Matt Brittin im Gespräch 02.07.2020, 14:54 Uhr

Googles Europachef: «Zuallererst in Menschen und ihre Fähigkeiten investieren»

Google will bis Ende 2021 zehn Millionen Menschen und Unternehmen in Emea darin unterstützen, digitale Möglichkeiten zu nutzen. Was das genau bedeutet und wie KMU in Sachen Ads profitieren, erklärt Googles Europachef Matt Brittin im Gespräch.
Matt Brittin, President Google EMEA
(Quelle: Google)
Die Tech-Konzerne Microsoft und Google wollen mit zwei gross angelegten Qualifikationsprogrammen Menschen unter die Arme greifen, deren Jobs durch die Folgen der Lungenkrankheit Covid-19 gestrichen wurden oder akut bedroht sind. Was das genau bedeutet und wie KMU in Sachen Ads profitieren, erklärt Googles Europachef Matt Brittin im Q&A.
Herr Brittin, wie blicken Sie auf die vergangenen Monate der Corona-Krise? Welche Rolle spielte das Internet hier für Sie?
Matt Brittin: Während der Einschränkungen der letzten Monate haben viele von uns Dinge getan, die wir früher nie für möglich gehalten hätten: Wir versammelten uns mit Freunden und Familien vor einem Computerbildschirm. Gelernt wurde in unseren Küchen und Wohnzimmern. Und wir gingen nicht mehr zur Arbeit, sondern die Arbeit kam zu uns. Technologie konnte die Kluft zwischen uns und dem Rest der Welt überbrücken. 
 
Das galt aber auch schon lange vor Corona. Digitale Technologien haben unsere Welt verändert, allerdings profitieren längst nicht alle davon. Wenn sich die Welt nun allmählich von der ersten Phase der Corona-Krise erholt, wird das deutlicher denn je. Laut aktuellen Studien werden nur jene Volkswirtschaften den Neustart bestmöglich bewältigen, die diese neuen Technologien auch nutzen können. Zu lange waren zu viele Menschen von wirtschaftlicher Sicherheit und Chancen ausgeschlossen.
 
Auch die Regierungen stellen sich dieser Herausforderung. Die Europäische Kommission betonte die Notwendigkeit eines "digitalen Wandels", den sie als "jetzt noch wichtiger als vor Beginn der Krise" bezeichnet. Angesichts von rund 60 Millionen Arbeitsplätzen, die heute europaweit als gefährdet gelten, können wir dem nur zustimmen. Jetzt gilt es sicherzustellen, dass im Zuge der wirtschaftlichen Erholung die Chancen gerecht verteilt werden. Keinem darf die Möglichkeit vorenthalten werden, sich nach der Pandemie weiter zu entwickeln, nur weil ihm die richtige Technologie fehlt. 

So will Google sich einbringen

Wie will Google sich hier einbringen?
Brittin: Zusammen mit Regierungen, Arbeitgebern und vielen anderen wollen wir daran arbeiten, dass alle Menschen von den Möglichkeiten digitaler Technologien profitieren - und verpflichten uns heute, zehn Millionen Menschen und Unternehmen in Europa, dem Nahen Osten und Afrika bis Ende 2021 genau darin zu unterstützen, diese digitalen Möglichkeiten zu nutzen.
Können Sie das genauer erklären?
Brittin: Um eine nachhaltige und wirtschaftliche Erholung zu erreichen, müssen wir zuallererst in Menschen und ihre Fähigkeiten investieren. Bereits vor fünf Jahren haben wir festgestellt, dass viele junge Menschen keine Arbeit und nur mangelhafte digitale Kompetenzen haben. Aus diesem Grund entwickelten wir die Plattform «Grow with Google» und setzten uns zum Ziel, eine Million Europäer digital weiterzubilden. Mittlerweile haben wir weltweit bereits über 70 Millionen Menschen geschult. In den letzten Monaten verzeichneten wir einen 300-prozentigen Anstieg der Teilnehmer an unseren digitalen Schulungsprogrammen.
Ein Teil unseres aktuellen Förderprogramms ist die Finanzierung von 100.000 Kursen auf der Plattform Coursera. Mit den dort erworbenen «Google Professional Certificates» legen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Basis für Jobs in der digitalen Wirtschaft. Die Hälfte dieser Zertifikate ist für Personen aus unterrepräsentierten Gruppen reserviert, die erhebliche Lernbarrieren zu überwinden haben, wie Sprache, Betreuungspflichten, finanzielle Schwierigkeiten. Um den Menschen bei der Arbeitssuche zu helfen, investieren wir weiterhin in die Google-Jobsuche und fügen neue Funktionen hinzu.
Und welche Hilfen bieten Sie als Werbe-Gigant den Unternehmen? Vor allem KMUlern?
Brittin: Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass die Fähigkeiten für einen erfolgreichen Neustart nach Corona nicht nur den grossen Unternehmen zugutekommen. Schliesslich sind kleine und mittelständische Unternehmen das Rückgrat der europäischen Wirtschaft - stellen sie doch 99 Prozent aller Unternehmen und verantworten 85 Prozent aller neuen Jobs. Aus diesem Grund stellen wir kostenlose Werbeanzeigen im Wert von 340 Millionen US-Dollar für kleine und mittelständische Unternehmen auf der ganzen Welt zur Verfügung sowie eine Milliarde US-Dollar zur Unterstützung von gemeinnützigen Organisationen. Darüber hinaus bieten einige unserer Tools jetzt weitere Vorteile für kleine und mittelständische Unternehmen und sind ausserdem leichter zugänglich. Unser Premium-Videokonferenzservice «Google Meet» steht jetzt zum Beispiel allen kostenfrei zur Verfügung. Darüber hinaus haben wir Tools wie die Google-Suche und Google Maps modifiziert, damit Unternehmen ihre Kunden leichter über Änderungen ihrer Öffnungszeiten und weitere Neuigkeiten informieren können. Ausserdem ist es jetzt einfacher, Geschenkgutscheine zu verkaufen oder Bestellungen online entgegenzunehmen.

Zugang zu kostenlosen Tools

Worauf liegt ansonsten derzeit der Fokus von Google?
Brittin: Derzeit investieren wir weiter in eine schnellere Digitalisierung, einschliesslich des Zugangs zu kostenlosen Tools und Kapital für weniger gut ausgestattete Unternehmen: Falls sie nicht bereits online sind, helfen wir ihnen beim Aufbau einer digitalen Präsenz. Und mit den Tools "Grow my Store" und "Google my Business", die jetzt durch Covid-bezogene Informationen und Erkenntnisse aktualisiert wurden, helfen wir ihnen, neue Kunden online zu gewinnen. Seit Februar haben wir hier über zehn Funktionen ergänzt, um von Covid-19 betroffene Unternehmen zu unterstützen.
Auch künstliche Intelligenz verspricht hier, hilfreich zu sein: Sie bietet Unternehmen völlig andere Möglichkeiten, um neue Kunden anzusprechen, ihren Umsatz zu steigern und effizienter und profitabler zu werden. Daher unterstützen wir die Pläne der Europäischen Kommission, die Mittel für den Wiederaufbau auf wegweisende digitale Technologien wie KI zu konzentrieren. Entsprechend beschleunigen wir die Einführung unseres eigenen Tools «AI for Business». Das neue Tool bietet Unternehmen eine massgeschneiderte Analyse der für sie am besten geeigneten KI-Anwendungen sowie praktische Vorschläge zur Umsetzung des Wandels.
Wir glauben fest an eine prosperierende Zukunft und an die Rolle, die Technologie dabei spielen wird, Menschen, Unternehmen und Kommunen beim Neustart zu helfen. Doch es liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung, dass alle vom Aufschwung der europäischen Wirtschaft nach der Coronakrise profitieren werden. Regierungen, Unternehmen und Einzelpersonen - alle sind wichtig, aber keiner kann für sich allein betrachtet werden. Zu lange haben wir erlebt, dass zu viele von wirtschaftlichen Sicherheiten und Chancen ausgeschlossen waren. "Online" kann nur dann eine Lebensader sein, wenn die Technologie für alle verfügbar ist.



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