30.04.2008, 08:20 Uhr
Unberührt vom Mangel an IT-Spezialisten
Entgegen dem allgemeinen Tenor gibt es Firmen, die keine Schwierigkeiten haben, Informatikstellen zu besetzen. Die Porträts von drei Unternehmen zeigen auf, wo die Gründe für die erfolgreiche Stellenbesetzung liegen können.
Ergon-Mitarbeiter David Huber; Ergon-CEO Patrick Burkhalter; OneConsult-CEO Christoph Baumgartner; OneConsult-Mitarbeiter René Hürlimann; Zühlke-Mitarbeiter Stefan Sieber und Zühlke-Partner Walter Hürsch
Der Schweizer Wirtschaft fehlen pro Jahr rund 5000 bis 10000 Informatiker, die Zahl der Studenten schwindet. Dieses Jahr werden nur etwa 100 ETH-Absolventen den ausgetrockneten Stellenmarkt bereichern - viel zu wenige, um die Misere zu beheben.
Doch es gibt Schweizer Unternehmen, wie etwa Ergon, OneConsult und Zühlke, die von der prekären Lage praktisch unberührt bleiben. Ihnen gelingt es, ihre offenen Stellen im IT-Bereich ohne übermässige Schwierigkeiten zu besetzen. Die Gründe dafür variieren zwar - es zeigen sich aber auch Parallelen. So zeichnen sich alle drei Firmen durch Teamgeist aus und bieten den Mitarbeitern vielfältige, branchenübergreifende Aufgaben, gepaart mit der Möglichkeit zur Weiterentwicklung. Das macht diese Firmen für Informatiker attraktiv. Dagegen ist der Lohn, wenngleich auf branchenüblichem Niveau, kein Kriterium: Alle drei Unternehmen zahlen keine übermässigen Saläre und oft weniger als beispielsweise Banken und Versicherungen.
Ergon: Entfaltung und Mitbestimmung
Die Zürcher Software-Engineering-Firma Ergon Informatik ist in den letzten Jahren stets gewachsen und beschäftigt heute rund 100 Personen, mehrheitlich ETH-Informatiker. «Die Mitarbeiter sind unser Kapital», beschreibt CEO Patrick Burkhalter die Maxime bei der Personalführung. Das Resultat dieser Maxime ist ein Umgang, wie er in der Branche wohl einzigartig ist: Es herrscht absolute Lohntransparenz und die Mitarbeiter haben ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen. Diese Offenheit ist laut Burkhalter Voraussetzung dafür, dass die einzelnen Spezialisten Eigenverantwortung entwickeln können und im Gegenzug viel Freiheit bei ihrer täglichen Arbeit geniessen. Im Vordergrund steht dabei die Arbeit im Team, die vorwiegend bei Ergon und nur zu einem kleinen Teil bei den Kunden vor Ort erledigt wird. Diese Form der Zusammenarbeit stärkt die Teambildung und fördert den Zusammenhalt unter den Arbeitskollegen. Darin sieht Burkhalter denn auch einen Schlüssel zum Erfolg. Dabei achtet das Unternehmen darauf, die Gruppen unabhängig von den laufenden Projekten zusammenzuhalten, während in Grossfirmen die Zusammenarbeit oftmals nur projektbezogen erfolgt. Diese Kultur ist bei Ergon seit Beginn gewachsen. Eher skeptisch beurteilt Geschäftsführer Patrick Burkhalter dagegen die Chancen, eine Firmenkultur nachträglich grundlegend zu ändern. Ein solches Unterfangen liesse sich höchstens schrittweise bewerkstelligen.
Da Ergon Software für verschiedene Branchen entwickelt, erhalten die Mitarbeiter auch Einblick in unterschiedliche Wirtschaftszweige. Diese Vielfalt war für den ETH-Informatiker David Huber mit ein Grund, sich für Ergon zu entscheiden: «Viele Studienabgänger haben sich noch nicht für eine bestimmte Branche entschieden», erklärt er. «Branchenvielfalt ist daher ein Vorteil.» Eine Exkursion zu Ergon während der Studienzeit habe der Firma zudem ein Gesicht gegeben.Die Zufriedenheit der Mitarbeiter äussert sich auch in der niedrigen Fluktuationsrate im tiefen einstelligen Prozentbereich. Meist erklären sich die Wechsel damit, dass Ergon hauptsächlich Studienabgänger einstellt, die sich nach einigen Jahren in eine neue Richtung entwickeln möchten und das Unternehmen verlassen.
OneConsult: Teamgeist
In den bald fünf Jahren ihres Bestehens ist die auf Beratung im ICT-Sicherheitsumfeld und auf technische Audits spezialisierte OneConsult mit Hauptsitz in Thalwil auf knapp 20 Mitarbeiter und fünf Standorte in vier Ländern gewachsen. In der Schweiz arbeiten 13 Informatiker mit unterschiedlichem Werdegang. Akademiker sind genauso anzutreffen wie Praktiker, die ihr Wissen aus der Berufserfahrung beziehen. Gemeinsam ist ihnen die Affinität zum Thema Security. Über mangelnde Nachfrage kann sich CEO und Inhaber Christoph Baumgartner nicht beklagen - weder von den Kunden her noch von IT-Spezialisten, die bei ihm anheuern wollen: «Wir haben einige Security-Profis in der Hinterhand, die gerne bei uns arbeiten würden», beschreibt der Firmenchef die rosigen Perspektiven.
Unberührt vom Mangel an IT-Spezialisten
Zu diesem Kreis gehörte auch René Hürlimann, der kürzlich von einem Grossunternehmen als Senior Consultant zur OneConsult stiess. Seine Motivation für den Wechsel begründet er mit dem Arbeitsklima: «Hier ziehen alle am selben Strick und helfen sich gegenseitig». Bei einem Grossbetrieb herrsche, hat Hürlimann festgestellt, indes eher die Tendenz zum Gärtchendenken. Das Klima bei OneConsult dagegen sei familiär, wie oft in kleineren Unternehmen, und es herrsche eine offene Kommunikation. «Teamwork und Meinungsaustausch erfolgen bei uns über alle Standorte hinweg, nicht nur innerhalb der Niederlassungen», beschreibt Baumgartner. Im gegenseitigen Austausch von Fachwissen unterscheidet sich OneConsult gemäss den Beobachtungen von René Hürlimann ebenfalls von Grossbetrieben, in denen solche Mechanismen kaum spielen würden. Die hohe Motivation im Team wirkt sich positiv auf die Kundenzufriedenheit aus, was wiederum die Mitarbeiter in ihrem Tun bestätigt. Dieser Effekt wird auch von der Personalstatistik bestätigt: Bis heute hat One Consult keinen einzigen Abgang zu verzeichnen.
Zühlke: Garantierte Weiterbildung
Im Unterschied zu reinen Software-Unternehmen entwickelt Zühlke mit Hauptsitz in Schlieren zusätzlich elektronische, mechanische und optische Produkte. Diese Vielfalt mag mitgespielt haben beim Entscheid der rund 50 Spezialisten, die in den letzten 15 Monaten zu Zühlke fanden. Die überwiegende Mehrheit davon besitzt einen Hochschulabschluss. Insgesamt beschäftigt die Firma heute in sechs Entwicklungszentren in Europa mehr als 300 Mitarbeiter. Walter Hürsch, Partner und Bereichsleiter, führt zwei Faktoren auf, die das Unternehmen für Spezialisten attraktiv machen: «Zum einen sind die Mitarbeiter unser höchstes Gut, und zum anderen bieten wir eine breite Diversität der Produkte und Branchen.»
Diese Wertschätzung zeigt sich deutlich bei der Weiterbildung: Jeder Zühlke-Mitarbeiter hat Anrecht auf 20 Ausbildungstage pro Jahr. Zwölf Prozent des Umsatzes investiert das Unternehmen in die Weiterbildung. Bei rund 62 Millionen Franken für das Jahr 2007 gemeldetem Umsatz sind das stattliche 7,4 Millionen Franken.
Die garantierte Weiterbildung gab für ETH-Informatiker Stefan Sieber den Ausschlag, sich Anfang März 2008 für Zühlke zu entscheiden. «Gerade bei Neueinsteigern sind solche Ausbildungsmöglichkeiten sehr gefragt», erklärt er. Aus Firmensicht sollen so Experten auf verschiedenen Gebieten herangebildet werden, von deren Know-how wiederum die anderen Mitarbeiter profitieren.
Die Karriereschritte, die sich solchen Spezialisten eröffnen, sind bei Zühlke klar definiert. Dasselbe gilt für das Lohnsystem, dessen Stufen allen Mitarbeitern bekannt sind. Das fördert nicht zuletzt das Arbeitsklima, weil bei allen mit der gleichen Elle gemessen wird. Welcher Stellenwert den Mitarbeitern beigemessen wird, zeigt sich bereits beim Bewerbungsverfahren, das von den fachlichen Vorgesetzten durchgeführt wird. Das Assessment ist streng und soll neben der fachlichen Qualifikation auch die Persönlichkeit eines Bewerbers herausschälen. Dieses Vorgehen wird von Sieber aber als positiv eingestuft: «Ich wurde nicht alleine aufgrund des ETH-Abschlusses eingestellt, sondern auch wegen meiner persönlichen Stärken», ist er überzeugt.
Fazit: Das Gesamtbild entscheidet
Persönliche Aspekte und Vorlieben spielen aber auch seitens der IT-Spezialisten eine Rolle. Interessante und breit gefächerte Aufgaben, Teamgeist und Weiterbildungsmöglichkeiten sind klare Pluspunkte für eine Firma auf der Suche nach Fachleuten. Doch gerade bei weichen Faktoren wie der Atmo-sphäre im Unternehmen gibt es keine Patentrezepte für den Erfolg. Höchstens Aspekte, welche die Rekrutierung erleichtern - oder eben auch erschweren.
Andreas Heer