Praxis
07.04.2015, 06:59 Uhr
Banken benötigen ein solides Records-Management
Für Finanzinstitute ist das Informations- und Records Management von besonderer Wichtigkeit. Giuseppe Stella, Division Head Banking bei ELCA, erläutert die wichtigsten Fakten dazu.
Bei der systematischen Aktenführung sind Unternehmen oft mit Extremen konfrontiert: Einer Überarchivierung von Daten steht deren lückenhafte Aufbewahrung gegenüber. Insbesondere, wenn in einem Unternehmen noch nicht alle Prozesse digitalisiert worden sind und Medienbrüche die Prozesse erschweren, wird das strukturierte Vorgehen zum aktiven Risiko-Management. Was sind in Ihren Augen die operationellen Herausforderungen aus den regulatorischen Anforderungen für die Schweizer Finanzinstitute? Eine der grössten Herausforderungen ist die Fähigkeit, im Falle von Anfragen in kürzester Zeit die benötigten Informationen eindeutig zu identifizieren und korrekt zur Verfügung zu stellen. Grundlage dafür ist eine interne systematische Aktenführung – das Records Management. Operationell müssen die Finanzinstitute somit über Experten verfügen, welche die regulatorischen Anforderungen in den Prozessen und in der Technologie abbilden und umsetzen können. Dies erfordert oft die Kenntnis der Anforderungen sowohl inländischer wie auch ausländischer Behörden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Menge der im täglichen Geschäftsverkehr ausgetauschten Daten, die zwecks Sicherstellung eines lückenlosen Audit-Trails aufbewahrt werden müssen, immer grösser und deren Struktur immer komplexer wird. Was ist der allererste Schritt, um ein Records-Management-Projekt anzugehen? Um das Thema strukturiert anzugehen, bedarf es in den meisten Fällen erst einmal einer Standortbestimmung: Was habe ich bereits an Records? Wie sind diese strukturiert? Sind sie überhaupt strukturiert? Wie verfahre ich damit und wer ist dafür verantwortlich? Speziell unter Berücksichtigung des Datenzuwachses ist es für die Finanzinstitute wichtig, Records genau zu definieren und abzugrenzen. Ein Berechtigungskonzept als Teil eines übergeordneten Aktenplans – wer darf was wann wie lange einsehen – ist dafür unentbehrlich. Um solch ein nachhaltiges Records Management in einer Organisation zu etablieren, braucht es verschiedene Expertisen – die Rechtsabteilung, die IT, die Fachabteilungen – also nicht nur IT-Spezialisten. Welches sind die ausschlaggebenden Erfolgskriterien einer klaren Informations- und Records-Management-Strategie? Eine klare Strategie lässt sich nur mit ebenso klaren Zielvorgaben entwickeln. Erfolgskritisch ist zudem die Governance, also die Steuerung solch eines umfassenden Themas, das sich durch fast alle Bereiche des Finanzinstitutes zieht. Der frühzeitige Einbezug der Fachabteilungen, die saubere Einbettung in die Prozesse und letztendlich die richtige Integration in die IT-Landschaft des Unternehmens runden die Liste ab. Da das Records Management den Lebenszyklus der Daten der kompletten Informationslandschaft verwaltet, muss es konzeptionell gut in die bestehenden Kernapplikationen eingebettet sein. Divergierende Medien beziehungsweise Datenspeicher wie zum Beispiel ein physisches Kundendossier, ein elektronisches Archiv, das Dokumentenmanagement-System, E-Mails, etc. sind nicht nur für eine allfällige initiale Datenmigration in eine neue Lösung zu berücksichtigen, sondern auch später im täglichen Betrieb, etwa bei sich ändernder Gesetzgebung. Was empfehlen Sie Schweizer Banken und Finanzinstituten in Bezug auf Informations- und Records Management? Was würden Sie selbst beherzigen? Wir empfehlen eine Vorstudie zur Aufarbeitung und Strukturierung des Themas mit dem Resultat eines konsolidierten Aktenplanes und dem Aufbau eines internen Kompetenzzentrums. Leider verzichten Institute immer wieder darauf und führen dafür häufig Zeit- und Kostendruck als Gründe an. Dabei hilft eine vorgängige Studie, diese beiden Faktoren auch bei längeren Projekten durch eine gute Planung in den Griff zu bekommen und Irrwege zu vermeiden. Im Rahmen der Analyse können auch spezielle Betrachtungen einfliessen, wie zum Beispiel das Scannen von Bauplänen bei Hypothekar-Dossiers oder der Umgang mit Records bei nachrichtenlosen Beziehungen. Weiterhin bewährt hat sich der Aufbau eines Kompetenzzentrums für Records Management, in dem die Vertreter der betroffenen Bereiche und Records-Management-Experten eng zusammenarbeiten und das erforderliche, breit gefächerte Know-how bündeln. Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf das Informations- und Records Management? Wo liegen Knackpunkte? Die Digitalisierung ist zweifelsohne einer der Faktoren, welcher das wachsende Daten- und Dokumentenvolumen vorantreibt. Vor allem bringt die Digitalisierung aber zwei Knackpunkte mit sich – einerseits neue Kanäle wie Social Media, welche als Quelle von Records und Informationen dienen, und andererseits neue Formen von Records, die entsprechend integriert werden müssen. Insbesondere dann, wenn Informationen nicht mehr als klassisches Dokument abgelegt werden, müssen die Records Management-Prozesse und -Systeme lernen, wie mit den neuen Formen umzugehen ist und wie diese zu integrieren sind. Ebenfalls interessant im Zusammenhang mit der Digitalisierung ist die Tatsache, dass neue Kanäle nicht nur als Quelle von Informationen betrachtet werden müssen, sondern dass diese Kanäle auch die Möglichkeit bieten, Informationen flexibler aufzurufen (z.B. Tablet für Kundenberater) und dennoch dem Audit-Trail genügen müssen. Wie sieht Ihre Roadmap aus und mit welchen Neuerungen und Anpassungen können Ihre Kunden rechnen? Konkret beschäftigt sich ELCA zurzeit mit Content-Analytics-Verfahren sowie mit der Integration von internen Kollaborationsplattformen und CRM-Lösungen in Dokumenten-Management- und Archiv-Umgebungen. Die Content-Analytics-Verfahren sind sehr vielversprechend, um bei einer Migration automatisiert Records-Kandidaten in sehr grossen, unstrukturierten Dokumentenmengen zu identifizieren. Der Social-Trend vollzieht sich auch in Unternehmen – Stichwort «Social Enterprise». Auch diese Plattformen müssen im Hinblick auf Records Management bedacht und miteinbezogen werden. Gleichzeitig sehen wir auch die Verknüpfung von CRM und Dokumenten-Management als sehr spannend für Banken, da dies den Kundenberatern eine umfassende Sicht auf den Kunden bzw. das Kundendossier ermöglicht. Was ist Ihr persönlicher Rat an das oberste Management? Da Records Management viele Unternehmensbereiche und Abteilungen betrifft, sollte es die notwendige Aufmerksamkeit vom Management erhalten, um das Thema auch voranzutreiben. Hinzu kommt die zeitliche Dimension. Aufgrund der wachsenden regulatorischen Anforderungen und auch der zunehmenden Zahl an Kommunikationskanälen, macht ein Aufschub das Thema in der Regel komplexer und steigert anschliessende Projektrisiken und -kosten. Die Praxiserfahrung von ELCA zeigt, dass es sich bewährt hat, ein Projekt für einen konsolidierten Aktenplan mit klarem Management-Support aufzusetzen, in welchem das Records Management dann sehr gezielt und etappenweise umgesetzt werden kann.