Verträge mit Providern.
Auch im Bereich LTE?
Das darf oder kann ich Ihnen noch nicht sagen. Da müssen Sie mir noch etwas Zeit geben. Die Auktion zur Frequenzversteigerung findet ja erst nächstes Jahr statt.
Wissen Sie denn schon, welche Provider LTE machen wollen und welche nicht?
Wir sind mit den Providern in Kontakt und werden ihnen unser Portfolio und Services offerieren.
Das war jetzt nicht besonders konkret. Verraten Sie uns doch ein paar Details.
Nein, das wäre doch noch etwas zu früh.
Angenommen mehrere Provider wollen LTE anbieten. Macht ein Parallelbau mehrerer Netze wirklich Sinn?
Das ist nicht Sache des Ausrüsters, sondern der Provider. Technologisch wäre der Bau eines einzelnen Netzes problemlos machbar. Ob es marketing- und wettbewerbsmässig aber Sinn macht, ist eine ganz andere Frage.
Bei gewissen HSDPA-Zellen soll ein Software-Update reichen, um LTE darauf anzubieten. Stimmt das?
Sie sprechen etwas sehr Interessantes an. Wir haben ein entsprechendes Angebot, das alle Technologien, also 2G, 3G und LTE, vereint. Per Remote-Steuerung lässt sich festlegen, welche davon genutzt wird. Das integrierte Radio-Modul bestimmt die Frequenz, diese ist aber an die Frequenz gebunden.
Wird dieses Produkt von den Providern schon aktiv genutzt?
Ja, es ist schon im Markt präsent.
Also könnte man theoretisch schon heute, vor der Frequenzversteigerung, LTE machen?
Das ist korrekt. Sofern die Frequenz auf dem entsprechenden Standort zur Verfügung steht, lässt sich dies per Software upgraden.
Gibt es denn die LTE-Frequenz auf 2600 MHz schon draussen im Markt?
In der Schweiz ist die wie gesagt noch nicht lizenziert.
Aber man hätte die Hardware theoretisch schon vorbereiten können...
(lacht) Das weiss ich jetzt nicht. Aber benutzen kann man die Frequenz auf jeden Fall noch nicht, bevor sie verkauft wurde.
Dann kann der Aufbau eines Netzes ja nicht besonders lange dauern. Wird es nächstes Jahr schon die ersten LTE-Angebote geben?
Wenn wir die Aktivitäten der Swisscom anschauen, scheint der Provider vorwärts zu machen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über die Schweizer Niederlassung und die Bedeutung innerhalb des Konzerns.
Sie haben alle drei Telekom-Anbieter der Schweiz unter Vertrag. Wofür sind Sie jeweils zuständig?
Wir sind einer der Hauptzulieferer von Orange. Ebenfalls sind wir bei Sunrise stark vertreten. Swisscom bezieht von uns hauptsächlich Signalisierungs-Dienstleistungen im Bereich Packet Core.
Darf man in diesem Fall sagen, dass Ihnen Orange den grössten Umsatzanteil beschert?
Wir kommunizieren unsere Resultate konsolidiert bei Nokia. Prozentual steuert jeder ungefähr ein Drittel bei.
Welche Bedeutung hat die Schweizer Niederlassung innerhalb des Konzerns?
In der Region Westeuropa wird auf die Schweiz geschaut. Unsere Provider sind sehr innovativ und die Kunden bringen einen sehr viel höheren Umsatz, als im restlichen Europa. Zudem wird in neue Technologien investiert.
Was wird sich durch den anstehenden Verkauf der Orange verändern? Befürchten Sie Umsatzeinbussen?
Der Verkauf wird eine Dynamik in den Markt bringen. Wer Orange übernimmt, hat dank des hohen Umsatz pro Kunden die Möglichkeit, etwas zu investieren und etwas zu verdienen.
Zum Abschluss: Der Joint-Venture-Vertrag ihrer Mutterhäuser Nokia und Siemens läuft in zwei Jahren aus. Wie geht es danach weiter?
Wir müssen die Auswirkungen der Neuausrichtung für den Konzern und die Schweiz abwarten.