Projektmanagement 11.04.2014, 09:20 Uhr

Wie aus Problemen keine Krisen werden

Vom Berliner Flughafen bis zu Insieme: Dass Projekte in eine Krise geraten können, wissen wir alle. Weil man Neuland betritt, sind Überraschungen die Norm, nicht die Ausnahme. Wie lässt sich ver­hindern, dass aus einem Problem eine handfeste Krise wird?
Wie lässt sich ver­hindern, dass aus einem Problem eine handfeste Krise wird?
Der Autor ist Geschäftsführer der Sciforma GmbH. Prinzipiell können in jedem Projekt kritische Situationen auftreten. Es kommt darauf an, diese rechtzeitig zu erkennen und zu lösen, damit sie den Erfolg des Projekts gar nicht oder nur marginal beeinflussen. Prekärer wird die Lage dann, wenn kritische Situationen in immer kürzeren Zeitabständen auftreten. Es kommt darauf an, diese rechtzeitig zu erkennen und zu lösen, damit sie den Erfolg des Projekts gar nicht oder nur marginal beeinflussen. Prekärer wird die Lage dann, wenn kritische Situationen in immer kürzeren Zeitabständen auftreten. Mitunter gipfeln diese dann in einer ausgewachsenen Krise, die im schlimmsten Fall das ganze Projekt zum Scheitern zu bringen droht. So zum Beispiel beim Berliner Flughafen: Dort verschieben sich die Fertigstellungs­termine um Jahre und die Kosten steigen um etliche Milliarden Euro. Einer der Kardinalfehler des Projekts: Es gab keine aktualisierten und transparenten Projektpläne, an denen sich Status und Fortschritt des Projekts hätten ablesen lassen. Zumindest wurden vorliegende Erkenntnisse nicht kommuniziert und vom Management auch nicht für die weitere Planung berücksichtigt. Das Resultat dieser Intransparenz: kein Reagieren, kein Gegensteuern – die beste Grundlage für eine drohende Projektkrise.
Eine Krise kann sich jedoch auch unvermittelt einstellen, etwa, wenn ein einzelnes unvorhergesehenes Ereignis eintritt, das für die Beteiligten nicht antizipierbar war, aber dennoch eine grosse Tragweite hat. Hier können auch politische oder wirtschaftliche Ereignisse eine Rolle spielen, etwa der Zusammenbruch der Neuen Märkte oder die Finanzkrise. Oft tritt eine elementare Projektkrise auch erst gegen Ende eines Projekts auf, da dann – bedingt durch Termin- und Budgetüberschreitungen – der Erfolgsdruck steigt. Laut einer Gallup-Studie kommen je nach Branche und Berichtszeitraum 50 bis 87 Prozent aller untersuchten Projekte entweder gar nicht zum Abschluss oder die Projekte können ihre terminlichen, budgetären und qualitativen Zielvorgaben nicht einhalten.

Gründe für Projektkrisen

Die Gründe für eine Projektkrise sind sowohl systemischer als auch individueller Natur, dazu zählen zum Beispiel:
  • Die Zielformulierungen des Auftraggebers sind generalistisch gehalten, erscheinen unklar und klammern Detailvorgaben weit­gehend aus. Der Auftraggeber kommt seiner Informationspflicht nur unzureichend nach, was die Planungssicherheit beeinträchtigt.
  • Das technische Anforderungsprofil ist überambitioniert oder gar utopisch.
  • Politische Forderungen seitens der Unternehmensführung sowie des Vergabe- und Vertragsmanagements beeinflussen Planung und Ablauf.
  • Die Budgets werden aus vergabetaktischen Gründen zu eng kalkuliert, zeitliche, per­sonelle und finanzielle Puffer werden möglichst klein gehalten.
  • Die Projektplanung erfolgt nicht mit der nötigen Tiefe und Detailakribie. Je länger und intensiver die Planungsphase ist, desto weniger Probleme treten in der Durchführung auf.
  • Inkompetenz von Planungsstab und Projektleitung.
  • Durch Personalressourcenmangel werden Mitarbeiter parallel in mehreren Projekten eingesetzt (Multi-Tasking-Effekt), es gibt einen Kontinuitätsverlust.
  • Das Netz von Zulieferern und Subunternehmern ist unübersichtlich, es entstehen Dependenzen, durch die Organisationsabläufe schwerer planbar werden. In Krisensituationen führt dies zur Delegierung von Verantwortlichkeiten.
  • Permanent wechselnde und sich akkumulierende Anforderungen im Änderungswesen verwässern die Ziele und demotivieren die Projektmitarbeiter.
  • Ein engmaschiges Qualitäts- und Risiko­management wird aus zeitlichen oder budge­tären Gründen vernachlässigt.
  • Mitarbeiterwechsel, vor allem auf Leitungsebene, führen bei längeren, komplexen Projekten zu Brüchen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Kommunikation & Transparenz

Kommunikation & Transparenz

Projektintern – insbesondere bei komplexen Aufgabenstellungen – ist eine geeignete Projektmanagement-Software praktisch unumgänglich. Die PM-Lösung ist essenziell, um Transparenz über den Projektverlauf zu gewinnen, die erreichten Milestones zu verifizieren, aber auch, um die eingestellten Zeit- und Ressourcenpuffer und die Einhaltung des Budgets zu überwachen. Von dieser Transparenz profitiert der einzelne Projektleiter ebenso wie das Management, das einen Überblick über das gesamte Projektportfolio seines Unternehmens braucht. Es gehört darum zu den wesentlichen Aufgaben aller Projektleiter, ihre Pläne so ak­tuell wie möglich zu halten, damit das Frühwarnsystem in Form einer Projekt- und Port­foliomanagementlösung auch funktioniert. Dabei ist es sinnvoll, die späteren Projektmit­arbeiter schon in der Planungsphase zu involvieren. Denn auf diese Weise wird das Projekt zu einem Teil «ihr» Projekt. Die Mitarbeiter geben ein Commitment ab, wodurch bereits die Planungsdaten realistischer werden. Die Verantwortlichen auf Ebene der Projektleitung, der Portfolioplanung und der Geschäftsführung brauchen zwingend die Transparenz und die Informationen, die – ihrer Rolle entsprechend – für fundierte Entscheidungen erforderlich sind. Zugleich muss das Projekt­management die Kommunikation und Verständigung auf allen Ebenen schärfen. Für beides schafft eine zentrale Projektmanagement­lösung die Voraussetzung. Einige PM-Lösungen unterstützen die rollen- und rechtekonforme Versorgung mit Informationen auch dadurch, dass Lizenzen nur für diejenigen Nutzer nötig sind, die selbst mit dem Tool planen und Daten einpflegen. Für diejenigen, welche die Informationen nur einsehen müssen, Mitglieder des Managements etwa, ist der Zugriff kostenlos.

Ressourcen- oder Termintreue?

Was den Planungsansatz betrifft, fällt die Entscheidung oft zwischen zwei prinzipiellen Varianten: ressourcentreue oder termintreue Planung. Vor diese Alternativen gestellt, entscheiden sich viele Projektleiter für den termintreuen Ansatz, weil sie glauben, so mehr Kontrolle über den Projektfortschritt zu erhalten. So naheliegend diese Überlegung auch scheint, sie ist mitunter trügerisch. Wer eine mögliche Überbelastung seiner Ressourcen, also der involvierten Mitarbeiter, ausblendet, setzt sich ebenso der Gefahr von Projektkrisen aus. Denn steht die Ressource nicht im ein­geplanten Umfang zur Verfügung, werden sich Termine notwendigerweise verschieben. In der Regel ist man gut beraten, die Unwägbarkeiten des Projektverlaufs als den Normalfall zu betrachten. Wer sich auf die Möglichkeit von Problemen einstellt und sich schon im Vorfeld Gedanken über Lösungsansätze macht, für den werden sich einzelne Probleme im Projekt auch nicht zur handfesten Krise auswachsen. Steht etwa ein einzelner eingeplanter Projektmitarbeiter nicht zur Verfügung, ist das noch keine Krise. Bei manchen längerfristigen Projekten ist die Ressourcenplanung ohnehin mit einer gewissen Unschärfe behaftet. Wer weiss schon, ob ein Mitarbeiter mit bestimmten Fähigkeiten, der als Ressource für einen Projektabschnitt in zwei Jahren vorgesehen ist, sich dann überhaupt noch im Unternehmen befindet? Mitunter suggeriert hier die Software für die Projektplanung eine falsche Verlässlichkeit, wenn sie eine Ressourcen­planung nur auf namentlicher Ebene gestattet, statt diese auch auf Stellen- oder Abteilungsebene zu erlauben. Oft ist es besser, zum Beispiel für den Projektabschnitt in zwei Jahren, zehn Java-Programmierer aus einer bestimmten Abteilung vorzusehen, als sie auch schon namentlich benennen zu wollen. Das A und O, um Krisen im Projekt zu vermeiden, das heisst, um Problemsitua­tionen so frühzeitig zu identifizieren, dass man ihnen wirkungsvoll begegnen kann, liegt in der regelmässig aktualisierten Projektplanung. Die Analysen, die eine gute Projekt- und Portfolio­managementlösung für den Projektleiter, den Portfolioplaner und das Management liefert, sind wie das Radar des Flugkapitäns: Sie machen den Blick auf die Flugbahn sehr viel klarer und sicherer. Lesen Sie auf der nächsten Seite: 3 Fallbeispiele
Projekte in der Krise: 3 Fallbeispiele
! KASTEN !
! KASTEN !
! KASTEN !
! KASTEN !
EADS im Leichtigkeitswahn
Auch der grosse Konkurrent aus Europa, der Airbushersteller EADS, blieb von den Folgen des Leichtigkeits-trends nicht verschont. Mehr als Hundert Millionen US-Dollar kostete EADS alleine der Umbau von 4000 Halteklammern in den Flügeln des A380. Man hatte hierzu eine extrem leichte Metalllegierung eingesetzt, die jedoch wegen fehlender Dichte kleine Haarrisse in den Flügeln verursachte. Der Gewichtsunterschied zwischen herkömmlichen und neuen Klammern betrug 90 kg – bei einem maximalen Startgewicht des neuen Fliegers von 590 Tonnen.
Pannenflughafen
Zuletzt noch das Beispiel des neuen Berliner Grossflughafens «Willy Brandt». Wie die journalistischen Recherchen im Anschluss an die mehrmaligen, kostspieligen Verschiebungen des Eröffnungstermins ergaben, sind für die Pannen zahlreiche Versäumnisse verantwortlich, die den Verantwortlichen bei der Planung und Durchführung des BER-Projekts unterlaufen waren. Allein schon das Vorhaben, die ca. 300 in das Vorhaben involvierten Firmen unter Verzicht auf einen Generalunternehmer koordinieren zu wollen, erwies sich als eine enorme logistische, aber auch kommunikationstechnische Aufgabe, die nur unzureichend gelöst wurde. Wenn technische Leitung, Geschäftsführung und Mitglieder des Aufsichtsrats beklagen, sie seien gar nicht oder zu spät über
bestehende Probleme informiert worden, weist dies deutlich auf einen der Kernpunkte für das Phänomen Projektkrise hin: mangelnde Transparenz.


Das könnte Sie auch interessieren