02.08.2013, 11:32 Uhr
Alles auf Windows 8
Bislang waren die Mitarbeiter der IVF Hartmann doppelspurig unterwegs: mit Notebook und iPad – und doppeltem Aufwand. Die Migration auf Windows 8 macht die Mehrarbeit nun überflüssig, es bleibt mehr Zeit für die Kunden.
Eine IT-Infrastruktur mit Windows XP und zusätzlichen iPads ist heute vielerorts der Normalfall. Bei der Schweizer IVF Hartmann Gruppe, bekannt als Lieferant für medizinische Verbrauchsgüter, war es ebenso. In den Büros arbeiteten die Angestellten an XP-Rechnern, der Aussendienst hantierte mit XP-Notebooks und nahm iPads zu Kundenbesuchen mit. Die Apple-Tablets dienten jedoch primär als Präsentations- und Reise-Devices, denn der Zugriff auf die Kernapplikationen wie CRM und SAP war nur über die Windows-Geräte möglich. «Das Aufgabenspektrum wurde an das iPad angepasst anstatt umgekehrt. Entsprechend wollte und konnte kein User auf sein Notebook verzichten», erinnert sich Edward Mulder, Head Organization & Information Services. Warum dann überhaupt Tablets? «Der Aussendienst hatte sich iPads gewünscht, wir haben ihnen den Wunsch erfüllt», sagt Stefan Kaifer, Senior Solution Consultant bei IVF Hartmann. Durch die parallele Nutzung beider Geräte entstand allerdings erheblicher Mehraufwand. Denn es gibt Tätigkeiten, die mit einem iPad einfach nicht möglich sind, etwa BI-Analysen oder das Erstellen von PowerPoint-Präsentationen. Das kostete unnötig Ressourcen im Sales – zusätzlich zu den IT-Aufwendungen, die vom Unternehmen sowieso schon für Kauf und Wartung der betriebseigenen Apple-Geräte geleistet wurden.
Hardware-Katastrophe
Wie viele andere Schweizer Unternehmen, stand auch bei der IVF Hartmann die Ablösung von Windows XP auf der Agenda. Die Zeit drängt, läuft doch im April nächsten Jahres der Produkt-Support für das Betriebssystem endgültig aus. Es stellte sich die Frage, ob Windows 7 oder 8 die geeignete Plattform ist. Aufgrund eines ohnehin notwendigen Hardware-Austauschs startete das Unternehmen im November 2012 mit dem Migrationsprojekt. Die Alternativen waren eine Kombilösung aus Windows 7 und iPads oder ein Windows-8-Tablet. Die Hardware sollte ein kleines, leichtes, schnell startendes und dennoch leistungsfähiges Gerät sein, mit dem der Aussendienst mobil und ohne Maus arbeiten kann. Gleichzeitig sollten komplexere administrative Tätigkeiten – dann mit einer echten Tastatur und Bildschirm – im Home Office durchgeführt werden können. Die ideale Lösung: ein Computer für alle Zwecke, damit das ineffektive Arbeiten auf zwei Geräten und zwei unterschiedlichen Plattformen endgültig passé ist. Leider war die Auswahl an Windows-8-Tablets beschränkt. «Wir waren scharf auf Microsofts Surface Pro, ein Testgerät kam aber nie bei uns an», sagt Mulder. Microsoft Schweiz habe damals keinen Liefertermin nennen können. «Surface Pro ist eine Marketingkatastrophe», so sein Urteil. Ebenfalls in der engeren Auswahl war das Samsung Ativ Pro S, ein Convertible. «Das Modell ist schick, für den Firmeneinsatz aber leider nicht brauchbar», urteilt Solution Consultant Stefan Kaifer. Denn: «Das Adapterkabel für den Monitoranschluss hätte der Aussendienst – selbst bei sorgsamem Umgang – schnell abgebrochen.» Ausserdem biete Samsung keinen Support für Business-Kunden in der Schweiz. Auch aus diesem Grund sei die Wahl schliesslich auf Fujitsu gefallen, die ihre Kunden sehr gut unterstützten, wie Kaifer anmerkt. Der Hersteller lieferte unter anderem 120 Convertibles vom Typ Fujitsu Stylistic Q702 mit eingebautem LTE-Modul plus einer Dockingstation mit Tastatur sowie einem Monitor für den Arbeitsplatz im Home Office. Der komplette Innendienst wurde ebenfalls auf Fujitsu-Hardware mit Windows 8 umgestellt. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Update-Tücken
Update-Tücken
Mulder und Kaifer waren sich darüber im Klaren, dass die Arbeit mit dem Entscheid für Windows 8 und der passenden Hardware erst beginnt. «In den Infrastrukturprojekten kommt der Schmutz hoch», wie Kaifer sagt. Für viele der versteckten Probleme gab es bislang Workarounds, nun mussten sie endgültig gelöst werden. Diese Probleme haben Daniel Gnädinger und das IT-Operations-Team grösstenteils intern erledigt. Die Umstellung wurde zum Anlass genommen, nicht nur die Clients zu erneuern, sondern auch alle Applikationen auf die neuste Version zu aktualisieren. Dies gelang in 95 Prozent der Fälle ohne Probleme. Für einige wenige Applikationen standen allerdings noch keine kompatiblen Versionen für Windows 8 bereit. In diesen Fällen half Virtualisierung. Für eine Qualitätsmanagement-Software auf Basis von Microsoft .NET 1.1 plant der Hersteller Babtec beispielsweise erst im Herbst ein Update – zu spät für das aktuelle Projekt. Hier kommt jetzt App-V zum Einsatz: Vom Benutzer unbemerkt wird eine Intranetlösung, die für den Internet Explorer 7.0 ausgelegt ist, via Terminal-Session als Remote-App bereitgestellt. An der Kompatibilität mit der neusten Browserversion arbeitet der Hersteller noch. Selbst gelöst hat das IT-Team inzwischen anfängliche Problem mit den Druckertreibern. Die Empfehlung des Printer-Lieferanten lautete, für die vier installierten Druckermodelle die Universaltreiber einzusetzen. Im Test stellte sich jedoch heraus, dass die Verbindung zum Drucker verloren geht, wenn der Universaltreiber verwendet wird. Diese Schwierigkeiten verschwinden, wenn mit den gerätespezifischen Treibern gearbeitet wird.
Vorurteile ausgeräumt
In den Fachabteilungen mussten die Informatiker eine ganz andere, unvorhergesehene Hürde nehmen: «Viele haben eine negative Attitüde gegenüber Windows 8, sie halten es für ein zweites Vista», sagt Mulder. Während der IT-Leiter und seine Kollegen zufrieden mit den internen Tests waren und insbesondere die höhere Arbeitsgeschwindigkeit und die für mobile Arbeit optimierte Umgebung lobten, zweifelte das Business noch. «Warum stellen wir auf Windows 8 um, wurde mehrmals gefragt, ohne dass ein konkreter Kritikpunkt genannt werden konnte», erinnert sich Kaifer. Insbesondere sei die Kacheloberfläche von Windows 8 besser, als vielfach befürchtet, betont er. Diese Beobachtung erwies sich dann in der Schulungsphase als korrekt. Mit Key-Usern aus dem Business wurden zunächst zur Probe zweistündige Trainings konzipiert. «Die Probeschulungen ergaben einen viel geringeren Trainingsbedarf, als ursprünglich erwartet, sodass wir die Lektionen auf eine 40-minütige Session zusammenkürzen konnten», so Mulder. Die User hätten überraschend wenig Probleme mit dem neuen Bedienkonzept gehabt. Zwar sei in den ersten zwei Wochen ein Produktivitätsverlust von geschätzt zwei bis drei Stunden pro User zu beobachten gewesen. Anschliessend hätten die Nutzer aber mit Windows 8 schneller als vorher gearbeitet. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Apps für das Business
Apps für das Business
Die abgeschaffte Doppelspurigkeit mit Notebook und iPad sowie der unterdessen realisierte Produktivitätsgewinn führen zu einem entsprechend positiven Resümee der Client-Erneuerung: «Vermutlich war die Migration auf Windows 8 eines der besten Umstellungsprojekte, primär für unsere Verkaufsmannschaft», meint der Informatikverantwortliche Mulder. Allerdings sieht er sich, seine IT-Kollegen und die User noch nicht ganz am Ende des Migrationsprozesses. Zurzeit sind die Clients restriktiv konfiguriert. Dem User ist es beispielsweise untersagt, eigene Apps auf den Geräten zu installieren. Das könnte sich demnächst ändern, meint Kaifer. Dabei hat er allerdings nicht unbedingt eine Facebook-App im Sinn, vielmehr sollen die User künftig Apps mit Übersetzungsfunktion, zu medizinischen Themen oder zur Routenplanung laden dürfen – eben Anwendungen, die einen Bezug zur jeweiligen Arbeitstätigkeit haben. Weiter wird die IVF Hartmann zum Jahreswechsel eine für Windows 8 optimierte CRM-App von Pharmakon Software einführen.
5 Tipps zur Migration auf Windows 8
Aufgrund der Erfahrungen bei IVF Hartmann geben Stefan Kaifer und Edward Mulder Tipps, die Informatikverantwortlichen bei der Migration helfen können: 1. Mehrwert kommunizieren: IT-Erneuerungen müssen den Benutzern einen verständlichen Mehrwert bringen. Im Fall von Windows 8 profitieren der Verkauf und die Mobile Worker. Diese Personen sollten aktiv in das Projekt eingebunden werden. 2. Neue Hardware: Die Software-Umstellung mit einer Hardware-Erneuerung kombinieren. Dies führt zu einem wesentlich besseren Business Case, für die Anwender ist dies nur eine Umstellung. 3. Aufräumen: Im Rahmen der Umstellung kommen Altlasten hoch: veraltete Software, manuell installierte Software etc. Deshalb Infrastruktur und Serverumgebung überprüfen und gegebenenfalls aktualisieren. 4. Business einbinden: Benutzer aus Fachbereichen intensiv einbinden, in die Pflicht nehmen und sich Zeit für Testphasen nehmen. 5. Flexibel bleiben: Gegebenenfalls Anwendungen, die nicht unter Windows 8 lauffähig sind, mit App-V oder als Remote-App virtualisieren.
Das Projekt
IVF Hartmann AG ist Produzent medizinischer Verbrauchsgüter. Zu den Kunden zählen Spitäler, Alters- bzw. Pflegeheime, Ärzte, Apotheken etc. Die Aufgabe: Client-Erneuerung, Migration auf Windows 8 Umfang: Ca. 300 Clients, davon 120 Convertibles Am Projekt beteiligt: IT der IVF Hartmann Gruppe, Fujitsu Siemens, JevoTrust (NetInstall-Software-Verteilung), UMB (NetApp, Microsoft-Support) Software: Microsoft Windows 8, Microsoft App-V, NetApp, rund 130 individuelle Software-Pakete Projektdauer: Start mit der Lancierung von Windows 8 im Oktober 2012. Nach Pilot in der IT und Test mit 20 ausgewählten Usern über Pfingsten 2013 Umstellung der Hardware und Software.