Analyse
24.08.2012, 14:48 Uhr
Ein Jahr nach Steve Jobs
Dieser Tage ist es ein Jahr her, als Tim Cook die Mammutaufgabe übernahm, einerseits Apple als CEO zu leiten und andererseits in die Fussstapfen des charismatischen Firmengründers Steve Jobs zu treten. Beides ist ihm gar nicht so schlecht gelungen.
Tim Cook hat die Mammutaufgabe gefasst, Apple als CEO zu leiten und ein würdiger Nachfolger des charismatischen Mitgründers Steve Jobs zu sein
Tim Cook ist nicht Steven Jobs. Er spielt ihn nicht einmal, wenn er vor Publikum auftritt. Und das ist auch gut so. Ein Jahr, nachdem er den Job als CEO übernommen hat, leitet Cook mit Apple eine Firma, die einen Steuermann verloren hat, der so eng mit dem Unternehmen identifiziert wurde, dass man kaum zwischen den beiden unterscheiden konnte. Trotzdem: Apple hat jene Stimmen Lügen gestraft, die nach dem Tod von Steve Jobs das baldige Ende des Unternehmens vorhersagten. Im Gegenteil: Gerade diese Woche ist Apple zur wertvollsten Firma aller Zeiten aufgestiegen. Mit einem nächsten iPhone und möglicherweise weiteren Geräten wie einem kleineren iPad steht Apple kurz davor ein weiteres Produktfeuerwerk loszulassen, mit dem es ohne nennenswertes Marketing-Budget die nächsten Monate in aller Munde sein wird. Daneben hat Cook einige wichtige Entscheidungen gefällt. So scheint die Firma tatsächlich etwas gegen die miserablen Arbeitsbedingungen tun zu wollen, die bei seinen Zulieferfirmen in China herrschen. Daneben hat das Unternehmen Fehler eingeräumt, etwas das unter der Herrschaft von Jobs nie geschehen wäre. So hat die Firma unfaire Entlassungen und Arbeitszeitkürzungen in ihren Läden zurückgenommen. Klar: Cook hat auch Fehler gemacht. So hat die Firma zu lange damit zugewartet, die nächste Version des iPhones zu präsentieren. Die Folge: Im iPhone-Segment gab es doch einen erheblichen Verkaufsrückgang im letzten Quartal. Daneben berichten Apple-Angestellte, dass die Entscheidungswege im Unternehmen länger geworden seien, während die Firma sich mit einem epochalen Wandel in der Firmenkultur auseinander zu setzen hat. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Cooks Note für das erste Jahr Die Reaktionen von Marktbeobachtern zum einjährigen Jubiläum auf dem Apple-Chefsessel von Cook sind denn durchwegs positiv. Zwar geben die meisten zu bedenken, dass Cook sich grösstenteils in ein gemachtes Bett gelegt hat und einfach die Projekte, die Jobs aufgegleist hatte, weiter ausgeführt hat. Trotzdem haben gerade die letzten Wochen und Monate gezeigt, dass Cook auch in manchen Punkten hätte fehlgehen können, dies aber zu unterlassen wusste. «Ich bin sehr beeindruckt von Cook. Müsste ich einen CEO entwerfen, würde er wie er aussehen», sagt Robert Sutton, Professor für Ingenieurswesen an der Standford University, der bereits einiges über das Management im Silicon Valley geschrieben hat. Sutton schreckte aber davor zurück, Cook eine Note für seine bisherige Amtszeit zu geben. Keine Bedenken hatte diesbezüglich der langjährige IDC-Analyst Bob O'Donnell. Er gibt dem Apple-CEO eine 5-6. Die Note könnte sogar noch höher ausfallen, wenn er wüsste, was Cook in Sachen Produkte-Visionen in petto hat. Das werde sich erst in einigen Jahren weisen, so der Analyst. Nicht alle stellen Cook ein derart gutes Zeugnis aus. Hightech-Koryphäe und langjähriger Beobachter des Geschens in der Industrie, Rob Enderle, der kein Fan von Cook ist, gibt ihm lediglich eine 4-5. «Ich höre, dass die Leute bei Apple keine Entscheidungen fällen können», moniert er, muss aber gleichzeitig einräumen, dass die mangelnde Entscheidungsfindung damit zun habe, dass Apple gerade einen Kulturwandel durchmache. «Wenn Leute Jahre lang von einem detailversessenen Mann geleitet werden, ist es natürlich schwierig, wenn diese Person wegfällt», umschreibt Enderle die Situation.
Den «CEO Steve Jobs» hat Cook also recht gut ersetzt. Die grosse Frage bleibt, ob er auch den «Visionär Steve Jobs» abgeben kann. In Anbetracht der laufenden Produktzyklen, müssen wir bei dieser Frage passen, zumindest die nächsten eins zwei Jahre. Erst dann wird sich weisen, ob Cook die Produkteinnovation im gleichen Mass betreiben kann wie sein Vorgänger. Denn die derzeitigen Geräte stammen alle noch aus der Küche von Jobs. Daneben wäre es selbst für einen charismatischen CEO wie Jobs schwierig geworden, über Jahre hinweg der Konkurrenz in einem Mass voraus zu sein, wie es Apple in den letzten Jahren war.