11.04.2008, 08:40 Uhr

Per Ethernet über Berg und Tal

Das Elektrizitätswerk Obwalden hat sein altes SDH-Datennetz auf ein modernes Next-Generation-Carrier-Netz auf Basis von Ethernet migriert. Damit wurden die Voraussetzungen für neue Dienste wie VoIP und IPTV geschaffen.
Theo Ming, Geschäftsleiter Service beim Elektrizitätswerk Obwalden: "Mit dem neuen Netz sind wir für die Zukunft hervorragend gerüstet."
Das Elektrizitätswerk Obwalden (EWO) betreibt seit 1987 ein eigenes Datennetz. Ursprünglich nur zur Steuerung der eigenen Anlagen bestimmt, öffnete der Energieversorger seine Datentransportleitungen 1995 auch für externe Abnehmer. Die in den letzten zehn Jahren rapide gewachsene Datenflut ging auch an dem Datennetz des EWO nicht spurlos vorbei. Dies führte dazu, dass die Bandbreite im inzwischen etwas betagten SDH-Netzwerk nicht mehr ausreichte, um neue Kunden anschliessen und die Wünsche der Bestandkunden nach mehr Bandbreite befriedigen zu können.
Zudem liess das SDH-Netz nur reine Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zu, was insbesondere für Unternehmen mit mehreren Standorten eine Einschränkung darstellte. Daher stand für Theo Ming, Geschäftsleiter Service beim EW Obwalden, fest, dass nur ein neues Netzwerk die Zukunftssicherheit des Datennetzes EWOnet sicherstellen kann. «Neben der zu geringen Bandbreite hatten wir ausserdem Prob-leme beim Support und bei der Beschaffung von Ersatzteilen für die Multiplexer von Osiris, deren Vertrieb unser damaliger Lieferant Nexans eingestellt hatte», erklärt Theo Ming. «Daher haben wir uns schnell entschieden, ein neues modernes Carrier-Netz aufzubauen, das eine offene Basis für zukünftige Dienste bereitstellt.»

Offen für alles

In einem ersten Schritt erarbeitete das EWO ein Pflichtenheft, um das neue Netzwerk auszuschreiben. Dabei stand nicht die technische Ausgestaltung im Vordergrund, sondern die Funktionen eines Carrier-Netzes der nächsten Generation. So sollte es das Netzwerk ermöglichen, die bestehende Ringstruktur beizubehalten, die im Fehlerfall eine Verbindung innerhalb von nur 50 Millisekunden wieder herstellt und die Voraussetzungen für zukünftige Dienste wie Voice-over-IP (VoIP) und IPTV schafft. Überdies sollte das neue Netzwerk aufgeschaltet werden, während das alte noch im Betrieb war. Mit diesen Anforderungen wandte sich das EW Obwalden Ende November 2006 an drei Dienstleister.
Einige Wochen später standen für das EWO drei detaillierte Offerten zur Auswahl: Ein modernes Carrier-Ethernet mit Bandbreiten von 1 GBit/s und Komponenten von Extreme Networks, das DeltaNet ausgearbeitet hatte. Ein anderer Anbieter setzte auf ein MPLS-Netzwerk mit Komponenten der Spezialistin Atrica. Die dritte Anbieterin wollte das EWO für ein ebenfalls Ethernet-basierendes Netzwerk mit Produkten von Worldwide Packets begeistern.

Per Ethernet über Berg und Tal

Anhand einer Matrix, die unter anderem die Kriterien Ringfähigkeit, Provisioning, Handling, Komplexität, Homogenität, Link-aufrüstung, Beschaffungs- und Folgekosten sowie Wartungsaufwand beinhaltete, evaluierte Theo Mings Team die verschiedenen Angebote. Zudem machte man sich bei der Besichtigung von Referenzinstallationen, etwa dem City-Carrier wilhelm.tel in Norderstedt bei Hamburg, ein Bild von Carrier-Netzen auf Basis von Ethernet.
Die Geschäftsführung des EWO entschied sich schliesslich für das Angebot von DeltaNet. «Einerseits hat uns gut gefallen, dass wir damit ein durchgängiges Ethernet erhalten. Denn unsere Kunden setzen in ihren Netzen ausschliesslich auf Ethernet, was für uns den Betrieb des Netzwerks deutlich vereinfacht», erklärt Ming. «Zudem hatte DeltaNet das günstigste Angebot abgegeben und wir hatten durch die positive Zusammenarbeit in der Vergangenheit bereits Vertrauen zu dem Unternehmen aufgebaut und bei der Bewertung der Kriterien schwang ihr Angebot deutlich nach oben aus.»

Nahtlose Umsetzung

Gut ein halbes Jahr dauerte die anschliessende Umsetzung. Hierbei installierte DeltaNet zunächst in zehn Points-of-Presence (POPs) des EWO jeweils einen Core Switch vom Typ Summit X450, die der Distributor Algol Europe lieferte. Die Switches von Extreme Networks ermöglichten einen kostengünstigen Einstieg, und sie sind jederzeit aufrüstbar, zum Beispiel auf 10 GBit/s. Bei den Netzabschlussgeräten für die Endkunden wurden passend dazu die ETX-102 von Rad Data Communications eingesetzt, da diese eine hohe Interoperabilität im Bereich VMAN bieten. Die Ethernet-Technologie mit Funktionen für Provider Backbone Bridging Traffic Engineering (PBB-TE) ermöglicht dem EW Obwalden dabei sowohl den Aufbau eines virtuellen Metro-LANs für jeden Kunden sowie Umschaltzeiten im Fehlerfall von weniger als 50 Millisekunden.
Die steinige und hügelige Landschaft im Kanton Obwalden machten das Verlegen neuer Glasfaserstrecken zur echten Herausforderung. Deshalb mussten in der Anfangsphase die bestehenden Glasfaserverbindungen des alten Netzwerks auch das neue Carrier-Netz transportieren. Um dies zu ermöglichen, kamen an den POPs von DeltaNet entwickelte passive CWDM-Multiplexer namens Lambdaway zum Einsatz. Diese ermöglichten den Betrieb von mehreren unabhängigen Netzen mit jeweils bis zu zehn GBit/s Bandbreite auf dem bestehenden Glasfaserpaar.

Per Ethernet über Berg und Tal

Auf diese Weise konnte das EWO sukzessive einzelne Verbindungen aufbauen und in Betrieb nehmen, ohne den laufenden Betrieb zu stören. Zusätzliche LWL-Strecken benötigt der Energieversorger hauptsächlich zur Erhöhung der Redundanz. Denn während zu SDH-Zeiten Teilstrecken eines Rings dieselbe physikalische Trasse teilten, soll das neue Netzwerk im Endausbau aus einem vollständig redundanten Hauptring bestehen, an den dann beliebig viele weitere Ringe angeschlossen werden können.

Positive Bilanz

Weit mehr als 150 Personentage und rund 350000 Franken später konnte das neue EWOnet vollständig in Betrieb gehen. Erste Reaktionen von Bestandkunden folgten prompt. Alle bescheinigten dem neuen Netz bei identischer Bandbreite eine deutlich bessere Performance. Auch die Mitarbeiter von EWO und DeltaNet, die das Netzwerk betreuen, sind bislang von der neuen Technik begeistert. «Da wir jetzt Ende-zu-Ende- Ethernet haben, ist das Management des Netzes viel einfacher geworden. Auch neue Kollegen können den Aufbau des Netzwerks schnell verstehen und innerhalb kürzester Zeit bereits damit arbeiten», freut sich Thomas Spuhler von DeltaNet.
Bereits einen Schritt weiter denkt Theo Ming: Denn in einer Machbarkeitsstudie lässt er derzeit prüfen, wie sich die Haushalte des Kantons Obwalden per Glasfaser erschliessen lassen. Auch wenn er den Betrieb von möglichen neuen Diensten Partnerunternehmen überlassen will, möchte das EW Obwalden diesen dafür eine performante und hochverfügbare Infrastruktur anbieten können.
Zum Unternehmen

Das EW Obwalden

Das Elektrizitätswerk Obwalden beschäftigt aktuell rund 65 Mitarbeiter, die für den Kanton aus erneuerbaren Energiequellen Elektrizität und Wärme produzieren, diese sicher und effizient verteilen sowie für ihre Kunden ein modernes und leistungsfähiges Datennetz bereitstellen. Als öffentlich-rechtlicher Betrieb der Gemeinden und des Kanton Obwalden stehen für das EW Obwalden die Wettbewerbsfähigkeit und der Nutzen für seine Kunden im Mittelpunkt. Theo Ming ist seit 2001 beim Unternehmen und verantwortet seit 2004 als Mitglied der Geschäftsleitung den Bereich Service, zu dem auch das Datennetz EWOnet gehört.
Claudia Bardola



Das könnte Sie auch interessieren