18.12.2014, 11:24 Uhr
Samsungs Krampf mit Tizen
Das mobile Betriebssystem Tizen sollte Samsungs Alternative zum allzu dominanten Android werden. Auf das erste Tizen-Smartphone wartet die Welt aber nach wie vor.
Mit dem freien Betriebssystem Tizen wollte Samsung ursprünglich die Abhängigkeit von Googles Android-Betriebssystem verringern. Ein Vorhaben, das bislang gründlich gescheitert ist. Bereits mehrfach liess Samsung geplante Markteinführungen des ersten Tizen-Smartphones kurzfristig platzen, zuletzt am 10. Dezember in Indien. Ob und wann das Samsung Z1 dort doch noch erscheint, steht in den Sternen. Schon im vergangenen Sommer hatten die Koreaner mit dem Samsung Z ein High-End-Smartphone mit Tizen angekündet, das noch im dritten Quartal in Russland erscheinen sollte ? was aber nie passierte.
Viel heisse Luft
«Tizen wird zu Vaporware» schrieb WinFuturepassend. Tatsächlich ist das mobile Betriebssystem bislang vor allem Schall und Rauch.
Bereits seit rund drei Jahren arbeitet Samsung zusammen mit Intel an der Weiterentwicklung von Tizen. Das Betriebssystem basiert wie Android auf Linux und ging ursprünglich aus MeeGo hervor. Samsung liess auch Teile seines früheren proprietären Betriebssystems Bada in die Entwicklung einfliessen. Die Vision hinter Tizen ist ein plattformunabhängiges mobiles Betriebssystem, das nicht nur auf Smartphones, sondern auch in Wearables, Fernsehern oder Autos zum Einsatz kommen soll. Gänzlich neu ist dieser Ansatz allerdings nicht, schliesslich verfolgt Google mit Android dasselbe Ziel.
Uhren und Fernseher
Während das erste Tizen-Smartphone weiter auf sich warten lässt, gibt es durchaus bereits erste Geräte mit dem Betriebssystem im Handel. Samsung setzt etwa bei seinen aktuellen Smartwatches Gear 2 und Gear S auf Tizen. Und auch die smarte Kamera Samsung NX300M basiert auf Tizen. Jüngst haben die Koreaner zudem angekndet, dass an der Elektronikmesse CES im Januar in Las Vegas ein erstes TV-Gerät mit Tizen-Betriebssystem vorgestellt werden soll.
Fehlen die Apps?
Es ist den Koreanern also durchaus ernst mit Tizen. Und das erste Tizen-Smartphone ist wohl nur eine Frage der Zeit. Als Grund für die ständigen Verschiebungen wird spekuliert, dass Samsung mit dem Ökosystem, also der App-Auswahl, noch nicht zufrieden sei. Ein Problem, an dem alle neuen mobilen Betriebssysteme zu nagen haben, man denke nur an Windows Phone. Mangels verfügbaren Geräten dürfte das Entwicklerinteresse an Tizen bislang bescheiden sein ? ein Teufelskreis. Dabei hätte das Linux-Betriebssystem gute Voraussetzungen für eine florierende Entwicklerszene, denn neben nativen Apps werden auch webbasierte HTML5-Anwendungen unterstützt. Auf der nächsten Seite: Die Konkurrenz ist gross
Die Konkurrenz ist gross
Samsungs Strategie für Tizen-Smartphones hat sich in den letzten, turbulenten Jahren gendert. Ursprünglich als Betriebssystem für High-End-Smartphones angedacht, haben die Koreaner nun Schwellenländer wie eben Indien im Visier. Gerade im Bereich der Billig-Smartphones verlor Samsung zuletzt Marktanteile an Hersteller wie Xiaomi oder Huawei. Im dritten Quartal 2014 sank der Smartphone-Marktanteil von Samsung gemss Gartner global auf 20,6 Prozent ? von 25,7 Prozent im Vorjahresquartal. Auch wenn die Koreaner damit immer noch die klare Nummer eins sind: Die (Billig-)Konkurrenz holt auf. Das Problem an Samsungs Strategiewechsel: Sie sind nicht die einzigen, die das Potenzial der aufstrebenden Märkte erkannt haben. Google hat im Sommer mit Android One eine Strategie vorgestellt, mit der Marktanteile in Entwicklungsländern gewonnen werden sollen, indem anhand eines Referenzdesigns günstige Android-Smartphones für unter 100 US-Dollar ermöglicht werden. Erste Android-One-Geräte sind im Herbst in Indien und weiteren asiatischen Ländern auf den Markt gekommen.
Kein Interesse an Tizen
Ob da wirklich noch Platz bleibt für Tizen? Es wird schwierig für Samsung, zumal bislang keine weiteren Hersteller ernsthaftes Interesse am neuen Betriebssystem bekundet haben. Huawei etwa hatte erst im Sommer eine klare Absage erteilt und klargestellt, dass «Tizen keinerlei Chance hat, erfolgreich zu sein». Klar ist: Samsung muss seine Versprechen endlich einlösen und erste Tizen-Smartphones auf den Markt bringen. Ansonsten werden die Entwickler das Interesse endgültig verlieren.