PaaS 27.03.2013, 19:11 Uhr

Startvorteil für agile Unternehmen

Der grösste Nutzen von «Platform as a Service» liegt nicht nur im Senken der IT-Kosten, sondern darin, die Agilität der Unternehmen bei Eigenentwicklungen zu erhöhen.
Der grösste Nutzen von «Platform as a Service» liegt auch darin, die Agilität der Unternehmen zu erhöhen
Matthias Ziegler ist Leiter Cloud Computing DACH bei Accenture. Thomas M. Michelbach ist Leiter PaaS DACH bei Accenture. Von der Geschäftsidee zur Realisierung in drei Monaten: Tripdiscover nennt sich das «soziale» Reisetipp-Portal, das die Deutsche Telekom seit Dezember 2012 am Laufen hat. Das Konzept dahinter: Anhand von sechs Auswahlkategorien wie Wetter, Urlaubstyp, Reisezeit oder -destination, macht das Portal gezielte Reisevorschläge, bindet Facebook ein und verlinkt auch gleich auf Buchungsplattformen. Noch befindet sich das Portal im Beta-Stadium, aber die technische Infrastruktur steht. Ohne das Platform-as-a-Service-Ökosystem von Google App Engine wäre dies nicht in so kurzer Zeit möglich gewesen.
Neue Bedürfnisse, ein verändertes Konsumentenverhalten, Wirtschafts- und Währungskrisen und die Entwicklung neuer Märkte: Das Umfeld, in dem Unternehmen sich bewegen, ist heute äusserst volatil. Wettbewerbsentscheidend ist die Agilität, mit der Unternehmen neue Anforderungen analysieren und sich neu erfinden. Eine ebenso agile Unternehmens-IT ist dafür Voraussetzung. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Effizienz, Flexibilität, Innovation

Effizienz, Flexibilität, Innovation

Hier kommt Platform as a Service (PaaS) ins Spiel. Bei dieser Variante des Cloud Computing stellt ein Serviceprovider die Plattform zur Verfügung, die für die Entwicklung von Anwendungen notwendig ist. Er nimmt den Unternehmen Betrieb und Wartung der Hardware, Middleware und Datenbanken ab. Unternehmen zahlen nur, was sie nutzen. Deshalb ist PaaS sehr kosteneffizient. Das eigentliche Potenzial dieser Cloud-Lösung geht aber weit über die Kosteneffizienz hinaus: PaaS fördert ganz entscheidend die Agilität einer Organi­sation und lohnt sich somit insbesondere für diejenigen Geschäftsbereiche, die permanente Innovation, Flexibilität und Anpassung verlangen. Denn mit der Plattform aus der Cloud wird eine althergebrachte Herausforderung der IT überwunden: Der hohe Aufwand, den die In­frastruktur für die Anwendungsentwicklung mit sich bringt.
Ohne diese Bürde ist es dem Unternehmen möglich, sich ganz auf die Business-Ziele zu konzentrieren. Durch das Cloud-System sind die Entwickler zudem in der Lage, rund um den Globus gleichzeitig an der Anwendung zu arbeiten. Eben weil sich die notwendige Infrastruktur ohne grossen Aufwand aufsetzen lässt, können die Entwickler schnell und flexibel auf das Geschehen am Markt sowie auf die Wünsche der Konsumenten reagieren. Neue Business-Modelle, neue Märkte, neue Produkte und neue Strategien lassen sich mit PaaS deutlich leichter in verschieden grossen Nutzergruppen testen, anpassen, skalieren und eventuell auch wieder entfernen. Die begrenzten Kosten für einen solchen Testlauf machen es den Unternehmen möglich, eine Vielzahl von Experimenten zu starten. Innovative Ideen können sich schneller durchsetzen, Ansätze, die nicht funktionieren, ohne grosse Verluste gestoppt werden.
Insgesamt bietet PaaS damit das Potenzial, nicht nur die Innovationsfähigkeit der IT zu stärken, sondern auch die des gesamten Unternehmens. Das haben zahlreiche Start-ups auf der ganzen Welt gezeigt. Auch auf dem Schweizer Markt bieten globale PaaS-Anbieter wie Microsoft, Force.com oder Google ihre Dienste an. Es liegt nahe, einen Anbieter aus dem Business-Bereich zu wählen, für den eine Anwendung entwickelt werden soll, etwa Force.com für Komponenten auf Basis von Salesforce-CRM. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Anforderungen an PaaS

Anforderungen an PaaS

Die PaaS-Lösungen sollten einerseits so breit wie möglich genutzt werden, um möglichst viele Komponenten wiederzuverwenden (Re-Usability). Da aber über PaaS nicht alle Bedürfnisse eines Unternehmens abgedeckt werden, ist es andererseits genauso wichtig, diese mit vorhandenen Anwendungen zu verknüpfen. Insgesamt müssen Services aus der PaaS mit den Sicherheitsanforderungen, dem Daten-Handling, dem Usability-Level des Unternehmens sowie der Organisation von Business-Prozessen konsistent sein. Insbesondere in europäischen Ländern mit hohen Datenschutzanforderungen wie der Schweiz gilt es, diese Aspekte genau zu prüfen. Wo Lücken auffallen, wird die Unternehmens-IT diese mit eigenen Entwicklungen füllen müssen.

Exit-Strategien

CIOs sollten die Chancen und Risiken beim Einsatz von PaaS kennen und von Anfang an auch eine mögliche Exit-Strategie ins Auge fassen. Nicht alle Plattformen machen es ihren Kunden leicht, die Anwendungen und Services von der Cloud zurück auf die Unternehmensserver zu bringen. Wichtig ist hier, darauf zu achten, dass die entwickelten PaaS-Anwendungen möglichst unverändert auch im eigenen Rechenzentrum laufen können und Schnittstellen für den Export der Daten bereitgestellt werden. Eine weitere Option ist, die Anwendungen im eigenen Rechenzentrum zu Spitzenlast­zeiten durch Rechenleistung in der Cloud zu ergänzen, bei Normallast dann aber wieder herunterzufahren. Man spricht in diesem Zusammenhang von Cloud-Bursting. Lesen Sie auf der nächsten Seite: In ein bis zwei Jahren etabliert

In ein bis zwei Jahren etabliert

Obwohl PaaS schon lange im Gespräch ist, hat sich das Modell in der Schweizer Praxis noch nicht durchgesetzt. Im Gegensatz zu Infrastructure as a Service (IaaS) und Software as a Service (SaaS) birgt PaaS die Schwierigkeit, dass die Architektur der Anwendung entsprechend angepasst werden muss. SaaS-Lösungen sind dagegen meist stark Business-getrieben, bedeuten kaum Aufwand, lassen aber auch weniger eigene Innovation zu. IaaS kann zwar mit geringeren Veränderungen in der Anwendungsarchitektur genutzt werden, legt jedoch nur eine technische Grundlage und dient noch keinem konkreten Geschäftsziel. PaaS erfordert daher auch die Offenheit und Bereitschaft der Mitarbeiter, diese spezielle Form des Cloud Computing zu akzeptieren, zumal dabei die Abgabe von Kontrolle mit einem hohen Mass an Verantwortung verbunden ist. Die Freude am Experimentieren muss gegenüber der Angst vor dem Scheitern überwiegen. Es ist dennoch zu erwarten, dass sich die Nutzung von PaaS international wie in der Schweiz in ein bis zwei Jahren etabliert haben wird. Bereits heute setzen globale Unternehmen, etwa aus der Schweizer Pharmabranche, auf Entwicklung aus der Cloud, und beginnen gerade, für unternehmensinterne Anwendungen auf PaaS umzustellen.

Fazit: Volatilität fordert Agilität

Wie so viele Technologietrends überzeugt PaaS auf den ersten Blick mit seinem Potenzial zur Effizienz und zum Kostensparen. Die Lösung nur unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten, verkennt allerdings, wie nachhaltig sie zur Innovationsfähigkeit einer Organisation beitragen kann. Und dabei geht es nicht nur um IT: Mitarbeiter auf allen Ebenen sollten die Chance haben zu experimentieren, Ideen erfolgreich zu testen oder auch damit zu scheitern. Unternehmen, die solche Ansätze mit Technologien wie PaaS kostengünstig und flexibel ermöglichen, werden sich die Agilität erwerben, mit der sie auch in globalisierten, volatilen Zeiten Höchstleistungen erbringen können.


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