Transform 2019 30.09.2019, 05:26 Uhr

Digitalisierung: Was jetzt getan werden muss

Mitte September ist erstmals die Transform über die Bühne gegangen. Die zweitägige Konferenz will die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft in möglichst vielen Facetten darstellen. In zahlreichen Vorträgen wurde aufgezeigt, was jetzt getan werden muss.
Marianne Janik, Landeschefin von Microsoft Schweiz, betonte, wie wichtig künftig Soft Skills werden.
(Quelle: NMGZ/Computerworld)
Die Digitalisierung in all ihren Facetten darstellen. Das ist das Ziel der zweitägigen Veranstaltung Transform der Berner Fachhochschule (BFH), die dieses Jahr erstmals im September in Bern stattfand. Ein ehrgeiziges Vorhaben. Denn die Digitalisierung durchdringt alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft und betrifft jeden auf unterschiedliche Weise.
So ist es nur logisch, dass die Digitalisierung unterschiedlich wahrgenommen wird. Die öffentliche Diskussion reicht entsprechend von Zukunftsoptimismus bis hin zu existenzieller Ängsten wie dem Verlust des Arbeitsplatzes, persönlicher Kaufkraft und sozialem Ansehen.

Tausende Jobs verschwinden, neue sollen entstehen

Christine Häsler, Erziehungsdirektorin des Kantons Bern betonte in ihrem Grusswort zu Beginn des ersten Konferenztages der Transform-Konferenz im Auditorium des Wirtschaftsdepartements der BFH die Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt.
Quelle: NMGZ/Computerworld
Christine Häsler, Erziehungsdirektorin des Kantons Bern betonte in ihrem Grusswort zu Beginn des ersten Konferenztages im Auditorium des Wirtschaftsdepartements der BFH die Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt.
Gemäss jüngster Forschung dürften durch die Digitalisierung im Kanton Bern in den nächsten Jahren rund 100’000 Arbeitsplätze verschwinden aber auch vergleichbar viele neu entstehen. Allerdings Jobs mit Profilen, die noch nicht existieren oder sich gerade manifestieren, so wie etwa der Beruf des Datenjournalisten in den Medien. Eine Position die in immer mehr Medienhäusern entsteht.
«Die Aufgabe der Bildung ist es, die nötigen Digital Skills von Beginn weg zu vermitteln», betonte die Erziehungsdirektorin. Dies müsse für alle Bildungs- und Ausbildungsbereiche gelten. Ansonsten drohten Berufe und Löhne in der Mitte wegzubrechen und es werde sich eine Art digitale Schere öffnen. Um dies zu verhindern, «ist es wichtig, einen frühzeitigen Diskurs zu starten, um vorausschauend und gemeinsam zu handeln, anstatt später in Aktionismus zu verfallen», empfahl Häsler.

Arbeitnehmerinnen könnten doppelt gestraft werden

Alain Gut, ICT-Berufsbildung Schweiz: «Die Berufslehren müssen an die Anforderungen und die Geschwindigkeit des digitalen Wandels angepasst werden.»
Quelle: NMGZ/Computerworld
Dafür muss dringend an einigen Stellschrauben gedreht werden. Etwa die Förderung von Mädchen und jungen Frauen im ICT-Bereich. Wie wichtig diese ist, zeigte  IBM-Manager Alain Gut auf, Mitglied des Vorstands von ICT-Berufsbildung Schweiz.
Mit der Digitalisierung verlagern sich die Schwerpunkte in den Jobs in Richtung der MINT-Fächer, also in einen Bereich, in dem Frauen heute untervertreten sind. Die Digitalisierung könnte Arbeitnehmerinnen daher doppelt treffen, warnte Gut und mahnte: «Wir müssen extrem viel tun! Auch weil sich die Schweiz in diesem Bereich im OECD-Vergleich im unteren Drittel befindet.»

Berufslehrern müssen angepasst werden

Auch die Berufslehren müssen an die Anforderungen und die Geschwindigkeit des digitalen Wandels angepasst werden. Deshalb sollen künftig die Kompetenzen in den Ausbildungen modular aufgebaut werden. In Folge könnten neue Anforderungen rascher in die Ausbildungspläne eingearbeitet und veraltete Kompetenzen aussortiert werden.
Noch stehe die Schweiz bei der Aus- und Weiterbildung im internationalen Vergleich gut da, sagte Gut. Ausruhen sei jedoch keine Option, denn andere Länder holen auf.
Für bereits Berufstätige wird es künftig so aussehen, dass sich ihre Jobs und Jobprofile ändern werden. Um in der neuen Berufswelt relevant zu bleiben, wird es wichtig sein, ein Leben lang zu lernen und sich weiter zu entwickeln. Unternehmen sollten dies fördern, indem sie verschiedene Kurse und Diplome breiter anerkennen.

Wenn die Supermarktkette mehr IT-Fachkräfte anwirbt als Facebook

Marianne Janik von Microsoft Schweiz sprach über die Herausforderungen der Digitalisierung für Unternehmen und Fachkräfte.
Quelle: NMGZ/Computerworld
Guts Position wurde durch die Ausführungen von Microsofts Schweiz-Chefin, Marianne Janik, untermauert. Sie betonte die Heftigkeit des sogenannten War of Talents. In der Schweiz würden derzeit 15'000 Fachkräfte im digitalen Umfeld gesucht.
Es fällt auf, dass es vor allem Anwenderunternehmen sind, die nach digitalen Talenten suchen. In den USA suchten 11 Mal mehr Nicht-IT-Firmen nach IT-Fachkräften als ICT-Anbieter. Zum Vergleich: Die US-Supermarktkette Walmart heuert mehr Entwickler an als Facebook, wie Janik ausführte. Ein Beleg dafür, dass jede Firma zur Tech-Company werde.

Adieu IT-Abteilung?

Eine weitere Entwicklung ist laut der Microsoft-Schweiz-Chefin die Demokratisierung von IT. Ein Symptom ist No Code, das Entwickeln von Applikationen ohne, dass man eine Zeile Code schreiben muss. Hierfür gehen Plattformen Anwendern ohne Programmierkenntnisse zu Hand.
Angebote wie Bubble oder Shopify machen es möglich. Letzteres erlaubt es Jedermann einen Webshop nach eigenem Gusto aufzusetzen. In zwei Jahren stieg die Nutzerzahl von 360’000 auf 800'000 Nutzer, wie Professor Erik Graf vom Bereich Technik und Informatik der Berner Fachhochschule in einem eigenen Vortrag ausführlich erklärte.
Professor Erik Graf vom Bereich Technik und Informatik der Berner Fachhochschule referierte über den Trend No Code und dessen mögliche Folgen.
Quelle:
NMGZ/Computerworld
No Code steht noch am Anfang des Hypecycles. Das Tal der Tränen steht Grafs Einschätzung nach also noch bevor, doch mit der Zeit dürfte sich die Technik breit etablieren und manche IT-Abteilung durcheinander wirbeln, wenn Fachexperten anfangen, ihre eigenen Applikationen zu bauen.

Mit der Digitalisierung rücken Soft Skills ins Zentrum

Microsoft selbst startete vor vier Jahren seine Transformation. Man will weg von Silos und hin zu einer offenen Plattform. Das Transformationsprogramm läuft noch immer. Der Konzern beschäftigt alleine 700 Mitarbeiter, die andere Mitarbeiter aus und weiterbilden.
Hierbei verfolgt das Unternehmen einen Open-Learning-Ansatz. Angestellte können sich firmenintern zu Themen weiterbilden wie AI, IoT oder Programmieren. Neben den digitalen, werden die Soft Skills wichtiger, betonte Janik. Deshalb brauche es mehr Psychologen, die Menschen unterstützen den (digitalen) Wandel mitzugehen.

Führung verändert sich und wird anspruchsvoller

In Zeiten der Nervosität und Komplexität brauche es zudem eine klare Führung. Das müsse aber nicht die Chefin machen. Denn Hierarchien werden flacher, Mitarbeiter wollen mehr eingebunden werden. Der CEO muss aber vorausgehen und den Prozess starten. Man muss etwa Fehler machen und zugeben. Das zeigen der menschlichen Seite helfe sehr.
Angelina Dungga-Winterleitner, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Wirtschaft der BFH, sprach über moderne Führungsmethoden.
Quelle: NMGZ/Computerworld
Wie sich neue Führungsformen entwickeln, erläuterte Angelina Dungga-Winterleitner, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Wirtschaft der BFH. Die Forscherin zog Parallelen zu ihren Erkenntnissen im E-Government. Demnach gehe der Trend hin zu kollaborativen Führungsmodellen.
Die Arbeit von Führungskräften wird dadurch anspruchsvoller. Sie benötigen ausgeprägte Soft Skills in Bereichen wie Streitkultur, Moderation und Mediation sowie Verhandlungsführung. Streitigkeiten untereinander müssten in einer sicheren Umgebung ausgetragen werden können und am Ende der Diskussion sollte eineLösung stehen. Das dürfte nicht jedem leicht fallen.

Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten der interdisziplinären Zusammenarbeit

Um Zusammenarbeit ging es auch im Schlussvortrag der Konferenz von Gerd Folkers, Präsident des Wissenschaftsrats Schweiz. Folkers trat für mehr Interdisziplinäre Zusammenarbeit ein.
Gerd Folkers, Präsident des Wissenschaftsrats Schweiz, brach eine Lanze für die interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Quelle: NMGZ/Computerworld
Heute stünden Unmengen an digitalisierten Daten zur Verfügung. Das eröffne neue Möglichkeiten der interdisziplinären Zusammenarbeit. Man muss sich aber in die anderen Disziplinen hineindenken sowie Jargon und Codes anderer Disziplinen verstehen können.
Dafür müsse man vorgegebene Denk- und Sichtweisen sowie Gepflogenheiten seiner Berufsgruppe hiterfragen und überwinden. Ein wichtiger Apell, denn wenn die Konferenz eines gezeigt hat, dann wie wichtig fächerübergreifendes Denken und eine offene Zusammenarbeit wird, um die Digitalisierung erfolgreich zu meistern.



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