09.04.2014, 10:08 Uhr
Darf die IT künftig keine Daten mehr analysieren?
Selbst ist der Mitarbeiter: Künftig wird das Business die Unternehmensdaten eigenständig analysieren, die IT sorgt nur noch für die benötigten Daten. Über die Chancen und Risiken von Selfservice-BI für Unternehmen aller Grössenordnungen.
Der Autor ist Service Line Lead BI bei Avanade Schweiz.
Anwender aus den Fachbereichen bemängeln immer wieder, dass sie durch eine von der IT vorgegebene Reportingstruktur aus den Datenbanken nicht die Informationen erhalten, die sie wirklich benötigen. Die unterschwellige Frage lautet: Versteht die IT eigentlich die wirtschaftlichen Bedürfnisse? Auf der anderen Seite sind Datenbanken sehr komplexe Systeme, die Unmengen an Informationen verwalten und zahlreiche Vorgaben einhalten müssen. Nicht jeder Mitarbeiter kann und sollte hier mitmischen. Inwieweit ist Business Intelligence (BI) im Selfservice also eine Alternative? Fest steht, der Ansatz bietet grosses Potenzial. Firmen sollten aber beachten, dass dafür eine klare Strategie erforderlich ist. Zudem sind die Mitarbeiter darin zu schulen, wie sie mit Daten arbeiten können, und was hinsichtlich der Datenqualität zu beachten ist. Dazu empfiehlt sich die Einrichtung einer «BI-Community». Die Gruppenmitglieder tauschen ihre eigenen BI-Lösungen und -Berichte aus, kommentieren diese gegenseitig und schreiben Anmerkungen. Wichtig ist dabei eine klare Trennung: Die IT verantwortet eine hohe Datenqualität in der zentralen Umgebung, die BI- Community garantiert dagegen die Qualität der Informationen im Selfservice-Bereich.
Drei Ebenen der SelfService-BI
Selfservice-BI baut auf drei Stufen auf. Die schnellste und einfachste Variante, quasi die unterste Ebene, ist die Erstellung neuer Reports und Dashboards aus bereits vorhandenen Berichten und Informationsfragmenten. In einer typischen Microsoft-Umgebung sind dies beispielsweise «Report Parts», die vom SQL-Server zur Verfügung gestellt werden, oder «Web Parts» für SharePoint. Natürlich lassen sich Berichte auch vollständig neu schreiben. Diese Vorgehensweise ist oftmals zeitaufwendiger. Der Endanwender ist autorisiert, neue Reports zu erstellen und dabei eventuell auf Vorlagen für ein einheitliches Layout zurückzugreifen. Die vorhandene Unternehmensdatenbank dient als einzige Datenquelle, Microsoft-Tools wie Excel oder SQL Server Report Builder wirken unterstützend. Die Gefahr dabei: Anwender verstehen das Datenmodell nicht und kombinieren daher falsche Informationsfragmente. Last but not least können Endanwender Berichte sowohl aus zentral bereitgestellten als auch zusätzlich aus eigenen Daten erstellen. Bei dieser Vorgehensweise werden die Daten aus beliebigen (auch externen) Quellen geladen und mit Informationen aus existierenden Datenbanken verbunden. Dies hilft, verborgene Datenschätze an die Oberfläche zu holen und für die Anwender verfügbar zu machen. Microsoft-Werkzeuge, die diesen Ansatz unterstützen, sind PowerPivot und Data Explorer. Lesen Sie auf der nächsten Seite: die Risiken
Die Risiken
Mit jeder der zuvor beschriebenen Ebenen und Vorgehensweisen steigt allerdings auch das Risiko. Während beim ersten Ansatz lediglich logische Fehler auftreten können, ist die Gefahr der anderen beiden Möglichkeiten das totale Chaos. Vor allem dann, wenn der Endanwender nicht genau weiss, was er oder sie eigentlich tut. Daher müssen User die Datenmodelle und Werkzeuge verstehen, die zur Erstellung neuer Reports verwendet werden. Eine «semantische Schicht», die komplexe Datenmodelle vor dem Anwender verbirgt und stattdessen mit einem benutzerfreundlichen System arbeitet, kann hilfreich sein. Bei der dritten Variante kann es vorkommen, dass User mit inkorrekten Daten arbeiten, da ihre Quelle nicht verlässlich ist. Auch werden viele Kopien von Daten erzeugt, ohne dass ihre Herkunft nachvollzogen werden kann und eine automatische Aktualisierung gewährleistet ist. Ein weiteres Risiko lauert hinter unternehmenskritischen Lösungen, die von Anwendern oft massenhaft selbst erstellt und dann fernab der IT betrieben werden. Diese Anwendungen sind zwar häufig äusserst nützlich, lassen sich schnell implementieren und neuen Anforderungen anpassen. Wenn aber beispielsweise die verantwortlichen Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, kann es zu Schwierigkeiten kommen, da sich niemand mit ihren Applikationen und den dahinter liegenden Daten auskennt.
Zentral vs. Dezentral
Die Unternehmens-IT steht vor der Aufgabe, sich sowohl der voranschreitenden Selfservice-BI als auch der Fragmentierung der Informationsinfrastruktur durch mehr und mehr selbstgestrickte Excel-Anwendungen zu widmen. Einerseits lässt sich dies durch eine Stärkung der zentralen Rolle der IT im Rahmen der BI-Prozesse unterstützen. Endanwender dürfen also nur noch bereitgestellte Daten und Reports verwenden und Reportänderungen erfordern eine Autorisierung. Mithilfe dieser Vorgehensweise kann die IT eine hohe Datenqualität sicherstellen und zugleich eine übergreifende Struktur schaffen. Andererseits bietet das offene Modell eine Lösung, bei der die IT lediglich die Basisdaten zur Verfügung stellen muss. Endanwender können Reports selbstständig unternehmensweit verbreiten. Neue Anforderungen lassen sich auf Anfrage durch die verantwortlichen Abteilungen einfügen. Während das zentrale Modell die IT unter Druck setzt, immer genau die Voraussetzungen zu schaffen, die sich perfekt für die jeweiligen Geschäftsanforderungen eignen, kann der zweite, offene Ansatz Datenqualität und -sicherheit gefährden. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Managed SelfService-BI
Managed SelfService-BI
Eine Mischung beider Ansätze scheint daher die beste Möglichkeit. Dies könnte so aussehen: Die IT sammelt wichtige Unternehmensdaten und gewährleistet deren Qualität und Sicherheit. Hinzu kommen diverse Reports, die wesentliche Berichtsanforderungen des Unternehmens abdecken. Diese Berichte sind für alle berechtigten Anwender in einem zentralen, bedienerfreundlichen Portal abrufbar. Bedingung ist eine strenge Einhaltung aller Richtlinien und Vorgaben. Sogenannte Power User, also Endanwender mit weiterreichenden Kenntnissen und Ansprüchen als andere Anwender, sind des Weiteren autorisiert, eigene Reports zu erstellen und diese innerhalb ihrer Teams zu verteilen. Sie dürfen sowohl die von der IT zur Verfügung gestellten zentralen Daten als auch eigene Quellen verwenden. Dieser Prozess lässt sich durch eine Bibliothek unterstützen, in der Datenquellen zugänglich sind und bequem gesucht werden können. Die Reports werden wiederum in einem zentral verwalteten Portal veröffentlicht. Die IT stellt sicher, dass die jeweiligen Teams auf die Berichte zugreifen können. Sie überwacht ausserdem das Selfservice-BI-Umfeld, um automatische Daten-Updates zu ermöglichen und wichtige sowie häufig genutzte Geschäftsberichte zu identifizieren. Nach Rücksprache mit den Verfassern lassen sich diese Reports dann in das gemanagte Umfeld verlagern. Der Microsoft SQL Server 2012 unterstützt einen derartigen Prozess: Von Endanwendern generierte PowerPivot-Lösungen lassen sich problemlos zu SQL-Server-Tabular-Data-Projekten updaten und durch zusätzliche Geschäftsfunktionen erweitern. SharePoint bietet dann die von der IT gemanagte Portaltechnologie, die den Anwendern sowohl die BI-Community als auch die zentralen Berichte zur Verfügung stellt. Doch obwohl beide genannten Umgebungen einen Grossteil der Infrastruktur, also das Portal, teilen, ist es essenziell, eine scharfe Trennlinie zu ziehen. So lässt sich das Portal beispielsweise in zwei verschiedene Bereiche teilen: Selfservice sowie Managed BI sind durch verschiedene Farben gekennzeichnet. Oder die Reports des Managed BI-Bereichs erhalten einen Disclaimer, dass es sich um einen geprüften Bericht handelt. Endanwender dürfen die beiden Bereiche nicht durcheinanderbringen. Nur so lässt sich die Verlässlichkeit der gemanagten Umgebung sicherstellen. Die erwähnte BI-Community wiederum kontrolliert die Qualität des Selfservice-BI-Umfelds. Managed Selfservice-BI kombiniert die Kernkompetenzen der IT und solides Reporting mit der grossen Flexibilität und dem Ideenreichtum einer BI-Community. Die IT hat dabei nicht länger eine überwiegend bremsende, sondern eine unterstützende Aufgabe und das Unternehmen kann zeitnaher auf veränderte Bedingungen eingehen.