28.03.2014, 16:47 Uhr
«Xing sollte sich bei allen Kunden entschuldigen»
Die massive Preiserhöhung von Xing, vor allem aber die Art der Kommunikation, hat die Nutzer derart verägert, dass viele ihre Abos kündigen. Computerworld hat mit dem PR-Berater Fidel S. Stöhlker Ursachenforschung betrieben und wollte herausfinden, was andere Unternehmen aus der Xing-Misere lernen können.
Xing steht in der Kritik. Seit das Karriere-Netzwerk vor einigen Tagen seine Preise massiv erhht hat, protestieren die Nutzer lautstark - und kehren dem Dienst den Rücken. Grund dafür sind nicht nur die erhöhten Preise, die dazu führen, dass Schweizer Xing-Nutzer bei gleichem Angebot neu doppelt so viel zahlen müssen wie ihre deutschen Kollegen. Sondern auch die Art der Kommunikation, mit der Xing viele Kunden verärgert hat. Aus diesem Grund hat Computerworld mit dem PR-Berater Fidel S. Stöhlker, Delegierter des Verwaltungsrates der Klaus J. Stöhlker AG, Ursachenforschung betrieben und wollte herausfinden, was andere Unternehmen aus der Xing-Misere lernen können.
Computerworld: Guten Tag Herr Stöhlker. Alle Firmen erhöhen ihre Preise. Aber wenn Xing es tut, laufen die Nutzer davon. Was hat Xing falsch gemacht?
Fidel Stöhlker: Die Kunden hielten es für Abzocke, dass sie in der Schweiz neu so viel mehr bezahlen müssten wie in Deutschland, obwohl die gleichen Dienstleistungen angeboten werden. Dadurch war den Menschen schnell klar, dass es nur darum ging, die «reichen Schweizer» schröpfen zu wollen.
Was hätte Xing denn sonst tun sollen? Immerhin wurden seit 10 Jahren die Preise nicht erhöht, da war dieser Schritt doch überfällig?
Man hätte Preise nicht so stark erhöhen sollen, ohne Mehrdienstleistungen anzubieten. Wie man es machen könnte, hat der (deutlich kleinere) Xing-Konkurrent «A Small World» kürzlich gezeigt. Sie erhöhten ihre Mitgliederbeiträge auf 100 Euro, davon gehen aber 5 in eine gemeinnützige Stiftung. Ganz nach dem Motto: «Tu Gutes und sprich darüber». Zudem erhalten die Mitglieder für die Teilnahmegebühr die «World Finest Karte», die normalerweise 2000 Franken im Jahr kostet.
Die Kunden werden also quasi bestochen, die neuen Preise zu goutieren. Denn wer die Karte bisher nicht hatte, wird sie kaum wirklich benötigen.
Nein. «Bei A Small World» bietet der Inhaber für die Neueinführung einer Jahresgebühr einen echten und überdurchschnittlichen Mehrwert. Das hat Xing nicht gemacht.
Was hätte Xing sonst noch tun können, um das Debakel zu vermeiden?
Seit ich mich mit Xing beschäftige ? und das tue ich seit über 10 Jahren ? haben sie noch nie gut kommuniziert. Grund dafür ist ein strukturelles Problem. Robert Beer ist Country Manager und Verkaufschef in einem. Das müssen aber zwei verschiedene Menschen sein. Sie dürfen nie einen Verkäufer kommunizieren lassen, sonst kommt genau so etwas raus.
Warum denn nicht? Ein Verkäufer muss ja schliesslich gut überzeugen können.
Ja, aber er schielt immer auf den Umsatz. Er weiss: verkaufe ich nicht gut, bin ich weg vom Fenster. Dann werden die Preiserhöhungen mit irgendwelchen Marketingfloskeln gerechtfertigt und das lassen sich die Kunden nicht bieten. Ich würde Beer darum einen gescheiten Kommunikationsmanager zur Seite stellen.
Was hätte der Kommunikationsmanager empfohlen?
Er hätte sicher die Erhöhung frühzeitig kommunizieren lassen. Dann hätte Xing bereits an den Reaktionen gemerkt, ob diese Strategie durchführbar sein wird oder nicht.
Also ist Country Manager Robert Beer verantwortlich für das Kommunikations-Debakel?
Nein. Die Entscheidung wurde in Deutschland getroffen, Robert Beer ist nur das ausführende Organ. Und im Ausland hat man oft keine Ahnung, wie die Schweizer funktionieren. Darum sollte die Kommunikation immer der Lokalität angepasst werden. Ich hätte die Preise langsam erhöht, vielleicht in zwei Schritten. Denn kein Volk ist so preissensitiv wie die Schweizer.
Der Schaden ist nun Tatsache. Was kann Xing tun, um ihn im Rahmen zu halten?
Xing sollte sich bei allen Kunden entschuldigen und Goodwill zeigen. Das bedeutet für Robert Beer beispielsweise, in die AntiXing-Gruppe zu gehen und sich zu rechtfertigen. Und dann anzukünden, dass die Preise wieder gesenkt werden. Denn die Preise jetzt akzeptieren die Leute nicht, das hat man gesehen.
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