04.04.2014, 08:56 Uhr

Punktesystem gegen ratlose IT-Berater

Kunden erwarten von einem externen Berater, dass er mit Know-how aus der Patsche hilft, egal, wo gerade das Problem liegt. IT-Dienstleister müssen also Expertenwissen zu vielen Bereichen auf Abruf bereitstellen können. Wie lässt sich das bewerkstelligen?
IT-Dienstleister müssen Expertenwissen zu vielen Bereichen auf Abruf bereitstellen können. Wie lässt sich das bewerkstelligen?
Der Autor ist als COO für die operative Führung des SwissQ-Geschäftsbereichs Consulting (Business Units Testing und Requirements Engineering) verantwortlich. Heute reicht es als Beratungsunternehmen nicht mehr aus, gute Mitarbeitende einfach nur zu rekrutieren. Dieses «Firmenkapital» muss auch aktiv gefördert, gefordert und gepflegt werden. Das Beratungshaus muss sich quasi zum Think Tank weiterentwickeln, damit der Kunde vom geballten Wissen des gesamten Unternehmens und aller Mitarbeitenden profitieren kann. Dazu müssen sich die Berater im Einklang mit der Unternehmensstrategie nicht nur kontinuierlich weiterbilden und weiterentwickeln, mindestens genauso wichtig ist es, dass sie ihr Wissen auch untereinander austauschen. Wie lässt sich dieses «Know-how-Sharing» fördern? Eckpfeiler des Wissensmanagements Bei SwissQ haben wir einen Weg gefunden, die Mitarbeiterweiterbildung und -weiterentwicklung sowie das Thema «Wissen weitergeben» für das Unternehmen und die Mitarbeitenden gleichermassen interessant zu machen. Wissen wird innerhalb der Firma vernetzt und die Unternehmensvision zusammen mit den Mitarbeitern nach aussen getragen. Die Kunden profitieren vom Netzwerk jedes einzelnen Mitarbeiters. Keiner ist als «Einzelmaske» unterwegs. Das firmeninterne Wissensmanagement baut dabei auf folgenden Eckpfeilern auf: - Interessierte Mitarbeitende, - ein Ausbildungs-/Weiterentwicklungskonzept - sowie ein Anreizsystem für die Weiterbildung und Wissensweitergabe. Die richtigen Mitarbeitenden Die richtigen Mitarbeiter zu finden, ist für alle Unternehmen essenziell. Wir suchen ganz konkret Personen, die unsere Unternehmensvision weitertragen können. Welche Ausbildungen möglich und nötig sind, wird in einem Ausbildungskonzept definiert. Der Stand der Weiterentwicklung – vom Consultant über den Senior Consultant bis zum Principal Consultant – ist auch Thema der regelmässigen Mitarbeiter­gespräche. Das richtige Anreizsystem Um dieses Fördern und Fordern kontinuierlich sicherstellen zu können, haben wir das «PDU-System» (Personal Development Unit) ent­wickelt. In Anlehnung an die PDU-Methode des Project Management Institute (www.pmi.org), werden von den Mitarbeitern PDU-Punkte in zwei Bereichen gesammelt: Ausbildung & Networking (AN): Eine investierte Stunde entspricht grundsätzlich 1 PDU. Wissen weitergeben (WW): Hier werden der Vorbereitungsaufwand sowie die externe Relevanz berücksichtigt. Je nach Senioritätsstufe ist im Laufe des Jahres eine unterschiedliche Anzahl an PDU-Punkten zu sammeln: Consultant: 50 Punkte, wovon 9 Punkte aus dem Bereich «Wissen weitergeben» stammen müssen. Senior Consultant: 60 Punkte, wovon 10 Punkte aus dem Bereich «Wissen weiter­geben» stammen müssen. Principal Consultant: 70 Punkte, wovon 40 Prozent aus dem Bereich «Wissen weiter­geben» stammen müssen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wissen als Jahresziel Wissen als Jahresziel Ab dem Level «Senior Consultant» wird ein variabler Lohnbestandteil ausbezahlt. Dieser ist direkt an erreichte Ziele gebunden, ein Teil davon sind vorgegebene PDU-Punkte. Dank dieses Systems ist die Weiterbildung sichergestellt. Jeder Mitarbeiter muss sich weiterbilden, ansonsten ist die Zielerreichung gefährdet. Die Art der Ausbildung kann allerdings variieren. Während Consultants eher eine klassische Wissensvermittlung brauchen, bevorzugt ein Principal Consultant vielleicht eher eine Weiterbildung im Rahmen eines Networkings. Das Wissen kann in Kursen, an Konferenzen und Events oder im Selbststudium angeeignet werden (vgl. Beispiel rechts). Wichtig ist, dass ein gewisser Mix vorhanden ist. Vorteile des PDU-Systems Das PDU-System fördert die Eigeninitiative bei der Weiterentwicklung, berücksichtigt aber trotzdem die Unternehmensvision. Der interne Wissensaustausch wird eingefordert, ohne dass Top Down eine explizite Anordnung («Du musst nun dies, dann, dort erzählen») erfolgen muss. Der Mitarbeitende entscheidet selbst, welche Möglichkeiten er nutzt, um sein Wissen zu teilen. Das Wissen versteckt sich so nicht nur in den Köpfen Einzelner, sondern wird untereinander geteilt und ist damit allen zugänglich. In unseren Kernkompetenzen, Requirements Engineering und Testing, wollen wir auch extern als kompetent wahrgenommen werden. Externe Wissensvermittlung gibt entsprechend mehr PDU-Punkte. Die Mitarbeiter werden auf diese Weise in die Unternehmenskommunikation mit eingebunden. Zudem werden aufgrund des PDU-Systems die Anforderungen an Senioritätsstufen messbarer. Vom Senior Consultant erwarte ich, dass sich ein Spezialgebiet herauskristallisiert. Vom Principal Consultant erwarte ich, dass er zum Leuchtturm wird – sowohl intern als auch extern. Das PDU-System zeigt, ob dem so ist. In der Rekrutierung dient es als wichtiges Instrument, um den Kandidaten zu zeigen, dass Weiterbildung nicht nur ein schönes Wort ist, sondern auch effektiv gelebt wird. Motivation von Innen und Aussen Ist der spielerische Ansatz, Punkte zu sammeln, dafür der richtige? Offensichtlich sind wir nicht die Einzigen, die im Bereich Wissensmanagement und Mitarbeiterweiterentwicklung auf spielerische Elemente setzen. Bis 2015, so schätzt Gartner, werden 40 Prozent der «Global 1000»-Organisationen in der Mitarbeiterweiterentwicklung «Gamification» einsetzen. Dieser Ansatz ist auch unter dem Begriff «Engagification» bekannt (zusammengesetzt aus «Employee Engagement» und «Gamification»). Für Wissensarbeiter sind gemäss der gängigen Theorie vier Faktoren wichtig: herausfordernde Arbeit, Anerkennung, Verantwortung und Selbstbestimmung. Das PDU-System deckt alle vier ab. Die Weiterentwicklung wird zum Job­inhalt und ist der Unternehmensvision angelehnt. Ist es sinnvoll, das PDU-System mit der Zielbeurteilung zu verknüpfen? Theoretiker wie Dank Pink, Autor des Bestsellers «Drive: The Surprising Truth About What Motivates Us», sagen, eine von aussen, etwa durch den Vorgesetzten gesteuerte, extrinsische Motivation könne sich sogar negativ auf die Performance auswirken. Als Beratungsunternehmen gehen wir davon aus, dass vor allem der Bereich «Wissen weitergeben» Jobinhalt sein muss. Mit der Zieldefinition via PDU ist dies explizit messbar. Zudem dient das System als Hilfsmittel bei der Rekrutierung, um die richtigen Mitarbeiter zu finden und diese auch richtig einstufen zu können. Die PDUs als Ziele erzeugen Druck auf die Mitarbeitenden, das ist richtig. Wir wollen aber gerade, dass sich die Mitarbeiter dem Unternehmen verbunden fühlen und sich im Sinne des Unternehmens engagieren. Lesen Sie auf der nächsten Seite: positive Rückmeldung Fazit: Positive Rückmeldung Bei SwissQ haben wir unser PDU-System Ende 2012 eingeführt – mit erfreulichen Ergebnissen: Fast alle Mitarbeiter haben 2013 ihre Ziele erreicht. Auch das Feedback ist positiv. Geschätzt wird vor allem die Freiheit, selbst entscheiden zu können, welche Schwerpunkte gesetzt werden. Als Beratungsunternehmen konnten wir uns noch stärker als Think Tank mit einem funktionierenden internen Netzwerk positionieren und dies dank PDU-System auch entsprechend untermauern. Unsere Kunden schätzen die transparente Art und Weise, wie wir damit umgehen. Und sie schätzen einen verlässlichen Partner, der im Fall einer Projektschieflage intern genügend Wissen hat, um schnell Unterstützung zu leisten. Beispiel: PDU-Sammlung eines Mitarbeiters Im Bereich «Ausbildung & Networking» (AN): - Besuch einer zweitägigen Ausbildung: 14 PDU- Besuch von Vorträgen im Rahmen von Konferenzen oder Vortragsreihen während der Arbeitszeit (9 bis 17 Uhr): 2,5 PDU- Besuch von Vorträgen im Rahmen von Konferenzen oder Vortragsreihen aus­serhalb der Arbeitszeit: 7 PDU- Aktive Teilnahme an einer Interessensgruppe in direktem Zusammenhang mit der eigenen Tätigkeit bei SwissQ: 2 PDU- Selbststudium ausserhalb der Arbeitszeit: 5 PDU Im Bereich «Wissen weitergeben» (WW): - Halten eines Vortrags im Rahmen von Konferenzen oder Vortragsreihen (extern): 10 PDU- Halten eines Vortrags bei SwissQ (intern), z.B. am Roundtable: 10 PDU- Schreiben eines Artikels zu einem der Kernthemen von SwissQ (z.B. Agil, Test und RE): 10,5 PDU- Schreiben eines Blog-Beitrags auf der SwissQ-Webseite: 18,5 PDU Das ergibt total 79,5 PDU, davon 49 PDU im Bereich «Wissen weitergeben».


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