26.06.2014, 15:15 Uhr

Wie Swisscom zum Start-up wurde

Swisscom TV 2.0 hat der Technologiekonzern mithilfe einer CA-Lösung rasch an den Start gebracht. Dabei agierte Swisscom wie ein Start-up.
Ahmad Alayan hat mit seinem Team den Cloud-Videorekorder Swisscom TV 2.0 entwickelt
Neue Smartphone-Apps stellen traditionelle Geschäftsmodelle in Frage. Gegen die Mitfahrer-App Uber demonstrierten jüngst in ganz Europa die Taxifahrer. Sie bangen um ihre Einkünfte, wenn immer mehr User die alternativen Transportmöglichkeiten nutzen, die auf der Uber-Plattform angeboten werden. Der Schweizer Technologiekonzern Swisscom will auf dem Fernsehmarkt weiter eine wichtige Rolle spielen und Geld verdienen. Deshalb hat das Unternehmen jüngst sein Angebot neu lanciert: Swisscom TV 2.0 kommt aus der Cloud auf jede Plattform, auf der die Kunden das Fernsehsignal sehen möchten. Damit will sich Swisscom auch gegen die Konkurrenz wie upc cablecom, Wilmaa und Zattoo aufstellen, die vergleichbare Funktionen bieten. Die digitale TV-Plattform wurde mit Hilfe der CA-Software Release Automation innerhalb kurzer Zeit deployed. Das erklärte Ahmad Alayan, Head of DevOps bei Swisscom, an einem Anlass von CA in London. Auch heute ist er und sein Team von rund 30 Mitarbeitern, die Experten in Development und Operations sind, noch für das Produkt verantwortlich. Auch die Software ist weiterhin im Einsatz. Kontinuierlich werden neue Funktionen eingebaut und Fehler entfernt. Dabei reagiert Swisscom auf die Rückmeldungen der circa 60'000 Kunden. Über alle verfügbaren Kanäle, darunter Facebook und Twitter, werden die Benutzerkommentare gesammelt, sortiert sowie verarbeitet. «Neue Funktion werden heute innerhalb Wochen oder Tagen implementiert. Früher haben wir dafür Monate gebraucht», sagte Alayan der Computerworld an dem Anlass. Die kurze Implementierungszeit ist auch auf die virtuelle Testumgebung zurückzuführen. Mit CA Release Automation hat Swisscom eine Plattform realisiert, die ein Abbild des laufenden Systems simuliert. Dort kann die Funktionsfähigkeit neuer Features sowie die Kompatibilität mit der bestehenden Realplattform getestet werden. Dafür sind auch Firewalls, Load Balancer und andere Basissysteme in der virtualisierten Umgebung vorhanden, führt der Swisscom-Experte aus. Die Swisscom-Entwicklungsabteilung könnte als Vorbild dienen, wenn sich etablierte Unternehmen mit traditionellen Angeboten gegen neue Marktteilnehmer behaupten wollen oder müssen. Start-ups wie Uber haben zunächst nicht Millionen Kunden, die den Taxi-Service nutzen. Swisscom hat nach den Worten Alayans eine Million Kunden, die das fast acht Jahre alte Swisscom TV sehen. Während die einen auf der quasi auf der «grünen Wiese» starten können, müssen die anderen die Bestandssysteme bei neuen Entwicklungen berücksichtigen. Mit dem Fernsehen aus der Cloud habe Swisscom bewiesen, trotz einer gewissen «Legacy» schnell und flexibel agieren zu können, meint Alayan. Nächste Seite: Yo-Messenger als Vorbild
Die «Altlasten» werden nach Ansicht von Experten nicht die einzige Herausforderung für etablierte Unternehmen sein, wenn sie sich gegen Start-ups behaupten müssen. Andrew Buss, Consulting Manager Europe bei IDC, führte an dem Anlass etwa aus, dass auch die Release-Zyklen wesentlich kürzer werden. «Die Entwicklung von Business-Apps benötigte früher Jahre bis Jahrzehnte, heute sind Apps innerhalb von Tagen oder sogar Stunden aktualisiert», sagte er. Mit diesem Tempo könnten nicht alle IT-Abteilungen und auch Fachbereiche mithalten. Microsoft aktualisiert seine Cloud-Suite Office 365 heute teilweise wöchentlich. Diese Updates werden von einigen Kunden bewusst blockiert, wenn die Umstellung das Geschäft zu behindern droht. Mit komplexen Business-Anwendungen lassen sich die meisten Apps nicht vergleichen. Sie haben typischerweise wenige nur Funktionen. Die Messenger-App Yo ist ein extremes Beispiel: Benutzer können Kontakten lediglich einen «Yo»-Gruss senden. Herkömmliche Geschäftsapplikationen bringen dagegen tausende, teils vernetzte Features mit. Um kürzere Release-Zyklen zu erreichen, schlug Ian Howles, Manager beim Beratungsunternehmen Cognizant, vor, in Zukunft nur noch einzelne Funktionen zu lanciert, um schneller zu werden. IDC-Berater Buss wusste, dass die Programmierabteilungen von Unternehmen bereits aktiv sind: Innerhalb der IT-Abteilungen werden Inseln für die Entwicklung gebildet, um agiler zu werden. Für die Software-Entwicklung nahe am Business und am Markt ist geeignetes Personal erforderlich, erinnerte Mo Uppal, IT Environments Technical Architect des Energiekonzerns British Gas, an dem Anlass. Die Programmierer seien schon heute sehr schwierig zu rekrutierten. Sein Unternehmen setze auf Umschulung sowie Trainings: Die Entwickler würden für einen bestimmten Zeitraum in den Fachbereich versetzt, damit sie lernen, wie das Business die Software anwendet. Swisscoms Ahmad Alayan berichtet einerseits von gemischten Teams mit Entwicklern und Business-Praktikern, andererseits von der Rekrutierung im Ausland.



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