04.07.2011, 06:00 Uhr
Sparpotenzial SAP-Virtualisierung
Virtualisierungskonzepte versprechen mehr Effizienz und Flexibilität in der IT. Davon profitiert grundsätzlich auch der SAP-Anwendungsbetrieb – vorausgesetzt, das Zusammenspiel klappt und der Anwender weiss um den realen Nutzen.
Der Autor ist Gründer und Vorstand der VMS AG. Die Analysten sind sich einig: Unisono wird die Virtualisierung als allmächtiger Heilsbringer gefeiert, der die Kosten für Hardware und Energie dramatisch nach unten drückt. Propagiert wird damit ein naheliegender, keineswegs aber der wichtigste Aspekt einer Virtualisierung. Es stimmt schon: Der Umstieg auf eine virtualisierte IT-Umgebung für den SAP-Betrieb spart im Schnitt rund 10 Prozent der hardwarebezogenen Kosten gegenüber dem Eigen- oder Fremdbetrieb in dedizierter Serverumgebung. Dies wies bereits vor zwei Jahren eine Studie nach, die VMS im Auftrag von T-Systems erstellte. Das Hardware-Investment und die Kosten für den Hardware-Betrieb machen jedoch nur einen Bruchteil des Gesamtaufwands (TCO: Total Cost of Ownership) einer SAP-Lösung aus. Der weitaus gewichtigere Teil der potenziellen Einsparungen für den Anwender stammt aus der Dynamik und Flexibilität, die mithilfe der Virtualisierungstechniken im Betrieb gewonnen werden. Insbesondere Funktionen zum automatisierten Aufsetzen und zur Provisionierung von SAP-Instanzen oder Server-systemen versprechen deutliche Kostenreduktionen. Aber wie hoch ist diese und wodurch wird sie getrieben?
Wo wird gespart?
Zunächst: Das in traditionellen Betriebsumgebungen oftmals beobachtete Oversizing der Hardware oder Vorhalten zusätzlicher Serverkapazitäten für sporadisch anfallende Aktivitäten lässt sich vermeiden. Anstatt finanziell grossartig in Vorleistung zu treten, lassen sich ohne Aufwand Ressourcen umwidmen und einer bedürftigen Lösungskomponente neu zuweisen. Das spart wieder Hardware-Ressourcen. Dazu kommt, dass so Investitions-entscheidungen zeitnah zum realen Bedarf möglich werden, da sich neue Standardserver auf Intel- oder AMD-Prozessorbasis problemlos in das Ressourcen-Set einordnen. Fast noch wichtiger ist aber, dass Schulungs-, Entwicklungs- oder Testsysteme in einer virtualisierten Umgebung deutlich einfacher in Betrieb genommen werden können. Testdaten lassen sich bequem sichern und auf einfache Weise für neuerliche Testläufe wieder einspielen. Diese Punkte führen zum Beispiel zu Einsparungen im Change Management oder bei Upgrade-Projekten. In der Summe können diese grossen und kleinen Stellschrauben in einer abgestimmten Virtualisierungslösung zu rund 13 Prozent Einsparungen bei den Gesamtkosten führen, wie eine unserer aktuellen Studien zum Einfluss von Vblock auf ein von Cisco, EMC, VMware und SAP geschnürtes Virtualisierungspaket für den SAP-Betrieb nachweist.
Die technischen und ökonomischen Vorteile einer umfassenden Virtualisierung stellen sich allerdings weder automatisch ein, noch kommen sie in jedem SAP-Szenario zum Tragen. Jeder Anwender ist daher gut beraten, sich erst einmal kundig zu machen, wo die lohnenswerten Ansatzpunkte in seiner Anwendungslandschaft sitzen. Das TCO-Modell der SAP bietet in dieser Hinsicht eine vernünftige Orientierung, die unterschiedlichen Einflussfaktoren und Hebelwirkungen zu bewerten. Die Blöcke Hardware- und Software-Investitionen, Implementierung, kontinuierlicher Hardware- und Software-Aufwand, IT-Betrieb, Optimierungen und Upgrade-Projekte werden hierzu typischerweise unabhängig voneinander betrachtet.
Standardisierung inklusive
Schlüsselt man die einzelnen Kostenblöcke weiter auf, lassen sich einige grundlegende Vorteile identifizieren, die auf allen Ebenen direkt oder indirekt wirken. So wird mit einer abgestimmten Virtualisierungslösung quasi zwangsläufig eine Standardisierung eingeleitet und die Komplexität sowie Heterogenität aus der Infrastruktur entfernt. Insbesondere entfällt die Notwendigkeit, eigens Cluster-Systeme oder Backup-Lösungen für einen höheren Ausfallschutz zu erwerben. Vorkonfigurierte Templates der SAP-Systeme für den Betrieb, das Testen oder Training lassen sich schnell und einfach starten. Die Vereinheitlichung der Systemkomponenten hat den positiven Nebeneffekt, dass der finanzielle und personelle Wartungsaufwand sinkt. Zugleich mindert sich das Investitionsrisiko, da ohne Hardware-Wechsel unter der Virtualisierungsschicht problemlos weitere Ressourcen hinzugefügt werden können. Die dynamische Inbetriebnahme, Zuordnung und Herausnahme von Ressourcen erleichtert ausserdem die Administration. Die auf diese Weise identifizierten und bezifferten relativen Vorteile der einzelnen Kostenblöcke müssen dann noch in Bezug zum Einfluss der Komponente auf die realen Gesamtbetriebskosten (TCO) gesetzt werden, um die realen Sparpotenziale zu beziffern (siehe Tabelle). Beispielsweise ziehen Implementierung, Optimierungen und Upgrade-Projekte mit Abstand den grössten Nutzen aus der Virtualisierung. Ihr Einfluss auf die SAP TCO bewegt sich allerdings eher in mittleren Grössenordnungen. Die mit Abstand grösste Kostenposition im Anwendungsbetrieb – das Application und System Management – profitiert dagegen in verhältnismässig geringem Masse von einer Virtualisierung.
Wer profitiert am meisten?
Unter dem Strich ziehen in erster Linie SAP-Umgebungen mit dynamischen Leistungsanforderungen einen hohen Nutzen aus Virtualisierungstechniken. Bei der Einführung darf jedoch nicht ausser Acht gelassen werden, dass man sich damit eine weitere Schicht in der technischen Grundausstattung einhandelt. Dadurch werden zusätzliche Skills für den Betrieb erforderlich. Insbesondere in grösseren Installationen muss das reibungslose Zusammenspiel mehrerer Virtualisierungstechniken – etwa im Speicher- und Serverbetrieb – garantiert sein. Ansonsten droht die Gefahr, dass sich die Hersteller bei Problemen gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Eine Zertifizierung der Produkte untereinander wie bei Vblock ist daher essenziell. Ebenso bleibt Sizing ein Thema, da Virtualisierung als zusätzliche technische Ebene ihren Tribut fordert und bis zu 20 Prozent der verfügbaren Ressourcen frisst. Zu beachten ist weiterhin, welche organisatorischen Vorkehrungen zu treffen sind, um nicht unversehens über juristische Fussangeln zu stolpern, etwa wenn gesetzliche Bestimmungen im Bankensektor dedizierte Server erzwingen.
Fazit: Genau abwägen
Virtualisierung ist fraglos ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Industrialisierung des SAP-Betriebs. Unternehmen sind allerdings gut beraten, die Vorteile in Sachen Dynamik und Flexibilität realistisch abzuwägen. Fraglos entfernt die Virtualisierung erst einmal Komplexität aus Aufbau und Management der technischen Infrastruktur. Weiterreichende Einsparungsmöglichkeiten scheitern jedoch an der SAP-Lösung selbst – sowohl aus systemtechnischer als auch anwendungstechnischer Sicht. So verlangt die interne Struktur des SAP-Anwendungsservers einen neuen Boot-Zyklus, um dynamisch zugewiesene Speicherressourcen tatsächlich zu nutzen. Dieses Manko wird sicherlich in den kommenden 12 bis 18 Monaten ausgemerzt. Noch Zukunftsmusik ist dagegen der dynamische Bezug einzelner Anwendungsservices, wie ihn einst SOA (Service Oriented Architecture) in Aussicht stellte.