23.02.2007, 10:21 Uhr

«Wir müssen noch kräftig dazu lernen»

Mit ihrer geballten Ressourcenkraft drängt Cisco in das Segment der End- und Soho-Anwender. Der Forschungschef der Netzwerkerin Charles Giancarlo erklärt, was das für die Entwicklungsstrategien und die Produktpläne von Cisco bedeutet.
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Ciscos Forschungschef Charles Giancarlo will Neuland erobern: das Consumer- und Soho-Segment.
Interview: Phil Hochmuth, Redaktion: Catharina Bujnoch

Computerworld: Ciscos Umsatz stammt zu 45 Prozent aus dem Geschäft mit Konzernen, zu je 25 Prozent von Serviceprovidern und kommerziellen Anwendern und lediglich zu 5 Prozent aus dem Consumer-Segment. Wie verteilen Sie Ihre Forschungs- und Entwicklungsgelder über diese Geschäftssegmente?
Charles Giancarlo: Die Geschäftsmodelle für F&E sehen anders aus. Proportional am meisten investieren wir für Serviceprovider, gefolgt von Konzernen, dann kommerzielle, dann private Anwender. Dass die Provider an erster Stelle bedacht werden, liegt daran, dass deren Bedürfnisse mehr Forschungs- und Entwicklungsarbeiten erfordern. Auf der anderen Seite müssen wir proportional weniger für den Verkauf aufwenden. Unterm Strich bleiben die Aufwendungen also absolut im Rahmen.
Computerworld: Warum brauchen die Providerprodukte mehr Entwicklungsarbeit?
Charles Giancarlo: Die Produkte sind erstens komplexer, zweitens ist dieser Bereich von extremer Konkurrenz geprägt. Grosse Internetprovider erwarten eine auf sie zugeschnittene IT-Umgebung. Die Provider selbst haben einen viel grösseren Investitionsbedarf als andere professionelle Anwender. Die Analyse von Unternehmensbilanzen von Internetprovidern zeigt, dass sie selbst verhältnismässig viel für eigene Forschung und Entwicklung ausgeben und verhältnismässig wenig für Verkaufsaktivitäten. Das spiegelt sich bei uns wieder.
Computerworld: Cisco will das Consumer-Segment erobern. Wie wirkt sich das auf die F&E-bezogenen Strategien und Aktivitäten aus?
Charles Giancarlo: Wir kombinieren das, was wir von Haus aus schon gut können, mit dem, was uns Fachleute aus dem Consumer-Bereich sagen. Generell sind wir stark in Forschung und Entwicklung, auch in der Branche sind unsere Fähigkeiten anerkannt. Natürlich muss man aber andere Schwer-punkte setzen, wenn man in der Consumer-Welt reüssieren will. Denn dieser Bereich funktioniert ganz anders als die Märkte, in denen wir traditionell tätig sind. Da -müssen wir zweifellos dazu lernen. Aber wir haben genügend Ressourcen. Und jegliche Technik aus unseren anderen -Bereichen, von denen wir glauben, dass sie für Consumer-Produkte sinnvoll sind, werden wir ausschöpfen.
Computerworld: In welchen Punkten müssen Sie besser werden, um bei den Verbrauchern anzukommen?
Charles Giancarlo: Wichtig sind die Bedeutung eines anerkannten Markennamens und Marktpräsenz. In technischer Hinsicht sind Bedienerfreundlichkeit und Benutzerschnittstellen wichtige Aspekte. Beides ist in unseren herkömmlichen Märkten weniger bedeutend. Der generelle Unterschied ist: Auf der einen Seite verkauft man Produkte an hochspezialisierte Techniker, auf der anderen Seite an normale Endverbraucher. Die sind aber nun mal keine Experten. Daher wollen sie Produkte, die einfach zu verwenden sind - die sogar Spass machen. Soweit sind wir definitiv noch nicht, aber wir arbeiten daran.
Computerworld: Heisst das, dass Sie jetzt anders ausgebildete Techniker einstellen? Oder schulen Sie ihre bisherigen F&E-Leute um und verteilen die Aufgaben der bisherigen Teams neu?
Charles Giancarlo: Bei Linksys und Scientific Atlanta arbeiten eigene F&E-Leute. Sie müssen sich der unterschiedlichen Anforderungen an die Produktentwicklung bewusst sein: Es gibt eine Kostenobergrenze, der Nutzer steht im Mittelpunkt, gleichzeitig muss die Qualität stimmen.
Computerworld: Hat das Konsequenzen auf Ihren Managementstil? Muss man Mitarbeiter, die Digital-TV entwicklen, anders führen als «technoide» Mitarbeiter, die unternehmensspezifische Netzwerk-Asics oder Router für den Carrier-Bedarf designen?
Charles Giancarlo: Natürlich ist es eine Herausforderung, verschiedene Unternehmenskulturen unter einem Firmendach zu versammeln. Dabei verstehe ich unter dem Begriff Kultur, dass verschiedene Gruppen unterschiedliche Prioritäten setzen. Alle diese Gruppen zu motivieren und zum Erfolg zu bringen, ist eine enorme Aufgabe. Andererseits ist das auch sehr ergiebig, denn wir können uns technisch austauschen und Synergien nutzen.
Computerworld: Geben Sie uns ein Beispiel für eine Technik, die Cisco in verschiedenen Geschäftssegmenten nutzen kann.
Charles Giancarlo: Voice over IP (Voip) ist ein gutes Beispiel. Das bieten wir für Unternehmen unterschiedlicher Art, wie Konzerne und Serviceprovider an, aber auch Endverbraucher. Nur die Schwerpunkte -variieren: Einfache Nutzbarkeit versus grösstmöglichem Funktionsumfang, Skalier-barkeit versus Kosten. Daraus ergeben sich spannende Diskussionen, nicht nur unter den Entwicklungsteams, sondern auch mit den Kollegen aus Service, Verkauf und Support.
Computerworld: Was können Unternehmensanweder von Ciscos Kauf von Ironport erwarten? Wird es ähnlich laufen wie bei früheren Übernahmen von Security-Firmen, deren Produkte zunächst als Stand-alone-Produkte angeboten, über kurz oder lang jedoch mit den eigenen Routern und Switches verschmolzen wurden?
Charles Giancarlo: Die Anwender können zwei Dinge erwarten. Erstens, dass die zugekaufte Funktionalität über die Stand-alone-Produkte hinaus in die Kerne unserer Router- und Switch-Produktlinien einfliessen wird. Zweitens wollen wir die Ironport-Plattform, und zwar sowohl die Hard- als auch die Software, als Basis für zusätzliche Funktionen verwenden, welche für Datensicherheit von Bedeutung sind. Damit meine ich alles, von der E-Mail-Security bis hin zu komplettem Content-Management. Und zwar sowohl Content-Input, der von ausserhalb des Unternehmens kommt, als auch Content-Output.
Computerworld: Stichwort unternehmensweite Security: Wie steht es um Ciscos NAC-Pläne (Network Admission Control)? Sind Sie bezüglich Produktfahrplan und Anwenderakzeptanz da, wo Sie sein wollen?
Charles Giancarlo: Momentan hinken wir dem Fahrplan etwas hinterher. Ein Grund ist, dass die Anwender uns gesagt haben, dass sie NAC nicht ohne weiteres in ihren Niederlassungen einführen wollen. Sie wollen es zentral verankern. Um das umsetzen zu können, müssen wir die Switches der ge-samten Produktlinie upgraden, was mehr Zeit benötigt, als erwartet. Aber die grundlegende NAC-Funktionalität wird in unseren gängigen Switching-Produkten noch in diesem Jahr implementiert sein, da können Sie sicher sein. Support für NAC ist bereits jetzt für bestimmte Stack-fähige Switches verfügbar, jedoch noch nicht für die Chassis-basierten Catalyst-4500-Serie, und erst teilweise für Catalyst 6500. Aber das werden wir ergänzen.
Zur Person

Charles Giancarlo

Als Ciscos «Chief Development Officer» ist Charles Giancarlo Herr über 16000 Softwareentwickler und -ingenieure. Ausserdem hat er in der akquirierten Linksys das Sagen, mit der die Netzwerkerin das für sie neue Consumer- und Soho-Segment (Small Office Home Office) zu erobern gedenkt. Den Berkeley- und Harvard-Absolventen Giancarlo holte sich Cisco vor zwölf Jahren mit ihrem Kauf der Ethernet-Switching-Spezialistin Kalpana ins Haus.
Phil Hochmuth



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