13.07.2009, 14:26 Uhr

Swisscom beharrt auf Exklusiv-Faser

Der fürs Glasfaser-Programm von Swisscom zuständige Giovanni Conti sprach mit Computerworld über die zukunftsweisende Technologie und erklärte, wieso Swisscom unbedingt eine exklusive Faser braucht.
Giovanni Conti
Computerworld: Herr Conti, braucht es diese milliardenschwere Investition ins Glasfasernetz wirklich? Reicht das heutige Kupferkabel in den nächsten Jahren nicht mehr aus?

Giovanni Conti: Beim Glasfaser rechnen wir mit einem Planungshorizont von 30 Jahren. In dieser Zeit kommen neue Fernsehtechnologien, die noch höhere Bandbreiten erfordern. Zum Beispiel 3D-TV. Bereits heute reicht VDSL für das gleichzeitige Betrachten mehrerer HD-TV-Kanäle kaum aus. Im Unternehmensbereich geht der Trend ganz klar zu Software-as-a-Service. Das löst auch bei kleinen und mittleren Unternehmen das Bedürfnis nach deutlich erhöhter Breitband-Kapazität aus.

CW: Die Kosten für eine einzige Glasfaser sind schon hoch genug. Wieso braucht Swisscom eine exklusive Leitung und setzt so verbissen aufs teurere Zweifaser-Netz?
Giovanni Conti: Die Glasfaser an sich hat kein Differenzierungspotential. Akteure können sich nur in der Art unterscheiden, wie sie die Faser mit den Services vernetzen. Nehmen Sie an, ein Netzbetreiber setzt ein Modem ein, das nur 50 MBit/s verarbeiten kann. Ein Anbieter, der die Faser mietet, benötigt jedoch für seine Services eine Bandbreite von 200 MBit/s. Der Netzbetreiber wird wahrscheinlich als Antwort geben, dass dies unmöglich sei, weil er die Modems bei den Kunden noch nicht abgeschrieben habe. Gleiches Problem gilt nicht nur für die eingesetzten Geräte beim Kunden sondern auch für die verwendete Technologie in den Ortszentralen oder den Trafostationen der EWs. Bestehen hingegen mehrere Fasern, ergibt sich eine Dynamik auf dem Markt, weil sich die Provider auch über die Art der Technologieverwendung voneinander unterscheiden können.
CW: Können sich denn die Akteure nicht unterscheiden, wenn nur eine einzige Faser verlegt wird? Ist das unmöglich?
Giovanni Conti: Jede Glasfaser ist von der eingesetzten Technologie abhängig. Und diese Technologie spielt eine entscheidende wesentliche Rolle bei der Geschwindigkeit der Verbindung, der Zuverlässigkeit und der Priorisierung einzelner Dienste.
CW: Was kann denn zum Beispiel so ein Technologie-Element sein, das so eine entscheidende Rolle spielt?
Giovanni Conti: Nennen wir es ein optisches Modem. Wenn ein Akteur eine Million solcher Modems auf den Markt bringt, spielt er in dem Geschäft eine entscheidende Rolle. Wenn hingegen alle Anbieter ihre eigenen Modems verkaufen, können sie sich im Wettbewerb unterscheiden. Und das zu einem marginalen Mehrpreis. Ob man eine, zwei, drei oder vier Fasern verlegt, hat keinen grossen Einfluss auf die Baukosten. Die daraus entstehende Dynamik wird dann zum Vorteil des Kunden und der Leistungsentwicklung.
CW: Wie viel höher sind den effektiv die Investitionen, wenn zwei, drei oder vier statt einer Faser verlegt werden?
Giovanni Conti: Im kleinsten zweistelligen Bereich, unter 30 Prozent, wenn man die ganze Netzinfrastruktur dazu zählt. Für die Kabel selbst viel geringer.
CW: Es werden ja auch viele andere Baumodelle diskutiert. Zum Beispiel das Open-Access-Modell, in dem die Elektrizitätswerke die Glasfasern verlegen und allen Providern zu gleichen Preisen vermieten. Ist für Swisscom das Mitmachen bei diesem Projekt kein Thema?
Giovanni Conti: Wir machen indirekt mit. Wir sind mit verschiedenen Open-Access-Akteuren im Gespräch, um gemeinsam den Glasfaserausbau voranzutreiben. Mit einigen Open Access Mitgliedern haben wir sogar bereits Kooperationen vereinbart. Sie nehmen eine Faser für sich, um ihre Open-Access-Services anzubieten und wir nehmen eine andere für unsere Dienste. Das ko-existiert sehr gut. Wir sind durchaus Open-Access-kompatibel und stehen diesem Modell offen gegenüber. Wir brauchen aber eine eigene Faser, um uns mit unserer Technologie zu differenzieren.
CW: Also glauben Sie, dass Ihre Technologie besser ist, als die Ihrer Mitbewerber?
Giovanni Conti: Nein, wir plädieren für Flexibilität. So sind wir mit unseren Diensten unabhängig von unseren Open-Access-Partnern und können selbst entscheiden, wann wir neue neue Technologien einsetzen wollen. Dazu brauchen wir eine eigene Faser. Das ist im Grunde dieselbe Diskussion wie damals bei der Entbündelung der letzten Meile. Alle wollten das Kupfer entbündeln, also ihre eigene Technologie einsetzen, um selber ihre Dienste darauf anbieten zu können. Auf Glas geschieht genau dasselbe, was auf Kupfer lange gefordert wurde: jeder kann auf einer Glasfaser genau den Dienst entwickeln, den seine Kunden brauchen.

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CW: Aber das bedeutet ja, dass Sie nicht von Anfang an die volle Kapazität anbieten sondern etwa 100 MBit/s. Alle fünf Jahre erhöhen Sie dann die Kapazität, indem Sie neue Modems rausbringen.
Giovanni Conti: Prinzipiell ja. Die Entwicklung hängt von den Technologiekosten ab und deshalb muss jeder Akteur entscheiden können, wann er in neue Technologie investieren will. Das ist das Spiel, das die Marktdynamik erzeugt.
CW: Wir sprechen jetzt Hauptsächlich vom Endkundenbereich. Funktioniert dieses System im Businessmarkt genau gleich?
Giovanni Conti: Ich möchte nicht zu tief in die Kristallkugel schauen. Aber schon heute wird die Differenzierung bei den Grosskunden eher über Betriebsqualität, Service Level und Verlässlichkeit gemacht, als über die Brutto-Geschwindigkeit. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen.
CW: Trotzdem verzögern die ganzen Diskussionen den Bau des Glasfasernetzes. Schadet die Uneinigkeit der Provider schlussendlich nicht dem Wirtschaftsstandort Schweiz?
Giovanni Conti: Nein. Eine solche Baustelle, die das Land infrastrukturell verändert, wird nicht innert zwei Wochen beschlossen und umgesetzt. Der Prozess, der jetzt anläuft, ist ganz natürlich. Das benachbarte Ausland schaut eifersüchtig auf die offene Entwicklung, die in der Schweiz stattfindet. Der europäische Regulator nimmt gar die Schweiz als Beispiel, und sagt, es sollte in Europa auch so konstruktiv ablaufen. Für uns ist das ein gutes Zeichen. Wir halten die Art, wie sie in der Schweiz stattfindet, für die richtige. Sie dürfen nicht vergessen: Der Glasfaserbau ist ein Zehn- bis Fünfzehnjahresprojekt. Deshalb ist die Vorlaufzeit, in der sich Akteure erst finden müssen, ganz normal.
CW: Also ist die Schweiz nicht im Verzug, sondern gut im Rennen?
Giovanni Conti: Gut im Rennen sein ruft immer einen Vergleich mit jemand anderem hervor. Wenn das ein internationaler Vergleich ist, würde ich sagen: ,,Ja, wir sind gut im Rennen." Je dynamischer wir sind, desto besser für den Wirtschaftsstandort Schweiz.
CW: Sie haben es selbst gesagt. Der Glasfaserbau ist ein milliardenschweres Projekt. Müsste sich nicht eigentlich der Bund, analog zum Schienen- und Strassennetz, darum kümmern?
Giovanni Conti: Der Bund greift in der Regel erst ein, wenn die Wirtschaft etwas nicht schafft. Und hier hat die Wirtschaft die nötige Zeit noch gar nicht erhalten. Wenn aber die Abstimmung zwischen den Akteuren nach einer gewissen Zeit noch immer nicht funktionieren sollte, kann der Bund immer noch eingreifen. Im Moment deutet allerdings vieles darauf hin, dass konstruktive Kooperationen stattfinden können und ein Eingreifen nicht nötig sein wird. Dennoch beteiligen sich die Behörden bereits jetzt an den Diskussionen und moderieren sie, damit sie in einem guten Rahmen stattfinden. So kann sich der Bund selbst eine Meinung bilden, ob ein Eingreifen notwendig ist.
CW: Finden die Diskussionen hauptsächlich an den Roundtables der ComCom statt oder wird auch nebenher noch viel verhandelt?
Giovanni Conti: An den Roundtables werden fundamentale Themen diskutiert, die einer Abstimmung bedürfen. Kooperationsverhandlungen finden auf bilateraler Basis statt.

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CW: So wie beim EWZ und der Swisscom in Zürich zum Beispiel. Woran fehlt es noch, dass es bislang zu keiner Einigung kam?
Giovanni Conti: Wir hatten einen ganz unterschiedlichen Startpunkt, in der Vorstellung, wie die Stadt Zürich zu erschliessen sei. Bis es zu einer Einigung kommt, bei dem sich beide Parteien noch mit dem Projekt identifizieren können, braucht es noch seine Zeit. Ich bin aber sehr zuversichtlich.
CW: Wie sah denn der Standpunkt der Swisscom bei der Erschliessung der Stadt Zürich aus?
Giovanni Conti: Beide Akteure sollen den Raum haben, ihre Leistung auf ihrer Infrastruktur zu erbringen. Aber neben dem Open-Access-Modell des EWZ gibt es auch eine Daseinsberechtigung für unsere Services. Wir sind gegen ein Monopol - gegen ein Swisscom-Monopol und gegen ein anderes Monopol.
CW: Christoph Brand von Sunrise hat uns im Gespräch gesagt, dass er sofort bereit sei, Ihre Infrastruktur für eine gute Miete mit einer Marge sechs bis sieben Prozent mitzubenutzen. Haben Sie das von ihm auch gehört und wenn ja, wieso kam es bisher nicht zu einer Einigung?
Giovanni Conti: Eine gute Miete mit einer Marge von sechs bis sieben Prozent ist ein interessanter Begriff. Die entscheidenden Fragen lauten aber: Wer trägt das Leerstandsrisiko? Was ist der richtige Preis, wenn ein Akteur eine ganze Fläche ausbaut und der Mieter schnappt ihm danach die Rosinen weg, also die interessantesten Kunden? Es ist noch etwas früh, über solche Fragen richtig zu diskutieren. Denn bevor diese Diskussionen starten, müssen wir mit unseren Partnern den Bau planen und erst einmal das Glasfasernetz bis zu den Kunden verlegen. Bereits vor Monaten hatten wir alle Beteiligten eingeladen, mitzuinvestieren. Unsere Gegenfrage lautet demnach: Wieso positioniert sich Sunrise nicht als Mitinvestor?
CW: Wie könnte denn für Swisscom eine Zusammenarbeit mit Sunrise aussehen, die nicht als Mitinvestor mit im Boot ist?
Giovanni Conti: Wie gesagt müssen wir zuerst den Bau mit denjenigen Partnern planen, welche sich am Bau der Glasfaserinfrastruktur beteiligen. Die Swisscom kann problemlos auch einen Partner bauen lassen. Die Baukosten werden dann geteilt und Swisscom erhält das Recht für eine Glasfaser. In solchen Fällen wird möglicherweise ein anderer Anbieter die Bedürfnisse der Sunrise erfüllen.
CW: Unter anderem deshalb kommt von Sunrise der schwere Vorwurf an Sie, dass Sie ein neues Monopol aufbauen möchten. Was antworten Sie?
Giovanni Conti: (überlegt lange) Es gibt wenig Sektoren in der Industrie, in denen grosse Unternehmen der Konkurrenz vorschlagen, mitzuinvestieren und den Benefit zu teilen. Das ist eher unüblich. Wenn ich mir die anderen Industriezweige ansehe, kann ich mir kaum vorstellen, wieso ein Neueintretender, der wachsen will, noch mehr verlangt.
CW: Herr Conti, vielen Dank für das Gespräch.



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