AUS DER PRAXIS 06.10.2005, 20:46 Uhr

Servicemanagement - Itil allein ist nicht genug

Das einwandfreie Design von Itil-Prozessen ist nur ein Aspekt einer erfolgreichen Umsetzung von IT-Servicemanagement.
In vielen Unternehmen stimmen das Selbst- und Fremdbild des CIO nicht überein. Diese Vermutung hat im vergangenen Jahr eine von IBM durchgeführte Studie (IBM, The Global CEO Study 2004) bestätigt. Die internen Kunden - und je nach Geschäftsmodell auch externen - erwarten vom CIO und seiner IT-Organisation einen grösseren Wertbeitrag und eine verbesserte Kundenorientierung. Zudem zeigt sich bei den Entscheidungsträgern auf der Kundenseite eine gewisse Hilflosigkeit darüber, wie auf die Dienstleistungen der IT Einfluss genommen werden kann.
Die Erwartungen an den Wertbeitrag der IT-Abteilung sind je nach Kundensegment unterschiedlich: Sie können in verbesserter IT-Servicequalität, erhöhter Flexibilität zur Abdeckung neuer Geschäftsanforderungen, tieferen Produktionskosten und grösserer Kosten- und Leistungstransparenz bestehen. Mittels der Einführung eines IT-Servicemanagements streben IT-Organisationen danach, die Beziehungen zu ihren Kunden zu verbessern und eine Steuerbarkeit der IT bezüglich Kosten und Qualität zu erreichen.

De facto Standard

Ein Weg dazu, den Wertbeitrag der IT für das Geschäft zu erhöhen, besteht darin, den Entscheidungsträgern die Vorgänge in der IT transparent und nachvollziehbar darzustellen. Dadurch wird auf Entscheidungsstufe die Möglichkeit geschaffen, die teilweise gegenläufigen Geschäftsanforderungen und deren Auswirkungen auf die IT besser abwägen und priorisieren zu können. Itil (IT Infrastructure Library) ist eine Sammlung von Best Practices und bildet heute den de facto Standard für die Einführung eines effektiven IT-Servicemanagements.
Die wichtigsten Vorteile des IT-Service-managements sind einerseits klar definierte Dienstleistungen gemäss einem Service-katalog und andererseits eine garantierte und qualitativ gleich bleibende Service-erbringung durch Prozesse. In der Diskussion mit Unternehmen zeigt sich aber, dass für den Erfolg von Servicemanagement eine gemeinsame Sprache zwischen Kunde (IT-Organisation) und Dienstleister (Geschäftseinheiten) notwendig ist. Denn um den Wert eines IT-Services beurteilen zu können, muss man ihn mit einer Geschäftsaktivität in Verbindung bringen können. Dazu reicht es meist nicht, die Services auf einem rein technischen Level zu definieren.Man spricht in diesem Zusammenhang daher vom Business-Servicemanagement. Business-Services sind geschäftsorientierte Zusammenstellungen von Applikations- und Infrastrukturservices.
Eine erfolgreiche Basis für die Definition eines Servicekatalogs bilden bewährte Business-Prozess-Modelle oder Business-Komponenten-Modelle, die in jeder Industrie Anwendung finden. Der direkte Bezug zwischen einem IT-Service und einer Business-Komponente ermöglicht dem Kunden, relativ einfach den Nutzen dieses IT- Services zu beurteilen und die Anforderungen daran zu definieren.
Bei dieser starken Kundenorientierung muss jedoch eine Proliferation von Services und Service-Komponenten verhindert werden. Itil schafft nun über das Service Level Management und den damit verbundenen Prozessen des Service Delivery und Service Support die Brücke zwischen Kunden und IT-Dienstleister. Die Service Delivery Prozesse (Service Level Management, Availability Management, Capacitiy Management, IT Service Continuity Management, Financial Management) unterstützen den IT-Dienstleister darin, die Erwartungen der Kunden zu steuern und die IT-Services in der definierten Qualität zu planen und zu erbringen. Damit wird das Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen hergestellt. Die Service Support Prozesse (Incident Management, Problem Management, Change Management, Release Management, Configuration Management) sowie der Service Desk helfen der IT-Organisation, die täglichen Aufgaben zu erledigen und dem End-anwender einen effizienten Zugang zum IT-Service zu bieten. Damit wird das Gleichgewicht zwischen Flexibilität und Stabilität der Services hergestellt.

Erfolgsfaktoren für Itil Einführungen

Die Definition von Services bildet jedoch nur einen Aspekt von IT-Servicemanagement. Erst die Einführung der Itil Prozesse lässt IT-Servicemanagement Wirklichkeit werden. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt allerdings, dass die Einführung von IT-Prozessen oft in langjährigen und erfolglosen Projekten endet. Mit der Etablierung von Itil als de facto Standard über die letzten Jahre sind jedoch auch die Erfahrungen für eine erfolgreiche Einführung von Itil gewachsen. Es lassen sich sechs kritische Erfolgsfaktoren identifizieren:
1. Die Beziehung der IT-Abteilungen zum Business ist so transparent wie möglich implementiert. Die Erwartungen des Business sind klar festgehalten.
2. IT-Services werden in der Quantität und Qualität vereinbart, wie diese vom Kunden erwartet/benötigt werden.
3. IT-Abteilungen vereinbaren ihre Unterstützung zur Service-Erbringung. Die
Ziele der IT-Abteilungen sind auf die Service-Erbringung ausgerichtet.
4. Externe IT-Dienstleister kommunizieren mit derselben «Prozess-Sprache».
5. Die Detaillierung der Itil Prozesse erlaubt den IT-Abteilungen, ihre Aufgaben bei der Erbringung eines IT-Services zu erfüllen. Die Prozessimplementation wird realistisch geplant.
6. Organisatorische Veränderungen sind integraler Bestandteil der Planung und des Projektes.


Während die ersten vier Erfolgsfaktoren relativ oft befolgt werden und bereits bei der Planung gut berücksichtigt werden können, sind die Prozessimplementation und die organisatorischen Veränderungen schwieriger zu planen und umzusetzen.
Eine Umfrage des deutschen IT-Magazins CIO zeigt, dass nur 35 Prozent der befragten Firmen die Zeitplanung bei einem Itil Projekt einhalten konnten. Genauso hoch ist die Zahl der Befragten, die von ihrem ursprünglichen Zeitplan zwischen zehn und 50 Prozent abgewichen sind.
Die gleiche Studie zeigt, dass mangelnde Aufmerksamkeit für die organisatorischen Aspekte zu grossen Problemen führen kann. So waren Ressourcen-Engpässe für mehr als drei Viertel der IT-Veranwortlichen das grösste Problem bei der Einführung von Itil. Danach folgten die Angst der Beteiligten vor zunehmender Transparenz (65 Prozent) und organisatorischen Veränderungen (59 Prozent).

Management muss Ängste abbauen

Diese Schwierigkeiten bei der Itil-Einführung angemessen zu adressieren, ist die Aufgabe des Managements. Allerdings zeigt die Studie auch, dass den IT-Verantwortlichen der Widerstand aus dem Management selbst Probleme bereitet. Diese Schwierigkeiten wurden von den Firmen der Fachbereichsebene zugeordnet, während das höhere Management als Sponsor auftrat.
Bekanntlich bricht Prozessorientierung in einer Unternehmung die bestehende Organisation entlang von Arbeitsabläufen auf. Von der Fachbereichsebene wird dies oft als direkte Bedrohung der eigenen Position wahrgenommen. Diese Angst führt dazu, dass IT-Prozessprojekte auf den versteckten oder sogar offenen Widerstand des unteren Managements treffen. Als Sponsor eines solchen Projektes ist das höhere Management darum bestrebt, die Akzeptanz in der Fachbereichsebene zu erreichen.
Aus der Erfahrung lassen sich auch hier zwei Erfolgsfaktoren herauslesen:
o Schulung der Fachbereichsleiter in Itil bereits vor Projektbeginn
o Übertragung zukünftiger Process Owner und Process Manager Rollen an die Fachbereichsleiter bereits zu Beginn des Projektes mit der entsprechenden Einbeziehung in das Itil Design- und Einführungsprojekt.

Auswahl externer Partner

Viele IT-Verantwortliche suchen für das Design von Itil-Prozessen die Unterstützung durch externe Partner. Die obigen Ausführungen zeigen aber, dass ein einwandfreies Design der Prozesse nur ein Aspekt einer erfolgreichen Umsetzung von IT-Service-management ist.
Bei der Betrachtung der Erfolgsfaktoren zeigt sich aber, dass viel Gewicht auf die Beziehung zwischen der IT und ihrer Anwendungen sowie auf die organisatorischen Änderungen gelegt werden sollte. Daher sollte sich eine IT-Organisation bei der Auswahl eines externen Partners nicht nur auf seine Itil Kenntnisse - die natürlich unbedingt vorhanden sein müssen - abstützen, sondern auch auf dessen Kenntnisse des Kunden und die Erfahrung bei der Implementation von Prozessen in einer Organisation.
Andreas Schindler und Markus Zollinger



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