Gastbeitrag
04.06.2020, 06:13 Uhr
Der Weg zur «Data Driven Company»
Die Digitalisierung verlangt nach datenbasierten Entscheiden. Dieser Artikel zeigt eine mögliche Herangehensweise zur «Data Driven Company», sowie die Herausforderungen, die es auf dem Weg dorthin zu überwinden gilt.
Um erfolgreich zu sein, mussten sich Unternehmen schon immer veränderten Gegebenheiten anpassen. Früher waren die Treiber für Transformationen die Industrialisierung, die Globalisierung und Megatrends. Heute, im digitalen Zeitalter, sind die Treiber nicht mehr einzelne, klar definierbare Einflüsse, die sich über eine bestimmte Zeit stetig entwickeln, sondern der stetige, schnelle Wandel.
Es handelt sich nicht um eine einzige Umwälzung, sondern um eine Reihe aufeinanderfolgender kleiner und grosser Transformationen. Hat man eine Hürde erfolgreich gemeistert, schielt bereits die nächste um die Ecke.
Die neue Herausforderung bedeutet, dass sich Unternehmen nicht mehr wie bis anhin, an einem Trend orientieren und dann auf Basis einer 10-Jahresstrategie transformieren können. Stattdessen müssen sie Strategien für eine Geschäftstransformation finden, mit denen auch bereits die nächste Veränderung effizient bewältigt werden kann. Transformationen sollen schnell durchgeführt und Ergebnisse langfristig nutzbar sein.
Aber wie kann eine solche digitale Nachhaltigkeit erreicht werden?
Einen möglichen Ansatz bietet die Zielstellung der «Data Driven Company». Dabei ist der Weg das Ziel und die Reise eine ständige Weiterentwicklung verschiedenster Bereiche des Unternehmens. Als Orientierung für die Reise kann das «St. Galler House of Digital Business» dienen. Bei diesem Modell liegt der Fokus auf vier entscheidenden Bereichen, welche aufgebaut und kontinuierlich entwickelt werden müssen.
1. Geschäftsmodell hinterfragen
Die Digitalisierung hat die Voraussetzungen für Geschäftsmodelle grundlegend verändert. Aus diesem Grund muss sich ein Unternehmen zu Beginn der Reise grundsätzliche Fragen stellen: Was tun wir? Wie stellen wir unsere Produkte und Dienstleistungen bereit?
Diese Fragen müssen unter Berücksichtigung der neuen Voraussetzungen der Digitalisierung beantwortet werden. Dabei kann ein Rahmenmodell wie der «Business Model Canvas» von Osterwalder (2010) hilfreich sein. Auch dies ist keine einmalige Angelegenheit. Ganz nach dem Ansatz «Design, Test, Pivot» sollten diese Fragen immer wieder gestellt, die Antworten getestet und die Ausrichtung, wenn nötig, angepasst werden.
2. Unternehmensstrategie schärfen
Auf Basis des überarbeiteten Geschäftsmodells muss die dazugehörige Unternehmensstrategie geschärft werden. Nach Porter (1998) bedeutet dies primär, sich als Unternehmung zu entscheiden: Was tun wir und was tun wir nicht?
Porter führt fünf grundsätzliche Fragen auf, darunter unter anderem, wo man als Unternehmung am Markt aktiv ist, wie man in diesem Bereich gewinnen will und welche Fähigkeiten dazu notwendig sind. Daraus resultiert ein Set an Entscheidungen, welche die Weichen für die Digitalisierung eines Unternehmens stellen.
3. Daten-Strategie und -Governance entwickeln
«Data is the new Oil» – die Analogie zum Öl ist vielfältig. Eine entscheidende ist jedoch, dass Öl wie auch Daten im rohen Zustand nur einen Bruchteil ihres Wertes haben. Dies bedeutet, dass ein Unternehmen Daten nicht nur sammeln und zugänglich machen, sondern auch verwerten muss.
Wie der Umgang mit Daten in einem Unternehmen geregelt werden soll, wird in einer Datenstrategie festgehalten. In Anlehnung an den Business Model Canvas werden dort die Bereiche Mitarbeiter & Kultur, Technologie, Datenquellen, Datenfähigkeiten, Kanäle, Produkte und Kundensegmente definiert. Integraler Bestandteil der Strategie ist eine Daten-Governance.
Diese wiederum beschreibt die Aspekte Datenqualität, Datensicherheit und Stammdatenmanagement. Mit diesen Konzepten soll erreicht werden, dass die Arbeit mit Daten zielgerichtet, strukturiert und organisiert durchgeführt werden kann.
4. Datenkultur aufbauen
Die Datenkultur ist wahrscheinlich das wichtigste und zugleich schwierigste Element auf dem Weg zu einer Data Driven Company. Eine erfolgreiche Datenkultur basiert auf drei Pfeilern.
- Eine authentische Einstellung des Top Managements in Bezug auf Innovation und Entscheidungen. Offenheit, Neugierde und Entdeckergeist auf Basis von datengetriebenen Konzepten.
- Daten-Demokratisierung in Abhängigkeit vom Reifegrad etablieren. Dies bedeutet, jeder Benutzergruppe die Daten in der Form zur Verfügung zu stellen, die ihre Fähigkeiten entspricht. Gleichzeitig aber auch die Benutzer zu befähigen, sich in dieser Hinsicht weiterzuentwickeln.
- Datenkompetenz aufbauen. Die Mitarbeiter sollen die Fähigkeiten entwickeln, um mit Daten auf kritische Art und Weise arbeiten zu können: Daten sollen nicht einfach nur konsumiert, sondern genauer hinterfragt, bearbeitet und angewendet werden.
5. Einen «Digital Twin» des Unternehmens erschaffen
Modellierung hat ein angestaubtes Image. Um dem entgegenzutreten wird zunehmend vom «Digital Twin» der Unternehmung gesprochen. Damit wird verstärkt der Anwendungsnutzen der Modellierung in den Fokus gerückt.
Mit dem Aufbau einer Unternehmensarchitektur wird eine Karte als Orientierung auf der langen Reise zur Data Driven Company erstellt. Die Modellierung des Unternehmens beinhaltet dabei aber mehr als eine reine Prozessmodellierung. Im Fokus stehen auch die Bereiche Strategie, Organisation, Systeme/Applikation und Daten.
Die ganzheitliche Modellierung soll dabei helfen, den Überblick zu behalten und Veränderungen umgehend nachvollziehen zu können. Das Modell soll dabei die Wirklichkeit gesamtheitlich abbilden, ohne sich dabei in Details zu verlieren. Um den konkreten Anwendungsnutzen der Modellierung im Fokus zu behalten, ist die Korrektheit und Aktualität relevanter. Der wichtigste Aspekt ist jedoch, dass die Modelle gelebt und gepflegt werden – sie müssen also Teil der Datenkultur sein.
Diese Auflistung an Massnahmen ist nicht abschliessend. Sie gibt jedoch einen Hinweis auf eine Herangehensweise, wie der Weg zur Data Driven Company in Angriff genommen werden kann. Wenn damit die Grundlagen geschaffen sind, wird die Umsetzung von konkreten Initiativen entscheidend für den Erfolg der Transformation sein. Durch die Vorbereitung werden die notwendigen kritischen Diskussionen bereits im Vorfeld geführt, der Fokus gelegt und somit die Voraussetzung geschaffen, dass die Initiativen grössere Erfolgschancen haben.
Über den Autor
Philipp Hirsbrunner
ist Dozent an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) sowie Co-Gründer und Inhaber des Unternehmens Banian.