30.05.2005, 10:05 Uhr

Es rumort im HP-Channel

Der Channel von Hewlett-Packard kommt nicht zur Ruhe. Dabei sollte eine bereits im Januar 2004 gestartet ­Aufräumaktion zusammen mit den Händlern geordnete Verhältnisse schaffen. von Volker Richert




















Mit klaren Vorgaben und im Einverständnis mit den Händlern will HP die Verkaufswege im HP-Channel in den Griff bekommen. Derzeit wüten hitzige Kämpfe.
Eigentlich wollte Hewlett-Packard (HP) mit ihrer Partnerveranstaltung vom 28. Januar 2004 in Egerkingen endlich wieder Ruhe und Ordnung in ihren Channel bringen. Graumarktgeschäfte über Im- und Exporte und solche mit Sonderkonditionen hatten HP erheblich unter Druck gesetzt. Die HP-Verkäufe litten dabei nicht allein unter dem Wettbewerb aus den eigenen Händlerkanälen, sondern auch unter der wachsenden Macht von Dell. Was HP international initiierte, die so genannte EUV (End User Verification) als einen Kontrollprozess der Vertriebswege, waren in Egerkingen auch die hiesigen HP-Verantwortlichen und Händler bereit zu unterschreiben. Die ohnehin bestehenden Channel-Regeln sollten über Stichprobenkontrollen den Warenfluss nachvollziehbar machen. Damit sollte gleichsam ein Neustart im HP-Channel gewagt werden.
Die Kontrollen und ihre Konsequenzen waren mit der von HP international durchgesetzten EUV allen Beteiligten somit seit Januar 2004 klar. Noch heute erinnern sich Teilnehmer an die aufgeräumte Stimmung in Egerkingen, obwohl in Zukunft bei Distis wie Resellern Kontrollen anstanden. Betroffen waren Produkte und auch Lizenzen, die zu so genannten Atlas- oder OPG-Konditionen (Order Processing Guideline) bezogenen wurden. In der Regel werden solche Sonderrabatte für Grossabnehmer wie multinationale Konzerne gewährt. Einer, der in Egerkingen dabei war, erinnert sich, dass allen das Ausmass dieses Eingriffs bewusst war. Auch habe sich HP-Channel-Chef Andrej Golob während der Veranstaltung anhören müssen, dass zumindest alle in Egerkingen anwesenden HP-Partner von OPG- respektive Atlas-Geschäften profitiert hätten. Der Weg für einen Neuanfang war offen. Doch offensichtlich wurde die Macht der Vergangenheit unterschätzt.
Denn der Start in die neue Channel-Zeit misslang und schuf diverse, nach und nach aufbrechende Konflikte. Dazu wurden und werden zum einen immer wieder Gerüchte gestreut, die einen Kampf zwischen angeblich unbedeutenden Schweizer Händlern und der mächtigen HP belegen sollen. Fakten gibt es dazu selten, obwohl - nicht ohne Grund freilich - viele Wechsel beim HP-Personal in einen Channel-Zusammenhang gerückt werden. Deutlich wird dabei insbesondere, wie stark und gut der hiesige IT-Handel vernetzt ist. Entsprechende Verkaufsmitarbeiter wechseln bekanntlich alle paar Jahre die Seite: Einmal sind sie in der Rolle des Partners, dann wieder in der des Herstellers. Wenn diese Channel-Spezialisten dann um Einschätzungen zur Branche und hier besonders zu HP gefragt werden, trüben nicht selten «alte Wunden» den Blick.

Es rumort im HP-Channel

Kein Wunder also, dass nicht einmal der Fall klar ist, der inzwischen in dritter Runde vor Gericht ausgetragen wird. Es geht um die von HP wegen Verstosses gegen die EUV angeklagten Reseller PC-Direkt, CDW und HR-Informatik. Während HP hartnäckig auf einem Prozess beharrt, soll nach Angaben der Betroffenen HP bei ihnen rückwirkend auf das letzte Quartal 2003 Kontrollen à la EUV angeordnet und somit die Versprechungen von Egerkingen gebrochen haben. Sollte die Staatsanwaltschaft bei ihnen zu einem Betrugsurteil kommen, wäre sie verpflichtet, auch andere Händler in diesem Zeitraum zu überprüfen und weitere dem Gericht vorliegende Hinweise zu verfolgen. Eine Lawine würde damit losgetreten, meinen Betroffene. Zu dem laufenden Prozess sind allerdings keine Stellungnahmen zu haben.

Konsequenzen sind nicht sexy

Dass HP schwer an der Zeit vor 2004 zu tragen hat, zeigte sich kürzlich in der Suspendierung der Thalwiler CDC-IT, die künftig nicht mehr in den Genuss von HP-Sonderkonditionen kommen wird. Denn offensichtlich lagen beim Chef der CDC-IT, Philip Hänni, am 27. April 2004 die Nerven blank, als er einen Webkommentar verfasste. Eines der hiesigen Channel-Webportale hatte jede Menge Gerüchte über den HP-Vertriebskanal gestreut und um Meinungen dazu gebeten. Und Hänni schrieb: «Was HP übrigens schon seit Jahren betreibt, ist eine riesige Sauerei.» Wegen diverser Dreistigkeiten von HP habe CDC-IT in den letzten fünf Jahren rund 10 Millionen Franken Umsatz pro Jahr verloren, schob Hänni nach, der seine Firma erst wenige Wochen zuvor an Bechtle verkauft hatte.
Das waren zumindest sehr deutliche Worte, die auch die Verantwortlichen bei HP registrieren mussten und so nicht stehen lassen wollten. Deshalb habe der Schweizer HP-Chef Urs Fischer mehrfach versucht, Hänni zu einer Aussprache zu bewegen, sagen HP-Channel-Mann Gabriel Meinhard und HP-Pressesprecher Beat Welte. Man sei an einer gütlichen Einigung interessiert gewesen. Weil man bei der CDC-IT auf taube Ohren gestossen sei, so die beiden weiter, habe HP sich nach drei Wochen gezwungen gesehen, der CDC-IT künftig keine OPG- respektive Atlas-Konditionen mehr zu gewähren. Der Schweizer HP-Channel-Chef Andrej Golob unterrichtete nach seinem engagierten Einsatz in der Sache dann seine Mitarbeiter und diverse Distributoren und Reseller.

Es rumort im HP-Channel

Hänni selbst erklärt dazu nur, dass Fischer ihn nie kontaktiert habe. Gesprochen habe er lediglich einmal mit Golob. Zudem hätten Hännis und Fischers Assistentinnen einmal mit einander gesprochen. Der CDC-IT-Chef habe angesichts der Eingliederung seiner Firma in den Bechtle-Konzern einen Termin im Juni zum Gespräch über den fraglichen Kommentar angeboten. HP hätte aber nicht warten wollen und muss sich nun Überreaktion vorwerfen lassen. In der Branche tuschelt man auch diesmal, dass es wieder einen vergleichsweise kleinen Händler erwischt habe - CDC-IT macht 2004 mit 100 Mitarbeitern 30 Millionen Franken Umsatz - sei keineswegs ein Zufall. HP versuche offensichtlich mit allen Mitteln den Channel auf den rechten HP-Weg zu bringen. Wie plausibel solche anonymisierten Kommentare auch sein mögen, die Einschätzungen von Meinhard und Welte von HP sind zumindest öffentlich.

Der Graumarkt ist Auslöser

Meinhard resümiert, dass «nicht das Go-to-Market der Problemauslöser» gewesen sei. Vielmehr seien die wirtschaftlichen Verhältnisse erheblich schwieriger geworden. Damit sei bei HP ein internationaler Prozess losgetreten worden, der schliesslich zur EUV geführt habe, die alle Händler - ob klein oder gross - gleich behandelt. Und Meinhard betont erneut, dass HP sich gezungen sah, aus wirtschaftlichen Gründen den Graumarkt in den Griff zu bekommen.
Um zu verstehen, welchen Komplex Meinhard hier anspricht, lohnt sich der Blick zurück. Seit der 2002 erfolgten Compaq-Übernahme litt der HP-Konzern darunter, dass seine Direktgeschäfte vom eigenen Händlernetz konkurrenziert wurden. Compaq hatte grossen und meist internationalen Kunden Atlas-Konditionen gewährt. Um den Umsatz zu steigern und Marktanteile zu gewinnen, wurden immer mehr Geschäfte über diese Sonderkonditionen abgewickelt. Bei Lizenzen sollen die Unterschiede in guten Zeiten mehrere 100 Prozent zwischen Listen- und Atlas-Preis betragen haben, bei der Hardware bis zu 40 Prozent. Um die Umsätze zu steigern, seien so ziemlich alle Möglichkeiten ausgereizt worden. Die Händler seien an Atlas-Konditionen regelrecht gewöhnt worden, meint ein Beteiligter diese Situation beschreiben zu müssen. Die für die Schweiz teilweise riesigen Mengen an Units deuten darauf hin, dass oft Geräte exportiert, also in den so genannten Graumarkt geflossen sein müssen. Zudem sind damals «kreative» Verkaufswege entstanden, um überzählige Lagerbestände noch gewinnbringend abzusetzen. Klar ist auch, dass die Hersteller alle diese Pfade kannten und akzeptierten.

Alle haben sie profitiert

Zwar ist auch HP über ihre OPG-Konditionen ähnlich offensiv vorgegangen. Doch mit dem Merger stellte sich HP das Problem in einem ganz anderen Ausmass. Der grosse HP-eigene Direktverkauf wurde jetzt von den eigenen Channel-Partnern bei immer mehr Projekten mit OPG-Konditionen unterboten. Das Wort von der Kannibalisierung im Channel machte die Runde. Die HP-Partner kritisierten besonders, dass HP masslos wurde, indem sie sich nicht mehr nur auf die Topkundschaft konzentrierte. Als dazu noch die Unübersichtlichkeit bei der Umorganisation nach dem Merger kam, machten sich die Händler selbstständig. Geräte wurden fast nach ihrem Belieben auf bestehende Atlas- respektive OPG-Geschäfte gebucht. Damit wuchs nebenbei der Graumarkt, denn die georderten Mengen waren unmöglich auf dem Schweizer Markt unterzubringen. Zudem kam HP noch durch den zunehmenden Erfolg der Konkurrentin Dell unter Druck. Klar ist aber auch, dass HP die diversen Channel-Pfade kannte, was übrigens auch die zahlreichen personellen Verflechtung von Herstellern und Partnern zeigen.
HP hat ein schweres Erbe angetreten. Die EUV-Einführung ging der eingeschworenen Kaste im Channel regelrecht an den Geldbeutel. Ob es sich um Umsatzboni auf Hersteller- oder Händlerseite handelt, sicher ist, dass, wer heute gegen die übermächtige HP wütet, gestern noch von ihr profitierte. Und sicher ist auch, dass HP die geltenden Spielregeln nie verschwiegen hat.
Volker Richert



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