Social Media 15.07.2013, 09:00 Uhr

Wie lässt sich Nutzen beweisen?

Auch Schweizer Unternehmen «facebooken» und «zwitschern» kräftig mit ihren Kunden, manche beobachten auch den Erfolg ihrer Aktivitäten genau. Einen nachweisbaren, geldwerten Nutzen aus Social Media erzielen jedoch nur die wenigsten.
Auch Schweizer Unternehmen sind im Social-Web aktiv. Einen nachweisbaren, geldwerten Nutzen daraus erzielen jedoch nur die wenigsten
Oliver Schön ist Leiter Competence Area Digital Strategy; Dr. Tim Fischer ist Managing Consultant;  Dr. Goetz Viering ist Senior Consultant bei Capgemini Consulting in Offenbach.
Schweizer Unternehmen stehen Social Media grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber: Zwei von drei Firmen nutzen hierzulande Facebook, Twitter & Co. für kommerzielle Zwecke, wie eine Umfrage des Beratungsunternehmens Bernet und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) ergab (vgl. «Social Media 2013»). Rund die Hälfte verfügt für Social-Media-Aktivitäten auch über ein eigenes Budget. Allerdings ist laut Studie eine genauso grosse Gruppe skeptisch, was den konkreten Mehrwert betrifft und schätzt, dass der Aufwand höher ist als der damit verbundene Nutzen. Social Media konkurriert unternehmensintern mit den klassischen Bereichen wie Marketing, HR und Customer Care um Budgets. Personalressourcen, Agenturkosten, Instrumente und Software müssen bei Budgetverhandlungen regelmässig neu begründet werden. Bereits erwiesen ist, dass Reichweitenmessungen von Social Media nicht ausreichen, um den Erfolg einer Kampagne nachzuweisen. Der konkrete Wertbeitrag von Social-Media-Aktivitäten und damit der geldwerte Nutzwert, insbesondere bei nicht-monetär messbaren Aktivitäten oder Kampagnen, bleibt oft unklar. Damit ist eine Budgetrechtfertigung allerdings schwierig. Die Unternehmen brauchen daher ein Instrument, das nicht-monetäre Mess- und Erfolgsgrössen in ein vergleichendes, monetäres Gefüge an Kennzahlen überführt.

Reichweite ist nicht alles

Die Management- und Strategieberatung Capgemini Consulting hat in einer explorativen Studie ermittelt, in welchen Fällen sich Erfolge monetär belegen lassen. Als Basis für ein Kategorienschema samt Indikatoren wurden seit Sommer 2012 über 150 Fallbeispiele gesammelt, in denen Markenunternehmen über ihre Vorgehen berichten. Insgesamt stammen diese von über 100 Unternehmen mit bis zu 450000 Mitarbeitern und Sitz in 10 verschiedenen Ländern.
Die aus der Studie gewonnenen Indikatoren dienen als Messwert für den Erfolg – angelehnt an Ergebnisse, die Spitzenreiter pro Kategorie erreichen. So ergeben sich Best-in-Class-Referenzen in allen Kategorien, die dann als Benchmark genutzt werden. Insgesamt leitet die Studie zwölf Kategorien ab, die zeigen, in welchen Bereichen ein Unternehmen überhaupt in Social Media aktiv ist (vgl. Grafik rechts). Auch lässt sich ablesen, welchen Reifegrad das jeweilige Unternehmen pro Bereich und im Vergleich mit der gesamten Stichprobe erreicht. Da der Erfolg jeweils in eine Erfolgsgrösse überführt wird, ist es zum Beispiel möglich, eine HR-Personalakquisekampagne auf Facebook mit einer Twitter-Couponing-Aktivität der Marketingabteilung zu vergleichen. Die 19 Fallbeispiele aus der Schweiz konnten nur 10 der 12 Kategorien zugeordnet werden.Mit dem Segmentieren von Kundengruppen auf der Basis von Social Media und der Nutzenmessung von interner Kommunikation tut man sich hierzulande offenbar noch schwer. Im Vergleich mit den globalen Unternehmen zeigt sich aber, dass hiesige Organisationen die Bedeutung des Monitorings von Social Media durchaus erkannt haben. So gilt die Migros für das Monitoring des Unternehmensnamens sowie der eigenen Marken und Produkte als Best-Practice-Beispiel. Der Detailhändler baute eine Monitoringabteilung auf, in der das Unternehmen und die Marke konstant online getrackt werden. Die Migros-Spezialisten analysieren darüber hinaus auch noch die Organisationen und Personen dahinter, sodass sich abgestimmte Massnahmen entwickeln lassen. Das Monitoring entfaltet sein volles Potenzial allerdings erst, wenn es auch die Beiträge in den Social-Media-Kanälen der Kunden, Lieferanten und Wettbewerber sowie möglicher neuer Markteintritte einschliesst. Nur so entsteht ein vollständiges Bild. Einerseits können Negativkommentare dann früh erkannt und Gegenmassnahmen initiiert werden. Andererseits trägt die vernetzte Sicht dazu bei, Kundenpräferenzen und Trends sowie Entwicklungen bei Lieferanten oder Wettbewerbern frühzeitig zu erkennen. So weit sind aber erst die wenigsten Schweizer Firmen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wert von Monitoring

Wert von Monitoring

Wie die Studie gezeigt hat, setzen die Unternehmen aktuell auf drei unterschiedliche Bewertungsansätze, die alle Vor- und Nachteile haben: Die quantitative Messung zählt schlicht bestimmte Werte (z.B. Visitors, Likes etc.). Sie ist leicht verständlich, besitzt aber nur sehr eingeschränkte Aussagekraft. Die Veränderungsbetrachtung feststehender Erfolgsgrössen in Korrelation zum Social-Media-Einsatz (z.B. Umsatzentwicklung während einer Kampagne) ist zwar eine verständliche Messgrösse, kann jedoch Fremdeinflüsse nicht ausschliessen. Die fokussierte Wertbetrachtung mithilfe von KPIs für einen spezifischen Bereich liefert zwar sehr genaue, nahe an der Entstehung ermittelte Ergebnisse. Weil diese aber so spezifisch sind, ergeben sie kein ganzheitliches Bild.

Viel Kommunikation, wenige Leads?

Fast die Hälfte (42%) der Fallbeispiele aus der Schweiz finden sich im Bereich Kommunikation. Daneben steht insbesondere das Recruiting im Fokus. Beispielsweise nutzt der Industriekonzern ABB Facebook, um sein Employer Branding zu verbessern. Dabei wird konstant der Erfolg der zugrundeliegenden Massnahmen gemessen. Innerhalb eines Jahres konnte das Unternehmen den Facebook-Indikator «People Talking About This» signifikant verbessern. Dies ist ein Hinweis darauf, dass ABBs Facebook-Aktivitäten zum Employer Branding in der Community verstärkt aufgegriffen werden. Jedoch lassen sich allgemein sowohl bei der Marktkommunikation als auch beim Recruiting kaum Hinweise auf Kosteneinsparungen durch den Einsatz von Social Media finden. Die Notwendigkeit einer Präsenz haben die Unternehmen erkannt, allerdings müssen sie bei den Aktivitäten auch auf potenzielle Einsparungen hinarbeiten. Ausgaben vermeiden lassen sich zum Beispiel durch die aktive Ansprache von potenziellen Mitarbeitern über Social-Media-Kanäle direkt aus dem Unternehmen selbst statt durch eine externe Personalberatung. Im Bereich Kundendienst/After-Sales lässt sich der Nutzen von Social Media belegen und in Kosteneinsparungen umrechnen. Die hohe Anzahl von Fallbeispielen zeigt, dass Unternehmen dieses Potenzial heben wollen und dies auch für Schweizer Unternehmen an Bedeutung gewinnt. So hat beispielsweise die Swisscom eine Support Community namens «Swisscom Care» aufgebaut. Diese unterstützt die Kunden kostenlos bei technischen Problemen mit ihrer Telekommunikationsinfrastruktur. Hier werden 96 Prozent der Anfragen beantwortet, zu grossen Teilen durch andere Kunden und nicht durch Swisscom-Mitarbeiter. Damit sinken die Handling-Kosten von Kundenanfragen. International gesehen konnten der Lead-Generierung die meisten Fallbeispiele zugeordnet werden – für viele Unternehmen der zentrale Nutzen ihrer Social-Media-Aktivitäten. Für die Schweiz liessen sich indes nur wenige Fallbeispiele finden. Unter anderem verzeichnete Logitech einen überraschenden Verkaufserfolg bei Webcams, nachdem ein Mädchen in einem lustigen YouTube-Video ihre Kamera vorgestellt hatte und dieser Film mehr als 3 Millionen Mal angeklickt wurde. Vier Logitech-Webcams waren zwischenzeitlich unter Amazons meistverkauften elektronischen Produkten. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Nur ein Kostenblock?

Nur ein Kostenblock?

Social Media wird in vielen Unternehmen noch als reiner Kostenblock gesehen, dessen Wertbeitrag gering geschätzt wird. Die Rechtfertigung der Abteilungen, die Social Media nutzen – oder nutzen wollen –, fällt daher schwer. Das liegt an einer einseitigen Sichtweise und der zu engen Nutzung, kombiniert mit fehlenden quantitativen Nutzenbewertungen. In der Schweiz sind Unternehmen heute insbesondere auf das Monitoring von Social Media fokussiert und gehen noch nicht den nächsten Schritt über das reine Zielgruppen-Monitoring hinaus. Es fehlt an definierten Zielgrössen, die zwischen Abteilungen verglichen werden können. Ferner fehlt es an Vergleichsgrössen, um die richtigen Kennzahlen in Bezug zum Erfolg zu setzen. Hier sollten sich Unternehmen nach Partnern umsehen, die klare Benchmarks aufzeigen können und Erfolgsbeziehungen untereinander herstellen. Ansatzpunkt sind die im Benchmarking ermittelten zwölf Dimensionen und das Aufstellen eines strukturierten Bewertungsrahmens im Unternehmen. Dadurch lässt sich der Einsatz besser kontrollieren sowie steuern und das grosse Potenzial von Social Media endlich heben.


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