11.10.2013, 08:47 Uhr

Kundenbedarf richtig planen

Kreditinstitute, die den Bedarf ihrer Kunden kennen, sind auch in der Lage, zum richtigen Zeitpunkt das richtige Produkt zum richtigen Preis anzubieten. Dank moderner IT-Systeme können die Berater antizipieren, wie ein Angebot aussehen muss, das der Kunde wahrscheinlich annehmen wird.
Der Autor ist Director Consulting bei Fico. Eine gesunde und profitable Kunden­beziehung setzt eine vertiefte Kenntnis der Bedürfnisse des Kunden voraus. Dabei geht es nicht nur darum, den aktuellen Bedarf richtig einzuschätzen. Es geht auch darum, mit Weitblick künftige wirtschaftliche Entwicklungen in die Kalkulation einzubeziehen. Denn eine erfolgreiche Kundenbeziehung setzt voraus, dass der Kunde ein zusätzliches Angebot, zum Beispiel ein weiteres Darlehen, nicht nur annimmt, sondern auch verein­barungsgemäss bedienen kann. Anstatt da­rüber nachzudenken, wie man den Kunden richtig ansprechen könnte, sollten deshalb zuerst Überlegungen im Mittelpunkt stehen, wie das ideale Angebot speziell für diesen Kunden auszusehen hat. Voraussetzung dafür ist ein intelligentes Kundenmanagement. Dieses basiert unter anderem auf der Analyse, an welchem Punkt im Kundenlebenszyklus sich ein Kunde gerade befindet und welche Produkte er wahrscheinlich braucht.

Blick durch die Kundenbrille

Vielfach stehen bei den Kreditinstituten noch die Produkte im Vordergrund. Der umgekehrte Weg ist jedoch erfolgversprechender: die Anpassung der Angebote und Marketing­massnahmen an den Kunden, seine Situation und seine Bedürfnisse. Die notwendigen Informationen dazu muss ein intelligentes Kundenmanagementsystem zur Verfügung stellen. Wichtig ist dabei nicht nur eine laufende Überwachung der Kundenbeziehung, sondern auch die Bereitstellung moderner Analyse- und Prognosemethoden (Predictive Analytics). Mithilfe eines solchen Systems ist es möglich vorherzusagen, mit welcher Wahrschein­lichkeit zu welchem Zeitpunkt ein Kunde an einem neuen Produktangebot interessiert sein könnte. Bei dieser Vorgehensweise steht also nicht die Frage im Zentrum, wie viele Kunden eines bestimmten Segments ein Angebot annehmen werden. Es geht vielmehr darum zu hinterfragen, welches Angebot am besten zu diesen Kunden passen. Konkret: Welche Produkte sollen welchem Kunden mit welcher Priorität angeboten werden? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er das Angebot akzeptiert? Welche zusätzlichen Produkte wird er wahrscheinlich zeitnah benötigen? Und wann werden welche Vertriebs- und Kommunika­tionskanäle von ihm genutzt? Lesen Sie auf der nächsten Seite: für Jeden das richtige Angebot

Für Jeden das richtige Angebot

Um massgeschneiderte Angebote für jeden einzelnen Kunden erstellen zu können, muss das Kundenmanagementsystem alle Daten zu einem Kunden, aus allen Geschäfts- und Produktbereichen, quer über sämtliche Applikationen und Kommunikationskanäle hinweg, auswerten können. Eine Grundvoraussetzung dafür ist die Auflösung von Datensilos, die Vernetzung von Systemen und die Anpassung von Prozessen. Auf diese Weise ist eine 360-Grad-Sicht auf die gesamte Kundenbeziehung möglich. Es ist deshalb unabdingbar, dass das System auch mit den Systemen für Forderungsmanagement und Betreibung vernetzt ist. Denn nur wirklich integrierte Systeme erlauben vernetzte Entscheidungen und Optimierungen über den gesamten Kunden­lebenszyklus hinweg. Durch die Bündelung wertvollen Wissens kann ausserdem vermieden werden, dass zum Beispiel einem Kunden, der bereits Zahlungsschwierigkeiten hat, ein Passivprodukt angeboten wird. Mit modernen Verfahren lässt sich zu­sätzlich feststellen, welche konkrete Aktion die höchsten Erfolgsaussichten verspricht und daraus eine optimale Strategie zu ent­wickeln. Als Ergebnis kann für jeden einzelnen Kunden festgelegt werden, wie das auf seine persön­lichen Bedürfnisse abgestimmte, massgeschneiderte Angebot auszusehen hat.

Mit Weitblick planen

Will man auf lange Sicht innerhalb des bestehenden Kundenstamms erfolgreich sein, sollte man den Kunden nicht nur aufgrund seiner aktuellen Situation und seiner Historie, sondern auch bezüglich seiner künftigen wirtschaftlichen Perspektiven beurteilen. Schliesslich wird ein Kunde nur zufrieden und für die Bank profitabel bleiben, wenn er die notwendigen Voraussetzungen erfüllt, um in Zukunft zusätzlichen Verpflichtungen nachzukom-men – wie der Bedienung eines weiteren Kredits (Credit Capacity). Bei der Beurteilung der Perspektiven spielt neben den persönlichen Voraussetzungen des Kunden auch die Entwicklung der Gesamtwirtschaft eine Rolle. Diese kann das künftige Verhalten des Kunden beeinflussen. Es ist deshalb empfehlenswert, nicht nur eine Auswertung der historischen Daten, sondern auch zukunftsbezogener Daten zur Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (z.B.  BIP oder Arbeitslosenquote) in die Prognosemodelle und Entscheidungsstrategien mit einfliessen zu lassen Lesen Sie auf der nächsten Seite: Geschäftsziele ausbalancieren

Geschäftsziele ausbalancieren

In der Praxis lässt sich beobachten, dass neue Strategien zur Kundenansprache häufig anhand weniger einfacher Ad-hoc-Regeln auf­gestellt werden und Kampagnen nicht auf die Gesamtstrategie abgestimmt sind. Als problematisch bei der Abstimmung der Kampagnen auf die Geschäftsziele erweist sich häufig die Tatsache, dass einzelne Geschäftsziele in Konkurrenz zueinander stehen, und regulatorische Vorschriften die Komplexität zusätzlich erhöhen. Mit moderner Software fürs Entscheidungsmanagement kann diese Aufgabe jedoch gelöst werden. Denn diese Systeme erlauben es, die Zielvorgaben unterschiedlich zu gewichten und Zielkonflikte, wie sie beispielsweise zwischen dem Ziel «Ertragssteigerung» und dem Ziel «Risikominimierung» bestehen, auszubalancieren. Dabei werden sowohl interne Restriktionen, beispielsweise die Kapazitäten des Vertriebs­teams, als auch externe Restriktionen wie regulatorische Vorgaben in die Betrachtungen mit einbezogen und entsprechend modelliert. Im Zentrum einer Software, die solche Konflikte lösen kann, steht ein komplexes Entscheidungsmodell, das in eine Analyse- und Simulationsanwendung eingebettet ist. Abgestimmt auf das betreffende individuelle Portfolio lassen sich die Auswirkungen von Entscheidungsparametern wie Kreditbetrag und Zins auf Mess­grössen wie Aktivierungsrate, Kundenfluktuation und Ertrag bewerten. Damit fliessen die Beziehungen sämtlicher Einflussfaktoren in die Bewertungen mit ein. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise optimale Strategien für die Kreditvergabe im Einklang mit den individuellen Geschäftszielen entwickeln. 

Fazit: Individualisierung ist Trumpf

In den vergangenen Jahren wurde viel darüber geschrieben, dass der Kunde in den Mittelpunkt gestellt werden sollte. Mittlerweile gibt es intelligente Systeme fürs Customer Management, die es in Verbindung mit leistungsstarken Predictive Analytics erlauben, diesen Ansatz gezielt umzusetzen. Dabei wird für jeden einzelnen Kunden ein massgeschneidertes Angebot generiert und der gesamte Kundenlebens­zyklus sowie die künftigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Optimierungs-Tools für das Entscheidungsmanagement ermöglichen es, im Einklang mit den Geschäftszielen die Strategien zu optimieren. Auf der Basis der hieraus gewonnenen Informationen lassen sich jedem einzelnen Kunden zu gegebenem Zeitpunkt individualisierte Angebote unterbreiten. Eine solche Vorgehensweise fördert nachweislich Kundenzufriedenheit wie Kundenbindung und verringert im Gegenzug die Abwanderungsrate.


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