02.10.2013, 09:25 Uhr
Leichtes Gepäck für den Aussendienst
Seit wenigen Monaten sind rund 560 Berater der Swiss Life nicht mehr mit einem Notebook, sondern mit dem iPad zu den Kunden unterwegs. Dieser Wechsel prägt so ziemlich jeden Aspekt der Kundenberatung – und er verändert auch die Gesprächskultur an sich. Computerworld sprach mit den Verantwortlichen über Motive, Reaktionen und Resultate.
Berater der Swiss Life sind neu mit einem iPad zu den Kunden unterwegs. Welche Änderungen das mit sich bringt
Thorsten Schneidewind ist Stabschef des Aussendienstes und verantwortlich für den Einsatz des iPads im Aussendienst der Swiss Life in der Schweiz. Warum deren Mitarbeiter heute mit Tablet statt Notebook unterwegs sind, begründet er so: «Ziel war, dass der Swiss-Life-Berater den Kunden in Zukunft mit einer freien Hand begrüssen kann. Das Notebook war uns auch deshalb ein Dorn im Auge, weil es zwischen dem Berater und dem Kunden eine unfreundliche Mauer errichtet.» Hinzu kam der Wunsch, sich nach aussen als modernes, aufgeschlossenes Unternehmen zu präsentieren: «Wir benötigten einen frischen strategischen Beratungsansatz. In der Geschäftsleitung wurden die Anforderungen intensiv diskutiert. Schlussendlich entschied man sich für eine Abkehr von den Notebooks im Kundengespräch.» Die Gespräche beim Kunden verlaufen dadurch deutlich anders. Das iPad zeigt dem Berater nicht nur die Kundendaten; auch Broschüren, Formulare und Verträge stehen auf Abruf bereit und ersparen ihm die Last, Papier und Elektronik durch die Gegend zu tragen. Vor allem wird stets mit aktuellen Zahlen gearbeitet – im Versicherungsgeschäft ein Muss, weil sich Konditionen und Rahmenbedingungen jederzeit ändern können. Prospekte wurden weitgehend durch PDF-Dateien ersetzt, die jetzt zentral mit einem CMS (Content Management System) verwaltet und via Push auf die iPads übertragen werden. Die einzelnen Module lassen sich auf dem Tablet zusammenstellen, sodass der Berater seinem Kunden eine Präsentation auf den Leib schneidern kann. Die Pflege des CRMs und die administrativen Arbeiten werden jedoch weiterhin in einer klassischen Windows-Umgebung mit dem Notebook erledigt. Die Abkehr vom Papier hat laut Schneidewind auch Kosten gespart: «Wenn eine Agentur mit den neusten Unterlagen auf Papier versorgt wird, belaufen sich die Ausgaben auf eine fünfstellige Summe pro Jahr. Durch die Digitalisierung konnten die Print-Auflagen deutlich gesenkt werden.» Lesen Sie auf der nächsten Seite: Entwicklung & Implementierung
Entwicklung & Implementierung
Für die App-Entwicklung wurde eine schlanke Struktur nach der agilen Vorgehensmethode «Scrum» aufgebaut. Peter Stampfli, bei Swiss Life für IT-Architektur und Innovation im Privatkundengeschäft verantwortlich, erklärt den Ansatz: «Die Daten waren im CRM bereits vorhanden und können über Webservices abgerufen werden. Bei der iPad-App handelt es sich also einfach um eine weitere Sicht auf die bestehenden Informationen, Services und Prozesse.» Dass bei der Umsetzung der App auf Apples iOS und nicht auf Android gesetzt wurde, hat pragmatische Gründe: Das iPad war aufgrund der höheren Verbreitung ganz einfach der interessantere Kandidat. Eine Portierung auf Android wird zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, doch zuerst geht es nun darum, die Investitionen in die iOS-Version zu schützen. Bei so gravierenden Änderungen muss mit Widerstand gerechnet werden – sowohl bei den IT-Mitarbeitern als auch bei den Aussendienstlern. Stampfli: «Wir haben das Projekt natürlich eingehend mit unseren IT-Mitarbeitern diskutiert. Einer der wenigen Diskussionspunkte drehte sich um die Frage, ob es wirklich eine native iOS-App braucht, oder ob eine reine HTML-5-Lösung nicht der bessere Weg wäre. Uns war jedoch von Anfang an klar, dass wir auf einen hybriden Ansatz mit einem nativen Kern und dynamischen HTML-5-Inhalten setzen müssen. Denn eine App, die nicht absolut flüssig läuft, deren Benutzung keinen Spass macht und die nicht eine gewisse Coolness vermittelt, wird nicht benutzt. Mit den dynamischen Elementen stellen wir sicher, dass wir ohne App-Auslieferung schnell auf Produktanpassungen reagieren können.» Für die Zukunft hält man sich trotzdem alle Optionen offen, da die native App lediglich über Webservices mit den nicht-redundanten Inhalten aus dem CRM gespeist wird. Zudem wurde die Lösung so entworfen, dass dieselbe App mit reduziertem Funktionsumfang auch für Vertriebspartner im öffentlichen App-Store verfügbar ist.
Von Anfang an akzeptiert
Einwände von Mitarbeiterseite gab es laut Schneidewind keine: «Die Vorzüge der neuen Arbeitsweise waren so offensichtlich, dass die Akzeptanz nie ein Problem war.» Grund dafür ist sicher auch, dass der Umgang mit dem neuen Medium aktiv gefördert wird. Das iPad darf zudem privat genutzt werden, optional auch mit einem grösseren Speicher, damit mehr Musik, Fotos und Videos abgelegt werden können. Die Mitarbeiter bezahlen lediglich den
Aufpreis zur Basisversionen aus der eigenen Tasche. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Sicherheitsaspekte
Aufpreis zur Basisversionen aus der eigenen Tasche. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Sicherheitsaspekte
Sicherheitsaspekte
Die Authentifizierung und Übermittlung wird über eine HTTPS-Verschlüsselung abgewickelt. Ausserdem befinden sich alle Daten auf dem iPad in einem zusätzlichen, verschlüsselten Container. So lassen sie sich auch dann nicht kompromittieren, wenn das Apple-Gerät einem Jailbreak unterzogen oder anderweitig angegriffen wird. Als ergänzende Massnahme kommt für die internen Geräte eine Devices- und Apps-Management-Plattform (Mobile Iron) zum Einsatz, mit der Benutzerprofile erstellt werden können. Die Software bestimmt, welche Apps von welchem Mitarbeiter verwendet werden können. Sollte es zum Schlimmsten kommen – das Gerät kommt in die falschen Hände –, lässt es sich aus der Ferne löschen. Ausserdem können die aktuellen Inhalte, Dokumente und Formulare via Push übertragen und für die Offline-Anwendung gespeichert werden. Die persönliche Nutzung des Geräts wird dagegen nicht eingeschränkt. So lassen sich die Interessen der Firma und des Mitarbeiters in Einklang bringen.
Reaktionen der Kunden
Auch die Resonanz bei den Kunden fiel durchwegs positiv aus. Thorsten Schneidewind kennt bis heute nur einen einzigen Fall, bei dem das iPad auf Ablehnung gestossen ist. Denn im Gegensatz zu Papier zeigt das Gerät stets die aktuellen Daten der Versicherten, passt die Leistungen dynamisch an und blendet aus, was nicht benötigt wird. Dadurch werden komplexe Prozesse für den Kunden transparent gemacht – und das mit einer Dynamik, die auf herkömmlichem Papier undenkbar ist. Nachdem alle Daten erfasst wurden, unterschreibt der Kunde mit einem Stift direkt auf dem iPad. Anschliessend kann der Berater den Antrag als geschütztes PDF per E-Mail übermitteln. Swiss Life will an diesem neuen Konzept auf jeden Fall festhalten. «Wir erhalten über die eingebaute Feedback-Funktion jeden Tag neue Ideen und Änderungswünsche, mit denen der Prozess weiter optimiert werden könnte», sagt Schneidewind. «All diese Ideen werden im Gremium diskutiert und gegebenenfalls implementiert. Vor allem aber zeigen die regen Diskussionen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.» Lesen Sie auf der nächsten Seite: Das Projekt
Das Projekt: Mobility für den Aussendienst
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Erfolgsrezepte: Ein Schwerpunkt lag von Anfang an auf dem modernen Erscheinungsbild und der Usability – zwei entscheidende Voraussetzungen, dass die App von den Nutzern akzeptiert wird. Auch die enge Zusammenarbeit mit den Anwendern war von zentraler Bedeutung.
Wichtig ist auch die Definition, welche Prozesse und Daten dynamisch gehandhabt werden müssen. Zwar lassen sich auch später noch Änderungen vornehmen, doch die wollen gut überlegt sein, denn jedes neue Release in Apples App Store ist nicht nur aufwendig, sondern dauert auch seine Zeit.
Zudem muss genügend Zeit für die Entwicklung eingeplant werden. Wichtig sind hier eine vorgängige «rollenspezifische» Ausbildung sowie die Begleitung des Prozesses durch einen erfahrenen Coach.
Zudem muss genügend Zeit für die Entwicklung eingeplant werden. Wichtig sind hier eine vorgängige «rollenspezifische» Ausbildung sowie die Begleitung des Prozesses durch einen erfahrenen Coach.
Der direkte Einbezug des Top-Kaders hilft ausserdem dabei, das Projekt in die gewünschte Richtung voranzutreiben.