Konferenz SAS 15.04.2019, 14:30 Uhr

So hilft KI den Banken und Versicherungen

Schweizer Banken und Versicherungen horten riesige Datenmengen. Sie werden neu von künstlicher Intelligenz für Geschäftsanwendungen verwendet. Dabei hilft der Hersteller SAS.
Andreas Becks von SAS berichtete über Anwendungen von Analytik in Versicherungen
(Quelle: computerworld.ch)
Die Schweizer Banken und Versicherungen können sich glücklich schätzen, weiterhin treue Kunden zu haben. Die Verantwortlichen in der Finanzindustrie wissen aber auch, dass es im wirtschaftlich herausfordernden Umfeld je länger, je mehr schwierig wird, die Kunden zu halten. Nullzinsen und aufwendige interne Verwaltungsprozesse sind jedenfalls keine überzeugenden Argumente für lukrative Neugeschäfte. Insbesondere dann nicht, wenn sich die Klientel verändert: Die Kunden möchten Finanztransaktionen mit einem Fingerabdruck am Smartphone abwickeln und die Performance ihrer Anlagen am Tablet auf dem Sofa prüfen.
Auf diese neue Klientel sind die meisten Finanzdienstleister mittlerweile mehr oder weniger gut eingestellt. Sie werden mit Apple Pay und Twint, E-Banking und Chatbots bedient. Am Frontend hapert es bei den wenigsten Anbietern. Eine Herausforderung sind die riesigen IT-Infrastrukturen im Backend, in denen oftmals Massen an Daten brach liegen. Um diese Bestände möchte sich der Software-Anbieter SAS gerne kümmern. An einem Anlass zu «AI inFinancial Services» in Zürich stellten Experten und Kunden des Analytik-Spezialisten eine Reihe von Anwendungen vor.

KI für die Schadensabwicklung

Andreas Becks von SAS berichtete von einem Versicherungsunternehmen, das seine Systeme für das Schadensmanagement optimieren wollte. Die alten Lösungen krankten an vielen manuellen Prozessen mit entsprechend langen Durchlaufzeiten und einer hohen Fehlerquote. Im Durchschnitt benötigten die Sachbearbeiter 28 Tage für einen Schadensfall und schickten 60 Prozent der Fahrzeuge fälschlicherweise zur Reparatur in die Garage.
Die Assekuranz entwickelte gemeinsam mit SAS ein neues Schadensmanagement-System, sagte Becks an dem Anlass. Neu kamen für einzelne Prozesse auch Analytik-Anwendungen zum Einsatz: Die Software analysiert nun für jeden Schadensfall das Vertragsverhältnis inklusive der Dauer und dem Wert, vergleicht den Vorfall mit typischen Betrugsmustern und bezieht das Alter des Fahrzeugs und frühere Reparaturen in die Kalkulation mit ein. Am Ende präsentiert das System dem Sachbearbeiter einen Gesamt-Score und bietet in Standard-Fällen die automatisierte Abwicklung an. Mittlerweile vertrauen in 94 Prozent der Fälle die Sachbearbeiter dem Systementscheid. Sie bekommen neu nur noch die kniffeligen Schadensmeldungen auf den Tisch, bei denen das System Unregelmässigkeiten erkannt hat, sagte der SAS-Experte. Ein Resultat: Die Durchlaufzeit für einen Sachschaden beträgt neu 12 statt der bisher 28 Tage.
Von ähnlich aussagekräftigen Ergebnissen wusste Becks bei seinem anderen Beispiel nicht zu berichten: Ein Finanzdienstleister setzt auf Machine Learning in der Bildverarbeitung. Der Computer analysiert anhand von Kundenadressen auf Kartendiensten wie Google Street View die Umgebung der Liegenschaft. Die hochpreisigen Wohnlagen werden dann für die Identifikation von potenziell lukrativen Kunden verwendet.

Der Datenschatz der PostFinance

Der Datenbestand der PostFinance ist gewaltig: Der grössten Finanzdienstleister der Schweiz führt für rund 2,9 Millionen Kunden circa 4,5 Millionen Konten und verwaltet Vermögen in Höhe von knapp 119 Milliarden Franken. Gleichzeitig ist das Unternehmen der grösster Zahlungsverkehrsdienstleister der Schweiz mit alleine 146 Millionen Einzahlungen am Postschalter. Insgesamt verarbeitete PostFinance im vergangenen Jahr circa 1,1 Milliarden Finanztransaktionen. Für jeden Kunden sind Daten gespeichert, über jedes Konto, jede Anlage und jede Transaktion erfordert sowie generiert Informationen.
Dirk Grasmück baut bei PostFinance das analytische Marketing aus
Quelle: computerworld.ch
Auf der Grundlage des im vergangenen Jahr neu eingeführten Kernbankensystems hat sich PostFinance nun dem analytischen Marketing verschrieben, wie Dirk Grasmück, Head of Investment Marketing, an dem Anlass sagte. Ziele seien einerseits die Ertragssteigerung und andererseits die Kostensenkung. Dabei berge allein schon die Kanalwahl für die Kundenansprache viel Sparpotenzial: Während eine Beraterstunde am teuersten ist, das Call Center günstiger, die Briefpost noch günstiger, ist die elektronische Nachricht am günstigsten. Allerdings müsse bei der Wahl auch die Präferenz der Kunden berücksichtigt werden, sagte Grasmück.
Er und ein interdisziplinäres Team aus Datenanalytikern, Informatikern, Marketingfachleuten und Technikern haben für das analytische Marketing diverse der Quellen erschlossen. Für die Massnahmenplanung wird unter anderem verwendet: Demographie, Produktnutzung, Kartentransaktionen, Zahlungsverkehrstransaktionen, Login-Frequenz beim Online-Banking und Reaktionen auf frühere Aussendungen. Wie Grasmück sagte, sei das Zusammenspiel der Kompetenzen aus Business und Analytik das Erfolgsrezept. Und ausserdem die kreative Kombination der Methoden, beispielsweise Textanalyse und Machine Learning.
Anhand der Daten ermittelt PostFinance in der Cashflow-Analyse, wie die Kunden mit ihrem Guthaben umgehen. Einige Kunden würden alles Geld bis Monatsende ausgeben, andere sammeln Geld bis zu einem bestimmten Betrag und dritte sorgen für einen konstant hohes Plus auf dem Konto. Durch den Abgleich mit Merkmalen von sämtlichen Finanzprodukten wird laut Grasmück anschliessend für jeden Kunden ein Score für die Produktaffinität und Abschlusswahrscheinlichkeit generiert. Wird die Marketing-Maschinerie in Gang gesetzt. «Von der Zielgruppe zur Kampagne und nicht umgekehrt», benannte der Experte das Vorgehen im PostFinance-Marketing.



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