UCC 29.04.2011, 06:00 Uhr

der Mensch im Mittelpunkt

Die Einführung komplexer Technologien löst häufig Veränderungen der Unternehmenskultur aus. Für Kommunikationslösungen gilt das ganz besonders. UCC-Projekte werden nur dann zum Erfolg, wenn die Mitarbeiter mitziehen.
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Der Autor ist als ICT-Jounalist u.a. für Connectis tätig Positiv gesehen, steht UCC (Unified Communications & Collaboration) für den nächsten Evolutionsschritt der Unternehmenskommunikation, für Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen. Kritiker verbinden mit dem Begriff Über­wachungsängste, komplizierte Technik oder halten ihn schlicht für ein Marketing-Buzzword. Um das Thema herum kommt man aber nicht. Seit drei Jahren gehört UCC bei den Marktforschern von Gartner zu den wichtigsten IT-Trends. Allein in der Schweiz betrug das Volumen des UCC-Markts 2009 rund 700 Millionen Franken, bei einem jährlichen Wachstum zwischen 6 und 8 Prozent.
Dass das Thema noch mit einigen Fragezeichen versehen ist, geben sogar Profis zu: «In meinen Augen ist UCC ein zurzeit noch etwas ab-straktes Konzept», meint etwa Martin Hengartner, Strategic Projects Manager von Connectis. Das Schweizer Unternehmen hat sich auf kundenspezifische Kommunikations­lösungen spezialisiert. «Viel besser ist, UCC als User Centric Collaboration zu begreifen», meint er. Durch diese Neu-definition rückt der Benutzer ins Zentrum und damit eine Komponente, die in der vom technolo­gischen Fortschritt geprägten ICT-Branche oft auf der Strecke bleibt – zum Schaden des Unternehmens. Denn die Mitarbeitenden müssen die neue Technik nicht nur verstehen, sondern auch akzeptieren, um erfolgreich damit zu arbeiten.

Keine grüne Wiese

Eine Missachtung dieser Erkenntnis schädigt nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Rentabilität des Projekts. Dabei liegt die Vorgabe, den Menschen ins Zentrum zu stellen, schon in der Natur von UCC. «Ein UCC-Projekt ist mehr als die Einführung neuer Technologien. Im eigentlichen Sinne handelt es sich um ein Change-Projekt», sagt Hengartner. Die Einführung einer UCC-Lösung bedeutet also auch eine Veränderung der Unternehmenskultur. Ein solches Unterfangen muss gut geplant sein und kann auch nur mit 100-prozentiger Unterstützung des Managements zum Erfolg führen. Zentral ist dafür aber auch, dass sich die Erwartungen an der Realität ausrichten. Dafür müssen sich Integrator und Kunde gemeinsam an einen Tisch setzen, um Wünsche und Möglichkeiten in Einklang zu bringen. Dass sich gute Vorbereitung lohnt, zeigt sich bereits an den Kosten: Als Richtlinie gelten 800 bis 1200 Franken pro Arbeitsplatz. Allgemeine Aussagen über Kosten sind jedoch mit Vorsicht zu geniessen, da Faktoren wie Prozesskomplexität, Funktionsumfang, Branche oder auch die bereits existierende Infrastruktur eine Rolle spielen. Die wenigsten UCC-Projekte entstehen auf der grünen Wiese. Netzwerk- und Telefoninfrastruktur wachsen meist über Jahre und müssen mit der neuen Technologie in Einklang gebracht werden. «Der UCC-Integrator muss deshalb nicht nur die neue Technologie beherrschen, sondern auch die alte», so Hengartner. Out-of-the-box-Lösungen kommen dann genauso wenig in Frage wie Technik von nur einem Hersteller. Davon ist auch Curdin Schenkel, Leiter Workplace und Infrastruktur bei der Thurgauer Kantonalbank und Kunde bei Connectis, überzeugt. «Die Technik eines einzelnen Anbieters ist meist nicht flexibel genug, um alle Bedürfnisse zu befriedigen.» Die Bank konnte durch die Kombination verschiedener Anbieter eine für sie optimale UCC-Lösung erarbeiten. Komplexe Prozesse spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle: «Unser Kunde muss seine Prozesse auf die Bedürfnisse seiner Kunden ausrichten. Ein UCC-Projekt muss das reflektieren», so Hengartner.

Ängste ernst nehmen

Wichtig ist, wie bei jedem komplexen IT-Projekt, ein planvolles, stufenweises Vorgehen. Die Ziele müssen gemeinsam mit dem Management festgelegt und eindeutig kommuniziert werden, damit alle Beteiligten genau wissen, was das Unternehmen mit UCC erreichen will. Dabei handelt es sich um die erste Phase eines vierstufigen Prozesses (siehe Grafik). In Phase zwei werden die Voraussetzungen geklärt, anhand von Interviews der Bedarf und die Bedürfnisse der verschiedenen Stakeholder eruiert. Typische Kollaborationsprofile sind das Ergebnis. Phase drei dient der Definition des Projekts. Dabei gilt es, die Stimmung der Mitarbeiter auszuloten und kulturelle Änderungen zu diskutieren. In der vierten Phase wird die Umsetzung definiert. Der komplette Prozess dauert etwa zwei bis drei Monate. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf Phase drei liegen, da UCC bei den Mitarbeitenden einen Nerv trifft. Das Konzept der ständigen Erreichbarkeit steht schnell für Dauerüberwachung am Arbeitsplatz. Solche Ängste sind ernst zu nehmen. «Am besten sondiert man die Stimmungslage bei den Mitarbeitern und bestimmt im Zweifelsfall eine neutrale Person, die als zentraler Ansprechpartner fungiert», schlägt Hengartner vor. Neben dem Eingehen auf vorgebrachte Bedenken sollten aber auch die Vorteile der Technik aufgezeigt werden, optimalerweise anhand von Beispielen aus dem Firmenalltag. «Mithilfe einer Präsenzanzeige muss man keine Zeit mit sinnlosen Kontaktversuchen verschwenden. Der Kollege wird über den Kanal angesprochen, der gerade seiner aktuellen Arbeitssituation entspricht», führt Hengartner aus. Wer bei sich selbst diese Vorteile erlebt hat, möchte diese nicht mehr missen – und schaltet deshalb auch gerne seinen Präsenzstatus ein.

Moderne Mitarbeiterführung

Konsequent zu Ende gedacht, führt UCC zu einer sehr modernen Mitarbeiterführung. Das heisst, umdenken müssen nicht nur die Angestellten, sondern auch das Management. Die neue Technologie, gepaart mit der heute geforderten Flexi­bilität und Mobilität, fordert eine Ausrichtung auf Leistung. Schliesslich ist nicht relevant, wie viele Stunden ein Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz sitzt, sondern welche Leistungen er erbringt und ob er für seine Kontaktpartner innerhalb und ausserhalb des Unternehmens jederzeit erreichbar ist. Früher zählte ein Vorgesetzter dafür einfach die Köpfe im Büro, ob und womit dieser gerade beschäftigt war, wusste er nicht. Das ist auch heute noch vielerorts Modus Operandi. Schon deshalb bietet sich eine Neuausrichtung im Sinne von mehr Transparenz statt Überwachung an. Ein gutes Beispiel sind gemeinsam genutzte Kalender, mit denen schnell eruiert werden kann, womit jemand gerade beschäftigt ist. Moderne Technologie und aufgeklärte Mitarbeiterführung schaffen auch die Voraussetzungen für rein virtuelle Unternehmen ohne Sitz und ohne Büro – und ohne dass sich die Mitarbeiter begegnen. Zukunftsmusik? Nein, ein gutes Beispiel ist die Blogplattform Wordpress, die mit monatlich 88 Millionen Unique Visitors zurzeit auf Rang 19 der meistbesuchten Websites in der Schweiz liegt. Die Mitarbeiter sind um den ganzen Globus verteilt und koordinieren sich mit Onlinekollaborationswerkzeugen. So ergibt sich eine moderne Vertrauenskultur der Firmenleitung in die Mitarbeiter, die wiederum die nötige Selbstdisziplin haben, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. UCC ist dafür das ideale Tool. Wie kommt man aber zu solchen Mitarbeitern? «Gerne halte ich mich da an ein Sprichwort von Saint-Exupéry», erklärt Hengartner. «Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.» Konkret bedeutet dies, über gemeinsame Visionen und Ziele zu führen – die Kont-rolle ist sekundär. So verstehen die Mitarbeiter die positiven Aspekte der Veränderungen: Die Präsenzanzeige wird gewinnbringend für alle eingesetzt.


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