18.06.2012, 10:00 Uhr

Office aufs Tablet

Gerade in der Schweiz sind iPads unter Geschäftsleuten weitverbreitet. Nur fürs Business taugen die mobilen Devices noch nicht so recht. Wie kann die IT die dringend gebrauchte Business-Software am besten auf dem Tablet servieren?
Wie kann die IT die dringend gebrauchte Business-Software am besten auf dem Tablet servieren?
Der Trend «Bring Your Own Device» ist in der Schweiz längst Realität. Das suggerieren zumindest aktuelle Studien. Eine Erhebung der Technologieberatung Avanade offenbart allerdings, dass die Nutzung privater Hardware am Arbeitsplatz zwar oft gestattet ist, mit dem Einsatz der iPads fürs Business ist es aber offensichtlich noch nicht so gut bestellt: Die Schweizer Mitarbeitenden nutzen ihre persönlichen Geräte in 91 Prozent der Fälle lediglich zum Lesen und Schreiben von E-Mails. Business-Applikationen wie CRM oder ERP sind jeweils nur auf jedem fünften Mobilgerät (18 Prozent) zu sehen.

Virtualisierter Desktop

Wie kann die IT-Abteilung ihren Anwendern die mobile Business-Software am besten zugänglich machen? Einen gangbaren Weg eröffnet die Desktop-Virtualisierung. Citrix Receiver respektive VMware View sind hier die beliebtesten Lösungen. Wie auf einem Selbstbedienungsportal kann jeder Anwender auswählen, auf welche Business-Applikationen er – zum Beispiel auf seinem iPhone-Bildschirm – Zugriff hat. Gleichzeitig behält die IT-Abteilung die Kontrolle über die Software, denn via mobiler App wird lediglich eine für das jeweilige Endgerät angepasste Ansicht präsentiert. Citrix lässt dem Anwender dabei die Wahl der Plattform (aktuell wird nur Windows Phone nicht unterstützt). VMware beschränkt sich im Mobilbereich auf Android und Apples iPad. Mühsam indes: Der Client muss über den jeweiligen App Store manuell bezogen werden, eine Software-Verteilung in heterogenen Umgebungen ist so gut wie unmöglich. Weitere beschränkende Faktoren der Vir­tualisierungslösungen sind hohe Lizenzkosten und die Notwendigkeit einer sicheren Anbindung ans Unternehmensnetzwerk. Beispielsweise muss der CIO für die Enterprise Edition von VMware View rund 150 US-Dollar (circa 137 Franken) pro Arbeitsplatz kalkulieren. Für den sicheren Zugriff auf die Firmeninfrastruktur ist ein VPN (Virtual Private Network) üblich, das ebenfalls hohe Kosten verursacht und die Performance beeinträchtigt. Und: Hundertprozentig sicher ist auch das nicht, wie Heinz Ehrsam, Geschäftsführer des Systemhauses Avatech, erläutert: «VPN ist wie ein abgedichtetes Rohr. Liegt auf der Unternehmensseite oder beim Client zum Beispiel eine Malware-Infektion vor, wird der Erreger schlimmstenfalls auch sicher übertragen.» Eine Reinigung sei dann ausgesprochen aufwendig, weil immer alle Bereiche gesäubert oder zumindest untersucht werden müssten. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Eine Alternative Das Volketswiler Unternehmen offeriert mit seiner Access-Lösung G/On eine Alternative. Das Produkt liegt auf einem verschlüsselten USB-Stick, lässt sich per Adapter aber auch am iPad betreiben. Auch ein Rechner im Internetcafé soll als Client ausreichen, verspricht der dänische Hersteller Giritech. Grundlage ist das patentierte EMCADS (Encrypted Multipurpose Content and Application Deployment System): Dabei findet die Kommunikation zwischen G/On-Server und -Client mit 256-Bit-AES-Verschlüsselung über TCP und HTTP 1.1 statt. Damit sollen keine Änderungen an der IT-Infra­struktur erforderlich sein.
Für Markus Tschan, Leiter Systemtechnik der Ausgleichskasse des Kantons Bern (AKB), waren die tiefen Systemvoraussetzungen ein Grund für die Wahl von G/On. Während die 52 grösseren Filialen direkt via Mietleitung mit dem Hauptsitz in Bern verbunden sind, blieb den rund 170 kleineren Zweigstellen früher die Onlineeinbindung verwehrt. Informationen mussten via Fax, Post oder Telefon übertragen werden. Diese Umwege erspart Tschan seinen Kollegen nun. AKB-Systemtechniker Stefan Plattner: «Die Pilotinstallation dauerte lediglich einen Tag. Das kantonsweite Rollout benötigte von der Planung bis zum Abschluss knapp einen Monat.»

Business-Apps aus der Cloud

Noch schneller eingerichtet ist ein Konto bei einem Cloud-Provider. Die Software kommt dann aus dem Web auf den Client – sei es ein Android-Tablet, ein Thin-Client oder ein Windows Phone. Allerdings sind Cloud-Lösungen natürlich nicht für jeden Einsatzzweck praktikabel. Indes meint Forrester-Analystin Sheri McLeish, dass zum Beispiel Office im Browser durchaus eine Bedeutung im Geschäftsbereich hat. Onlineapplikationen wie Google Docs, das gleichnamige Angebot von IBM oder Microsofts Office Web Apps könnten – zusätzlich zu einem Desktop-Produkt – gute Dienste leisten. Wenn etwa ein Verkäufer auf dem Weg zum Kunden bemerkt, dass sich ein Fehler in seine Präsentation eingeschlichen hat, kann er sie per Editor im Safari-Browser schnell noch auf dem iPad korrigieren und sich so die Rückkehr an den Arbeitsplatz ersparen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Windows 8 im Testbetrieb

Windows 8 im Testbetrieb

Wer sich künftig für ein Tablet mit Windows 8 entscheidet, braucht keine Office-Lizenz mehr. Microsoft liefert für die Fingerbedienung optimierte Versionen von Excel, OneNote, PowerPoint und Word gratis mit aus – wie schon heute auf Windows Phone. Diese Apps taugen dem Software-Riesen zufolge ebenfalls für einfache Kalkulationen, Dokumentationen und Korrekturen. Für umfangreiche Projektberichte dürften die Programme aber kaum geeignet sein. Zudem gibt es auch hier Compliance- und Sicherheitseinschränkungen: Ein Bank-CIO wird keine Freude daran haben, wenn vertrauliche Kundendaten via Dropbox auf das Windows-Tablet geschleust werden. Ein grosses Manko der Windows-8-Beta ist die fehlende Testversion für ARM-Tablets. Auf dem Desktop kann das Betriebssystem munter geprüft werden, für Unternehmen attraktive Szenarien mit Tablets lassen sich aber nicht ohne Weiteres simulieren. An dem Missstand wird sich vor dem antizipierten Verkaufsstart im Herbst voraussichtlich auch nichts ändern. Jedoch drängt die Zeit: Bis der XP-Support endet, sind es nicht einmal mehr zwei Jahre – zu wenig für gross angelegte Migrationen.
Mit Wechselgedanken befasste IT-Abteilungen oder auch Entwickler haben zum Beispiel mit der App «Win8 Metro Testbed» des Herstellers Splashtop die Möglichkeit, die aktuelle Beta von Windows 8 auf dem iPad zu testen. Gemäss dem Spezialisten für Remote Desktop Software handelt es sich dabei nicht um eine reine Darstellung des Systems, sondern um einen Fernzugriff. Mit einer Rate von 60 Bildern pro Sekunde verspricht «Win8 Metro Testbed» flüssige Nutzung von Systemfunktionen und Anwendungen. Auch ist die Metro-Oberfläche voll funktionsfähig und erkennt alle spezifischen Steuerungsgesten. Denkbar sind so etwa Windows-8-Pilottests in den Fachbreichen. Da das iPad dort längst angekommen ist, sind dafür nicht einmal Hardware-Investitionen notwendig – nur Pilot-Anwender, die bereit sind, mit ihren iPads am Testbetrieb teilzunehmen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Adressen, E-Mails und Termine

Adressen, E-Mails und Termine

Am allermeisten nutzen die Anwender ihre mobilen Devices jedoch zur Kommunikation und Terminverwaltung: Neun von zehn Anwendern greifen auf E-Mails vom Privatgerät aus zu – teils über das persönliche Webmail-Postfach. Wer auf dem Dienstweg keine Zugriffs­erlaubnis bekommt, hilft sich selbst mit einer Outlook-Regel. Dafür sind häufig nicht einmal Administratorrechte erforderlich. Den CIOs, die letzlich für die Sicherheit der Unternehmen verantwortlich sind, macht das zunehmend Probleme. Für die Missbilligung des IT-Sicherheitsbeauftragten haben die Betroffenen jedoch kaum mehr als ein müdes Lächeln übrig. Wer sich aber das Recht erkämpft, via iPhone auf sein Exchange-Konto zugreifen zu dürfen, muss zwar fortan mit der voreingestellten PIN-Abfrage leben. Dafür kann dann aber zumindest die dienstliche E-Mail nicht missbraucht werden, wenn das Smartphone im Café vergessen wird. Ein schwacher Trost für die IT-Abteilung, die mit «Bring Your Own Device» alle Kontrolle zu verlieren droht. Dabei schauen die grossen IT-Konzerne auch noch tatenlos zu: Apple sperrt sich gegen rudimentäre Sicherheitsmechanismen wie Malware-Schutz, Google versäumt es, den Android-Wildwuchs zu stutzen und provoziert damit Sicherheitsprobleme. Microsoft schliesslich verpasst, sich mit dem neusten System Center 2012 der Realität zu stellen. Denn die beliebtesten Mobilgeräte bei den Endanwendern – iPad, iPhone und Android – werden nur über Umwege unterstützt.


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