03.12.2014, 17:21 Uhr

1100 Analysten prognostizieren 2015

Wer partnert mit wem? Welche Technologien werden überleben, welche untergehen? Was sind die Hauptwachstumstreiber? 1100 IDC-Analysten geben einen Ausblick auf das ICT-Jahr 2015.
IDC-Chefanalyst Frank Gens sprach über Firmenfusionen, Technologietrends und Wachstumstreiber im kommenden Jahr 2015. Gens griff dabei auf das geballte Know-how eines weltweiten Netzwerkes von 1100 IDC-Analysten zurück, die natürlich im Webinar am Mittwochabend nicht alle dazu geschaltet waren. Eine der Kernaussagen: Die dritte Plattform (Cloud, Big Data, Mobile, Social) gewinnt durch sogenannte Inovationstreiber weiter an Momentum. Dazu zählt IDC das Internet der Dinge (IoT), kognitives Computing (IBM Watson, aber Konkurenten werden folgen), Roboter, 3D-Printing, natürliche Benutzerschnittstellen sowie auf Cloud und Mobile optimierte Sicherheitsechnologien. Software-Entwickler-Communities, die für die dritte Plattform programmieren, werden zu "Epizentren der Innovation". Computerworld präsentiert die aus unserer Sicht spannendsten Voraussagen der IDC-Analysten.

Wachstumsmotor China

Zum ICT-Weltmarkt:Insgesamt soll der ICT-Markt weltweit um 3,8 Prozent wachsen und die 3,8-Billionen-Dollargrenze knacken. Davon entfallen 1,7 Millionen auf die Telekommunikation, 2,1 Billionen auf IT-Produkte und -Services. Das Wachstum verteilt sich allerdings divers. Wachstumslokomotive bleibt China mit 11,4 Prozent, Europa stagniert (0,2%) und Japan steckt in der Rezession (-1,3%). Die USA werden laut IDC ein ordentliches Wachstum von 2,7 Prozent hinlegen. Hauptprofiteur bleibt die Software-Sparte mit einem Plus von 6,4 Prozent. Aber auch die Enterprise-Hardware (Kern-Infrastruktur) wird erfreulich stark zulegen: IDC prognostiziert 4,5 Prozent.

Telekommunikation

Drahtlose Netze werden 2015 zum Hauptumsatztreiber der Telekommunikationsanbieter. Die Folge sind erbitterte Preis- und Marktkämpfe. IDG befürchtet daher "Deals" zwischen den Top-Cloud-Anbietern und den Netzwerk-Providern. Der Grund: Websites werden immer fetter und datenintensiver. Gut denkbar wäre, dass Unternehmen wie Amazon und Netflix den Netz-Providern einen kleinen Teil ihrer Umsätze abtreten, wenn sie eine Mindestladezeit von 10 Millisekunden oder weniger garantieren. Die Folge wäre letztlich ein Zwei-Klassen-Internet. Preiskämpfe fördern aber auch Innovationen. IDC glaubt, dass Netz-Carrier stärker als bisher in Plattformen für Entwickler investieren werden. Denn die Margen für Low-Level-Cloud-Services wie IaaS gehen gegen Null. Es kommt deshalb darauf an, Entwickler für die höherwertigen und margenträchtigeren Cloud-Dienste zu begeistern, damit möglichst viel echter Mehrwert für den Kunden entsteht.

Mobile Geräte & Apps

Smartphones und Tablets werden 2015 gemeinsam einen Umsatz von 484 Milliarden US-Dollar erwrtschaften und damit 40 Prozent des IT-Gesamtwachstums weltweit generieren. Der Sandwich-Formfaktor Phablets kannibalisiert dabei mehr und mehr die Smartphone- und Tablet-Abverkäufe. Phablets wachsen um 60 Prozent, und damit 20 Mal schneller als Tablets.

Samsung verliert

Samsung Marktanteil punkto Smartphones werde, so sagen die IDC-Analysten voraus, im dritten Quartal 2015 unter 20 Prozent sinken (verkaufte Einheiten) - zum ersten Mal seit 17 Quartalen. Als starke Herausforderer sieht IDC die chinesischen Firmen Lenovo und Xiaomi. Wearables werden 2015 ihr Potenzial noch nicht voll ausschöpfen können, bleiben aber mit 40 bis 50 Millionen verkaufter Einheiten weltweit ein hochinnovativer Wachstumsmarkt. Im kommenden Jahr wird ausserdem ein Armband-Handy das Licht der Welt erblicken. Die Analysten sehen HTC, LG oder Sony vorpreschen. Der Markt-Launch erfolgt jedoch zu früh, weil Bedien- und Technologie-Probleme noch nicht zufriedenstellend gelöst sind. Nächste Seite: Trends beim Cloud Computing

Cloud Computing

Für den IaaS-Cloud-Markt (Computing und Storage) sagt IDC ein Wachstum von 36 Prozent voraus. Marktführer Amazon reklamiert bislang einen Löwenanteil von 47 Prozent (1. Halbjahr 2014) für sich, gerät 2015 aber von drei Seiten unter Druck. Google, Microsoft und IBM (plus chinesische Anbieter) werden den Preisdruck auf Amazon brutal erhöhen.

Amazon unter Dreifach-Druck

Amazon werde die Dreifach-Attacke mit ein paar Blessuren überstehen, ja möglicherweise seinen Marktanteil noch ausbauen können. Denn die Amazon Web Services (AWS) haben die Messlatte für IaaS-Angebote sehr hoch aufgelegt. Rechenleistung (Compute) lässt sich in wenigen hundert Millisekunden aufsetzen, und die Abrechnung erfolgt im 100 Millisekunden-Takt (Verbrauch).

Viele IaaS gehen Bankrott

Viele IaaS-Anbieter, die nicht zu den Top 10 gehören, sieht IDC 2015 über die Klinge springen, weil sie dem Preisdruck und dem hohen Innovationstempo zu wenig entgegen zu setzen haben. Diese Anbieter werden ihr Heil in Partnerschaften suchen. Zu den kriselnden Unternehmen zählt IDC unter anderem HP, Rackspace und viele Telkos. Auf der Gewinnerstrasse dagegen sehen die Analysten Google, Microsoft, IBM, Aliyun (Alibaba) und China Telecom. Software-Player (SaaS) stossen verstärkt in das strategisch wichtige Cloud-Segment der PaaS-Dienste vor. Google, Microsoft, Salesforce und IBM haben diesen Trend vorangetrieben. Zu den populären Programmiersprachen zählt IDC Ruby, PHP und Python, zu den beliebten Frameworks Spring, Django und Flash.

Microsoft gibt Hyper-V auf

Das wird den Virtualisierungsmarktführer VMware und Microsoft gar nicht freuen. Die einfachere und effizientere Container-Technologie (vor allem Docker) fordert die etablierten Virtualisierungsanbieter heraus. Auch die Open-Source-Cloud-Plattform "Open Stack" gerate dadurch unter Druck und verliere an Attraktivität, sagt IDC. "Wir wären nicht überrascht, wenn Microsoft 2015 sein Hyper-V ganz aufgibt und voll auf Docker setzen würde, auch um dem Hauptkonkurrenten VMware eins auszuwischen", so ÎDC-Chefanalyst Gens. OpenStack misst er dagegen, wegen der bekannten Vorteile von Open Source, eine gute Überlebenschance zu. Facebook wird PaaS-Partnerschaften mit Microsoft und IBM eingehen. IDC nennt derartige Gespanne "Strange Bedfellows". Gut denkbar sei auch, dass HP mit AWS, Salesforce mit Microsoft zusammenspannt. Nächste Seite: Big Data und das IoT

Big Data/Machine Learning

IBM ist mit Watson vorgeprescht und reklamiert bislang eine Ausnahmestellung für sich. Aber dabei wird es nicht bleiben. Microsoft hat in diesem Jahr seine Azure Machine Learning Services auf den Markt gebracht. Google arbeitet an "Deep Learning"-Angeboten. Amazon, so schätzt IDC, wird 2015 einen "Machine Learning"-Dienst lancieren. Die chinesische Firma Baidu bastelt ebenfalls an entsprechenden Angeboten.

Das Internet der Dinge

Das IoT hat viele Gesichter: software-gesteuerte Autos, intelligente Gebäude, vorausschauende Wartung (predictive Maintenance), Wearables, Industrie 4.0. IDC schätzt, dass die IoT-Investitionen weltweit die 1,7-Billionen-Dollarmarke überspringen werden. Cisco, IBM und Intel werden ein IoT-Tochterunternehmen gründen, um Lösungen auf diesem Markt stärker vorantreiben zu können. Cisco und Intel haben mit VCE eine solche Initiative bereits schon einmal gestartet. Damals ging es um "Converged Infrastructure". Die neue IoT-Firma wird auch das Ziel verfolgen, die von Paul Maritz geführte EMC-Tochterfirma Pivotal nicht zu weit davon ziehen zu lassen. Pivotal entwickelt Lösungen für den Bereich Big Data Analytics/IoT, und General Electrics hat sich finanziell dort stark engagiert.

Rechenzentren/Hardware

Cloud-Service-Provider geben immer stärker den Ton an und die Richtung vor. Der Trend geht Richtung Hardware, die individuell nach den Spezifikationen der Kunden -mehrheitlich SPs - designt wurde. Dazu müssen alle Mitglieder der Wertschöpfungskette eng zusammenarbeiten. IDC nennt als Haupt-Player Amazon, Google, Facebook, Microsoft, IBM, Oracle, HP, Dell, Cisco, EMC, Intel, AMD, ARM, Nvidia, Qualcomm, Wistron, Quanta, Baidu, Tencent und Alibaba. Ausserdem bleiben auf bestimmte Workloads optimierte "Systems on a chip" stark nachgefragt. Die altbekannten Silos in den Rechenzentren - also Compute, Storage und Networking - werden weichen und einer software-definierten Infrastruktur Platz machen. Diese Entwicklung hat tiefgreifende Konsequenzen für Märkte und Anbieter. Unternehmen wie EMC, Netapp, Juniper und Cisco geraten unter Druck und werden gezwungen, ihr Portfolio auszubauen.

Firmenfusionen

IDC prognostiziert, dass zwei oder drei der Top-Hardware-Anbieter weltweit zusammenspannen, aufgekauft werden oder sich grundlegend restrukturieren. Zu den Top-Hardware-Firmen, die dafür in Frage kommen, zählen die Analysten IBM, Cisco, Dell, EMC, Netapp, Oracle, Hitachi, Fujitsu, Lenovo, NEC, F5, Juniper, Brocade und HP. Für Hewlett-Packard hat sich die IDC-Prognose bereits bewahrheitet. HP-Chefin Meg Whitman kündigte den Split in HP Enterprise und HP Inc. vor einige Wochen an. Über mögliche Kaufangebote wachsen seitdem die Spekulationen ins Kraut. Nächste Seite: ein paar Zahlen zum Nachdenken

Der chinesische ICT-Markt 2015

Nur einige Zahlen zum Nachdenken: 2015 werden in China fast eine halbe Milliarde Smartphones verkauft, sagt IDC. Das sind drei Mal so viel wie in den Vereinigten Staaten und etwa ein Drittel aller Abverkäufe weltweit. Über 680 Millionen Chinesen sind 2015 online. Über 580 Millionen Chinesen nutzen im kommenden Jahr soziale Netzwerke, dagegen "nur" 222 Millionen US-Amerikaner. Chinesische Smartphone-Anbieter werden den chinesischen Heimatmarkt mit einem Anteil von 85 Prozent dominieren. Das sind 40 Prozent des weltweiten Smartphone-Marktes. Zu den chinesischen Anbietern zählen unter anderem Lenovo, Xiaomi, Huawei, ZTE und Coolpad. Insgesamt wird der chinesische ICT-Markt 2015 um 11 Prozent wachsen und die 465-Milliarden-Dollarmarke überschreiten.

Frank Gens: IDC-Prognosen (Überblick)




Das könnte Sie auch interessieren