Banken
05.01.2012, 07:12 Uhr
Der Kampf um Kunden an der IT-Front
Finanzunternehmen müssen sich am virtuellen Kundenschalter, im Betrieb und im regulatorischen Umfeld immer neuen Aufgaben stellen. Die IT ist dabei matchentscheidend.
Hierzulande buhlen sechs Kernbankenanbieter um die Gunst von 320 Kreditinstituten. Dominiert wird der Markt von zwei Unternehmen: Avaloq und Finnova. Sie kommen zusammen auf einen Marktanteil von 50 Prozent und sind grösste Treiber bei Innovationen – sei es im Front Office, bei den Kernsystemen oder im Risikomanagement. Diese drei Bereiche sind gemäss einer Umfrage des Beratungsunternehmens Capgemini auch die wirksamsten Hebel beim Optimieren von IT-gestützten Geschäftsprozessen im Bankensektor: 90 Prozent der befragten 35 Führungkräfte in Schweizer Banken erwarten von dieser Dreierkombination mehr Qualität im operativen Geschäft.
Internetcafé zur Kundenbindung
Die Erwartungen an verbesserte Prozesse im Front Office sind durchaus realistisch, wie Beispiele illustrieren. Sandy Carter, «Evangelistin» für Social Business bei IBM, zitiert in diesem Zusammenhang den Manager einer Bank in Singapur. Dessen Institut habe ein Handy-Spiel lanciert, mit dem Kinder das Sparen lernen. Darin ist überall das Logo der Bank zu sehen. Das Unternehmen verzeichne seit dem Start der Mobilkampagne eine signifikant höhere Anzahl Kontoeröffnungen für die Acht- bis Zwölfjährigen, führt Carter aus. Um die Heranwachsenden bei der Stange zu halten, müsse die Bank aber mit anderen Mitteln als mit Kinderspielen arbeiten. Neu wurden in den Filialen zum Beispiel Kaffeelounges mit WLAN installiert, sodass die jungen Kunden nach dem Abschluss ihrer Bankgeschäfte auch noch ihre E-Mails abrufen können. So lockt die Bank mehr Kunden in ihre Niederlassungen. Handy-Offerten sind laut der IBM-Expertin eines der stärksten Kundenbindungsinstrumente. Sie müssen allerdings in die Gesamtstrategie des Unternehmens integriert werden. Für einen Verkäufer ist zum Beispiel äusserst nützlich, ständig eine automatisch generierte Agenda parat zu haben, die sich an den Ort anpasst, an dem er sich gerade aufhält. Diese informiert über bevorstehende Termine und führt auf, welche lokalen Fachkollegen verfügbar sind. Wenn der Kunde Spezialfragen stellt, lassen sich die Experten einfach hinzuziehen. Im Hause IBM ergibt sich laut Carter allein durch diese mobile Anwendung eine Produktivitätssteigerung von elf Stunden pro Kundengespräch. Positiven Einfluss auf die Kundenzufriedenheit erwarten Banken auch vom Engagement in den neuen Medien. Eine Umfrage des Beratungshauses Steria Mummert unter 60 Managern aus Finanzunternehmen ergab, dass sich die Institute von Smartphone-Apps am meisten erhoffen. Rund 70 Prozent rechnen bis 2015 mit einem starken Einfluss auf die Kundenbeziehung. Facebook-Profile werden in den kommenden vier Jahren ebenfalls bedeutende Imagefaktoren sein – davon gehen knapp 60 Prozent der Entscheider aus. Von Bankenwebseiten und dem Onlinebanking versprechen sich je 80 Prozent einen erheblichen Einfluss auf das Kundenverhältnis. «Wichtige Voraussetzung ist aber die starke Verzahnung der Angebote, sodass ein reibungsloser Kanalwechsel möglich ist», sagt Klaus Schilling, Bankenexperte bei Steria Mummert. Auf der nächsten Seite: Finanzgeschäfte am iPhone und Private Cloud für Banken.
Finanzgeschäfte am iPhone
Das Integrieren von Handy-Apps in die Kernbankensysteme ist hierzulande noch nicht weit gediehen. Lediglich PostFinance erlaubt seinen Kunden das Überweisen via iPhone – allerdings nur an registrierte Empfänger. Ab November will auch die Bancque Cantonale Vaudoise Transaktionen am iPhone erlauben. Weitere Entwickler – etwa die Zuger Recon IT Services, IBM sowie die Kernsystemanbieter Avaloq und Finnova selbst – offerieren aktuell lediglich Zusatzdienste, etwa das Prüfen des Zahlungsverkehrs und Börsentransaktionen am Handy. Für die Zukunft setzt Avaloq auf Apple und Android. Denn zusätzlich zu gewichtigen Investitionen in das Kernbankensystem will Avaloq künftig 15 Prozent für die Entwicklung von E-Channel-Lösungen ausgeben, kündigte CEO Francisco Fernandez im Juli an. Für nächstes Jahr sind Banking-Apps für das iPhone und Vermögensverwaltungslösungen für das iPad geplant. Die intuitive Steuerung will Avaloq auch ins Web übertragen, führt Reto Marti, Head Strategic Initiative Front, aus. Avaloq realisiert sein E-Banking-Modul komplett in HTML5. Kunden mit iPhone sollen sich umgehend zurechtfinden, da die gleichen Bedienprinzipien wie in den Mobile Apps umgesetzt werden. Die Ergänzung des Avaloq-Systems um Onlinebanking dürfte noch einen Grund haben: Für das Wachstum im Ausland ist ein eigenes E-Banking-Modul ein zusätzliches Asset. Jenseits der Grenzen ist es bereits selbstverständlich, dass die entsprechenden Module in der Banking-Software schon integriert sind. Wer das nicht bieten kann, hat kaum Chancen beim Kunden.
Private Cloud für Banken
Ein weiterer Trend, neben der Unterstützung mobiler Plattformen, ist im Markt für Kernbankenlösungen das Industrialisieren der Geschäftsprozesse. Finnova-CEO Charlie Matter berichtet, dass insbesondere international agierende Banken grosses Interesse an der mandantenfähigen Lösung der Lenzburger zeigten. «Die Technologie erlaubt, dass die Niederlassungen in anderen Ländern sukzessive auf die Plattform aufschalten können – in eine Private Cloud», so der Finnova-Chef.
Die bislang grösste Migration auf Avaloq schliesst demnächst der Dienstleister B-Source ab – ebenfalls in einem internationalen Szenario: Die BSI Bank mit Präsenzen auf den Bahamas, in Hongkong, Luxemburg, Monaco und Singapur, geht ebenfalls sukzessive live – die ehemalige britische Kronkolonie in Fernost macht dabei zum Jahreswechsel den Abschluss. Laut BSIs Head of Information Systems, Alberto Mandelli, lief der Plattformwechsel bisher wie geplant. Während es technisch wenige Schwierigkeiten gab, musste Mandelli viel Energie in das Change Management investieren. «Der Banker will seinen Job machen, ihm ist gleichgültig, auf welcher Plattform», charakterisiert der Chefinformatiker eine Hürde, die sein Team dabei unter anderem zu überwinden hatte. So werde teilweise vom Business zu wenig Zeit für die Unterstützung einer technisch notwendigen Migration bereitgestellt, später aber über Mängel bei der Umsetzung geklagt, ergänzt Frank Müller Erkelenz, Head Marketing, Sales & Consulting bei B-Source. Auf der nächsten Seite: Risiken reduzieren.