10.12.2007, 09:13 Uhr

Standardisierung dank SOA-Einsatz

Als erste Krankenversicherung der Schweiz setzt die Luzerner Xundheit die SOA-basierte Software Syrius ASE von der St. Galler Adcubum ein. Das speziell auf die «Swiss Health Platform» zugeschnittene Programm verspricht eine Lebensdauer von mehr als 10 Jahren.
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Krankenkassen müssen sparen. Auch bei der IT. Daher setzt die Luzerner Xundheit seit September auf die SOA-basierte (Service Orientierte Architektur) Swiss Health Platform (SHP) und damit auf eine stärkere Automatisierung und Standardisierung ihrer IT-basierten Prozesse. Xundheit, langjährige Kundin der SHP-Betreiberin Centris, hat die vor drei Jahren gestartete Entwicklung der standardisierten Branchenlösung unterstützt, weil sie frühzeitig Einfluss auf die Ausgestaltung des Systems, vor allem hinsichtlich der bestehenden Umsysteme wie Workflow, Offertentool, Provisionierungs- und Courtagetool nehmen wollte, wie Xundheit-Chef Donald Locher erklärt. Um die Transaktionskosten zu senken, mussten die Prozessabläufe einfacher, die Rechnungsbearbeitung effizienter und die Durchgängigkeit der Prozesse höher werden. Bei Xundheit zieht man diesbezüglich nach den ersten Monaten auf der SHP eine weitgehend positive Bilanz. Locher: «Wir können differenzierter auf Kundenwünsche eingehen, etwa durch die flexiblere Adressen-, Dokumenten- und Geldflusssteuerung.» Zudem sei die Durchlaufzeit elektronischer Rechnungen spürbar kürzer geworden und die Dienste für Firmenkunden hätten dank nun integrierter Prozesse verbessert werden können.

Einführung Step by Step

Für die SHP wurde die Software Syrius SE (Server Edition) der St. Galler Adcubum sukzessive zur Version «ASE» (Application Server Edition) ausgebaut. Die jeweils fertigen Teile kamen stets sofort zum Einsatz. Die jetzt bei der Xundheit eingesetzte Version ist die erste Installation, bei der die ASE-Technologie vollumfänglich eingesetzt wird, erklärt Frank Berghammer, CEO von Adcubum. Er nennt zwei wesentliche technische Neuerungen: ASE basiert auf einer 4-Tier-Architektur und auf SOA (siehe auch Artikel Seite 14 und 15). Innerhalb des Application-Servers stehen rund 8000 fachliche Services zur Verfügung, die sämtliche für die Kernprozesse einer Versicherung notwendigen Aufgaben abdecken und zudem von externen Anwendungen genutzt werden können.
Die lange Dauer des gesamten Projektes nahm Xundheit zu Gunsten von Qualitätssicherung und Risikominimierung in Kauf. Locher ging es darum, die Produktion so reibungsarm wie möglich aufnehmen zu können. Er hat die Zeit deshalb auch für eine aufwändige Qualitätskontrolle genutzt. Während des Projektes liefen einzelne Teile, wie die Entwicklung der Kernapplikation Syrius, das Customizing für Xundheit, das Testing und die Abnahmen der einzelnen Releases parallel. Andere Bereiche, wie die Migration der Daten vom bisherigen auf das neue System, überspannten alle Phasen bis ins «Going Live».

Implementierung vor Ort

Dieses Going Live startete am 18. August 2007 und dauerte 24 Tage. Es wurde anhand eines detaillierten Drehbuchs abgewickelt, in dem alle Aufgaben, Vorgänge, Ausführende und Verantwortliche dezidiert festgehalten waren. Der Projektmodus wechselte in einen 24-Stunden-Betrieb mit entsprechender Kommunikations- und Führungsinfrastruktur. Dank minutiösem Plan und dessen strikter Einhaltung sei es gelungen, die Zeit vom Abschalten des alten Systems bis zur Produktionsaufnahme mit dem neuen System auf lediglich vier Arbeitstage zu begrenzen. Dieser Unterbruch war unumgänglich, weil sonst die Datenmigration und die notwendigen Sicherungen für ein Worst-case-Szenario nicht möglich gewesen wären, sagt Locher.
Am 5. September 2007 nahm Xundheit die Produktion im «abgesicherten Modus» auf, in dem die Anwender das Tagesgeschäft mit Syrius ASE abzuwickeln begannen. Centris simulierte und verifizierte ab diesem Zeitpunkt die Batch-Verarbeitungen wie Prämienfaktura, Leistungsverarbeitungen und anderes auf einem Testsystem. Am 10. September schliesslich, nach erfolgreichen Tests, konnte auch die Batch-Verarbeitung produktiv gesetzt werden.
Einen weiteren Vorteil der schrittweisen Implementierung macht Locher bei der Schnittstellenproblematik aus. Denn bei der Einführung hätte man diesbezüglich keine Schwierigkeiten mehr gehabt. Die Probleme, soweit sie produktionsverhindernd gewesen wären, konnten rechtzeitig behoben werden, erklärt er. Kleinere Schnittstellenprobleme, die während des Betriebes bis heute auftreten, lägen im Rahmen des geplanten Szenarios und würden laufend behoben. Locher: «Das gilt für das gesamte System, nicht nur für die Schnittstellen.»

Mitarbeiter sind gefordert

Da die Philosophie und damit der Aufbau der Applikationen der SHP grundlegend anders sind als die bisherigen Anwendungen, war Xundheit gezwungen, der Schulung auf der neuen Plattform grösste Aufmerksamkeit zu widmen. Dabei ist die Plattform, wie Locher sagt, grundsätzlich sehr benutzerfreundlich konzipiert und teilweise intuitiv zu bedienen. Dennoch verlange das Potenzial und die Flexibilität von SHP wesentlich mehr Know-how von den Anwendern. Die Schulung der Mitarbeiter wurde daher modular, in Form diverser Kurse, aufgebaut. Diese reichten von obligatorischen Grundkursen über -freiwillige Light-Grundkurse bis zu hoch fachspezifischen Modulen. Dabei setzte Xundheit auf ein «Tandem-Modell» der Ausbildung. Hauptreferenten von Centris und Co-Referenten von Xundheit hielten die Kurse gemeinsam. Die Mitglieder des Projektkernteams waren gleichzeitig als Co-Referenten im Einsatz, was die Akzeptanz und die Wirkung der Ausbildung stark gefördert hat. Die Schulung fand in zwei Phasen statt, mit einer Hauptausbildung im Mai 2007 und einer Nachschulung wenige Tage vor der Produktionsaufnahme.

Fazit

Bei Xundheit ist man sich sicher, einen grossen Schritt in Richtung Zukunftssicherheit gemacht zu haben. Locher: «Syrius verwaltet wesentlich mehr Daten als unsere frühere Lösung». Die Transparenz wurde ausgeweitet, Auswertungsmöglichkeiten differenzierter, die Auskunftsbereitschaft grösser und die Flexibilität höher. Alles zusammen hat die Kundenfreundlichkeit von SHP gesteigert.
Weitere Informationen

Zeit sparen mit der Swiss Health Platform

In der Praxis soll mit der Einführung der Swiss Health Platform (SHP) viel Zeit eingespart werden. Davon profitieren sollen vor allem auch die Endanwender, also die Mitarbeiter der beteiligten Krankenkassen und Unfallversicherungen. Diese Einsparungen finden sich in folgenden drei Bereichen:
1. Im Offertprozess fällt beispielsweise die Doppelerfassung von Stammdaten, Adresse und einzelnen Versicherungsprodukten weg. Bisher mussten hier sämtliche Daten in einem externen Offertsystem erfasst werden. Beim eigentlichen Vertragsabschluss musste dann alles nochmals in die Kernapplikation eingegeben werden. Mit SHP lässt sich die Offerte neu per Mausklick in einen Vertrag umwandeln. Das entspricht einer Zeitersparnis von mindestens fünf Minuten pro neuem Vertrag.
2. Bei der elektronischen Leistungserfassung müssen die digital angelieferten Rechnungen von Ärzten, Labors und Spitälern beim Vorliegen von «Fehlern» (etwa fehlende Angaben und Leistungssperren) nur noch einmal vom Sachbearbeiter bearbeitet werden. Denn die Rechnungsprüfung erfolgt nicht mehr in einem Umsystem. Bisher wurden Fehlermeldungen vom Sachbearbeiter manuell bearbeitet. Anschliessend wurden die Leistungen im Kernsystem generiert. Tauchten dabei Unstimmigkeiten auf, musste die Rechnung erneut manuell nachbearbeitet werden. Da die Systeme getrennt waren, lag jeweils mindestens ein Arbeitstag zwischen der ersten und der zweiten Nachbearbeitung. Da neu beide Systeme online miteinander verbunden sind, werden dem Sachbearbeiter die «Fehler» von
beiden Systemen gleichzeitig angezeigt. Die manuelle Nachbearbeitung erfolgt in nur einem Schritt. Die Zeitersparnis beträgt auch hier mindestens fünf Minuten je Fall.
3. Bei der Auskunftserteilung. Mit SHP können die Mitarbeiter der Krankenversicherer rascher Auskunft geben. Denn die wesentlichen Informationen über einen Versicherten sind jetzt auf einer einzigen Bildschirmmaske zusammengefasst. Bisher mussten die Sachbearbeiter immer wieder zwischen vier bis sechs Bildschirmmasken hin- und herwechseln, um die benötigten Informationen zu erhalten. Teilweise mussten sogar Print-Screens gemacht werden, um eine Übersicht zu erhalten. Kommt hinzu, dass viele wichtige Daten hinter kryptischen Abkürzungen versteckt sind und Zusatzinfos mit Hilfe von Funktionstasten, die zum Teil doppelt belegt sind, aufgerufen werden mussten. In der SHP liefert jetzt eine einzige Maske genug Informationen, um 80 Prozent der telefonischen Anfragen sofort beantworten zu können. Die Zeitersparnis beträgt in diesen Fällen mindestens zwei Minuten pro Auskunft.
Diese Minutenzahlen summieren sich rasch zu vielen Stunden. Vor allem, wenn man bedenkt, dass im Endausbau der SHP bis zu zwei Millionen Versicherte über die Plattform abgewickelt werden sollen.
Volker Richert



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