22.05.2014, 14:03 Uhr
Der steinige Weg zum ganzheitlichen Prozessmanagement
In den letzten Jahren haben sich Unternehmen mehr in Richtung eines ganzheitlichen Prozessmanagements entwickelt. Bisher setzen aber nur wenige auf eine kontinuierliche Prozessoptimierung.
Die Autorinnen der Studie und Dozentinnen an der ZHAW Dr. Claudia Pedron (links), Elke Brucker-Kley / Bild: ZHAW
Auch 2014 zählt Business Process Management (BPM) neben Mobility und Big Data zu jenen Themen, um die Unternehmen in naher Zukunft nicht mehr drum herum kommen werden, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. So werden die Reaktionszeiten immer kürzer, wird vernetzte Kommunikation zunehmend wichtiger und einfach zu handhabende Business-Lösungen sind von entscheidender Bedeutung für Agilität und Dynamik. Zudem nehmen kontextbewusste Angebote zu, Mitarbeiter wollen und müssen in IT-Prozesse eingebunden und die IT durch einfache, agile Business-Lösungen entlastet werden.
Neue Studie vorgestellt
Das Institut für Wirtschaftsinformatik an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) School of Management and Law hat nun in Zusammenarbeit mit dem BPM-Spezialisten Soreco die Ergebnisse einer branchenübergreifenden empirischen Studie zum Thema vorgestellt. Die Studie, die mit Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum durchgeführt wurde, baut auf der im Jahr 2011 erstmals durchgeführten Umfrage auf, die ergab, dass Organisationen das Potenzial eines methoden- und IT-gestützten Geschäftsprozessmanagements bei weitem noch nicht ausschöpfen. Seither haben sich die Unternehmen mehr in Richtung eines ganzheitlichen Prozessmanagements entwickelt. Die Effizienz wird wichtiger und die Relevanz von BPM-Werkzeugen hat im Vergleich zu 2011 zugenommen. Prozessmanagement ohne den Einsatz von Methoden und Technologien ist heute kaum mehr vorstellbar. So nutzen mittlerweile 70 Prozent der Unternehmen IT-gestützte BPM-Werkzeuge. Ausserdem: Während es 2011 zuallererst einmal darum ging Transparenz zu schaffen, befinden sich heute mehr Unternehmen als vor vier Jahren auf der Stufe «Operationalisierung». Lesen Sie auf der nächsten Seite: bottom-up und top-down müssen integriert sein
Zunahme strategischer Bedeutung
Gleichzeitig wird dem Prozessmanagement eine höhere strategische Bedeutung zugeschrieben. So sind sich die Firmen durchaus bewusst, dass ein wirksames strategisches Prozessmanagement sowohl die top-down-Verpflichtung eines Führungsteams, als auch die bottom-up-Dynamik der Mitarbeitenden braucht. «Bedürfnisse entstehen oft von unten», sagt Dr. Claudia Pedron, Mitautorin der Studie und Leiterin des Real Estate Lab an der ZHAW. Initiativen von unten könnten sehr nützlich sein bei der bottom-up-Betrachtung von Prozessen, so die Dozentin. Die Gefahr bestehe darin, den bottom-up-Ansatz nicht in die Überlegungen einzubinden. «Bottom-up und top-down müssen integriert werden, damit sie sich irgendwo in der Mitte treffen und strategische Initiativen von unten nicht im Sande verlaufen», so Pedron. Die Wahrnehmung des Prozessmanagements als Hebel für eine strategische Umsetzung konnte sich bis dato jedoch noch nicht durchsetzen. Die Studie ergab, dass sich nur wenige Unternehmen Ziele setzen, die auf eine kontinuierliche Prozessoptimierung oder prozessbefähigte Innovation hindeuten. Lesen Sie auf der nächsten Seite: IT oft noch aussen vor
IT zu wenig involviert
Auch bei der Betrachtung von Prozessen gibt es noch unterschiedliche Wahrnehmungen: «Wir haben auf der einen Seite die betriebswirtschaftliche Sicht auf die Anwenderprozesse, auf der anderen die Sicht jener von der technisch ausführenden Seite», erklärt Elke Brucker-Kley, Studienmitverfasserin, Projektleiterin an der ZHAW und Dozentin für IT-Service-Management. Hier existieren also noch immer zwei verschiedene Betrachtungsweisen. «In die fachliche Analyse werden IT-Leute oft noch nicht involviert. Das ist ineffizient und Wissen geht dadurch verloren», so Brucker-Kley. Zudem habe wiederum der Fachexperte in einem späteren Stadium der Prozessanalyse nicht mehr die Möglichkeit Einfluss auf die Gestaltung zu nehmen. Die Wichtigkeit Mitarbeiter und auch Kunden zu involvieren, unterstreicht auch Urs Keller, Abteilungsleiter Spezialprojekte der Verit Immobilien AG, in seinem Praxisreferat. Beim Immobilienverwalter existieren derzeit rund 100 Geschäftsprozesse, die, anders wie bei vielen anderen Unternehmen, immerhin schon auf 900 Seiten dokumentiert und aktualisiert sind. In Zusammenarbeit mit Master- und Bachelorstudenten der ZHAW läuft gerade ein Projekt für die Schaffung eines elektronischen Tools, um die Prozesse zu überblicken, zu überwachen und effizienter zu gestalten. «So ein Projekt macht man letztlich nur für die Leute», so Keller, «es müssen daher auch alle involviert sein, denn das Projekt müssen schiesslich auch alle bis zum Schluss tragen.» Lesen Sie auf der nächsten Seite: noch keine End-to-End-Perspektive
End-to-End-Perspektive noch lückenhaft
Laut Studie vertritt die Hälfte der Befragten die Meinung, dass die prozessorientierte Organisation sowie die Festlegung von klaren Verantwortlichkeiten wesentlich für ein erfolgreiches Geschäftsprozessmanagement sind. Der Grossteil der Studienteilnehmer bekennt sich auch zur End-to-End-Prozessperspektive, was für einen nachhaltigen Einsatz von BPM spricht. Allerdings ist eine End-to-End-Perspektive effektiv oft noch nicht realisiert. Wie es um Business Prozess Management in der Praxis in Schweizer Unternehmen bestellt ist, lesen Sie in unserer Printausgabe zum BPM-Schwerpunkt, die im Herbst erscheint.