06.05.2013, 11:05 Uhr
Auf allen Kanälen
Die isolierte Betrachtung einzelner Vertriebskanäle muss durch ein kanalübergreifendes Cross Channel Management abgelöst werden. Denn die gut informierten Kunden von heute treffen ihre Kaufentscheidung auf allen Kanälen.
Die isolierte Betrachtung einzelner Vertriebskanäle muss durch ein kanalübergreifendes Cross Channel Management abgelöst werden
Roger Fuhrer ist Technical Product Manager für Cross-Channel & Portal Development bei Swisscom. Der Beitrag ist eine Zusammenfassung der Masterarbeit von Roger Fuhrer im Rahmen der Executive-Weiterbildung an der Fachhochschule St. Gallen. Dr. Uwe Heck hat als externer Referent und Lehrbeauftragter die Arbeit betreut.
Obwohl der Stellenwert von E-Commerce laufend zunimmt, bleiben die physischen Shops auch in absehbarer Zukunft die wichtigste Anlaufstelle für Konsumenten. Das gilt insbesondere für den Kaufabschluss und für die Nachkaufphase. Eine repräsentative Umfrage der Universität St. Gallen unter rund 500 Internetnutzern in der Schweiz hat dies unter Beweis gestellt (vgl. Grafik 1). Allerdings zeigt die Studie auch, dass in der Phase vor dem Kauf die Informationsgewinnung per Internet überwiegt.
Kunden von heute wechseln in den verschiedenen Phasen des Kaufprozesses immer häufiger zwischen den Kanälen. Das stationäre Geschäft und der Onlineshop besitzen im Wettbewerb um den Kunden die grösste strategische Bedeutung. Auch andere Kanäle wie Telefon-Hotlines und Kataloge spielen jedoch nach wie vor eine Rolle. Insbesondere in der Nachkaufphase nutzen Kunden zum Beispiel die telefonische Kontaktaufnahme relativ häufig. Für das Unternehmen ist es daher wichtig zu verstehen, welche Relevanz die einzelnen Kanäle in den verschiedenen Kaufphasen aufweisen. Eine isolierte Umsatzbetrachtung der einzelnen Kanäle würde dazu führen, dass die Wirkung der Kanäle nicht korrekt eingeschätzt wird. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Das ROPO-Phänomen
Das ROPO-Phänomen
Vor einem Kauf im stationären Ladengeschäft findet zwar immer öfter eine Informationssuche im Onlineshop oder allgemein im Internet statt, gekauft wird aber mehrheitlich trotzdem noch im Ladengeschäft. Für dieses heute typische Kaufverhalten hat sich das Akronym ROPO (Research Online, Purchase Offline) etabliert. Das «Pre-Shopping» im Internet ist deshalb ein zentraler Aspekt bei der ganzheitlichen Betrachtung von Online- und Offline-Kanälen. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Effekt durch die Popularität des mobilen Internets noch deutlich verstärkt.
Ein Grossteil der Konsumenten nutzt das Internet, um Produkte zu finden, um Funktionen, Beschreibungen und Preise zu vergleichen oder um Anbieter und Fachhändler zu lokalisieren. Warum die Konsumenten den Artikel dann doch lieber im Laden kaufen, obwohl dieser direkt im Onlineshop verfügbar wäre, hat eine Studie von Google untersucht (vgl. Grafik 2). Der am häufigsten genannte Grund: Die Kunden wollen den Artikel zuerst sehen oder anfassen. Die sofortige Mitnahme ist ein weiteres Argument, im Vergleich mit dem «Anfassen des Produkts» aber schon weit weniger wichtig. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Zwang zur Veränderung
Zwang zur Veränderung
Hauptaufgabe des Cross Channel Managements ist die kanalübergreifende Koordination des Kaufprozesses auf Kundenseite sowie die operative Abstimmung auf Anbieterseite. Unternehmen sind erfolgreicher, wenn sie mit Kunden und Stakeholdern medienübergreifend konsistent interagieren. Hierfür müssen die Geschäftsprozesse optimiert werden. Cross Channel Management verknüpft Kommunikation, Commerce, Organisation und Automation in einem durchgängigen Konzept. Basis ist die Entwicklung einer Cross-Channel-Strategie, die von allen involvierten Kanälen getragen und umgesetzt wird. Das Operationalisieren der Strategie kann sich über mehrere Projekte erstrecken und ist teilweise mit beachtlichen Investitionen in die IT verbunden. Die Bewältigung der notwendigen Veränderungen im Unternehmen erfordert daher auch ein professionelles Changemanagement. Entscheidender Erfolgsfaktor ist dabei ein kompetentes Controlling, welches das Multichannel-System realitätsgetreu abbildet. Etwa sollten kanalübergreifende Effekte wie das ROPO-Verhalten messbar gemacht werden und in die KPIs (Key Performance Indicators) einfliessen. So sind Zielvorgaben möglich, die für die Mitarbeitenden in den jeweiligen Kanälen die richtigen Anreize schaffen. Dabei muss ein gewisses Mass an Kannibalisierung der verschiedenen Kanäle untereinander akzeptiert werden. Die Umsatzverschiebung ist jedoch mit Wettbewerbswachstum und Steigerung des Kundenwerts mehr als auszugleichen. Customer Relationship Management (CRM) und Cross Channel Management sind untrennbar miteinander verbunden. Obwohl der Markenauftritt und die Preisgestaltung vieler Unternehmen weitgehend harmonisiert sind, besteht in der kanalübergreifenden und konsistenten Kommunikation mit dem Kunden oftmals grosser Nachholbedarf. Die Kundenkommunikation steht im direkten Zusammenhang mit der Integration der Distributionskanäle. Die Verknüpfung der Kanäle ist Voraussetzung, um die Erwartungen der Konsumenten von morgen erfüllen zu können. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Mobile schlägt die Brücke
Mobile schlägt die Brücke
Mobile Endgeräte sind das Bindeglied zwischen der Online- und der Offline-Welt. Sie ermöglichen dem Konsumenten, sich gleichzeitig in beiden Welten zu bewegen. Der Kunde kann beispielsweise mit dem Smartphone die Produkte in einem Laden mit Angeboten anderer Anbieter vergleichen. Damit nimmt das Mobile Business eine Brückenfunktion im Cross Channel Management wahr und erweitert das E-Business um zusätzliche Mehrwerte. Der mobile Nutzer ist fast an jedem Ort und zu jeder Zeit erreichbar. Durch Lokalisierung, Identifizierung oder Personalisierung lassen sich kontextbezogene und massgeschneiderte Inhalte aufbereiten. Die Suche im Internet ist bereits der Einstieg in den Kaufprozess und muss auch als solcher verstanden werden. Intuitive Bedienbarkeit, schnelle Ladezeiten mobiler Webseiten sowie Datensicherheit und Kostentransparenz im Bestellvorgang sind hier die Erfolgsfaktoren. Mit dem Bedürfnis, Preise über mobile Endgeräte zu vergleichen, überträgt sich die Preistransparenz aus dem Internet zunehmend in den physischen Shop. Damit dehnt sich das ROPO-Verhalten auch auf das mobile Internet aus. Es entsteht ein dringender Bedarf für mobil-optimierte Webseiten. Aufgrund der Informationsbedürfnisse der Kunden und der Relevanz der Informationssuche im Kaufprozess hat das Bereitstellen von Informationen über Produkte oberste Priorität, eine Kauffunktion steht erst an zweiter Stelle. Mit einem schlanken Mobil-Portal zu starten und dieses iterativ zu erweitern, ist damit ein vielversprechender Ansatz.