04.12.2013, 08:29 Uhr
Wie innovativ sind ERP-Anbieter?
ERP-Lösungen wechselt man nicht von heute auf morgen wie die Jacke oder das Hemd. Wichtig sind deshalb verlässliche Anbieter, die ihren Kunden innovativ neue Marktchancen erschliessen. Abacus, Opacc, Sage und SAP zeigen, worauf es ankommt.
Schweizer Firmen, die eine ERP-Lösung anschaffen, treffen damit zwar keinen Entscheid fürs Leben. Aber die Lösung soll doch viele Jahre das Unternehmen steuern und möglichst optimal unterstützen. Den durchschnittlichen Lebenszyklus eines ERP-Systems verorten Experten bei etwa 12 bis 15 Jahren. Die Cloud ändert daran ein wenig, aber nicht viel, wird sie doch meist als Ergänzung zu On-Premise-Produkten eingesetzt. Schweizer Firmen setzen also grosses Vertrauen in ihren ERP-Anbieter. Sie vertrauen darauf, dass der Dienstleistungsanbieter sein System innovativ weiterentwickelt, sodass seine Kunden am sich verändernden Markt auch in Zukunft erfolgreich bestehen können. Computerworld hat deshalb vier ERP-Dienstleister gefragt, auf welche Innovationen sie, mit Blick auf die vergangenen Monate, besonders stolz sind: die beiden Schweizer Software-Schmieden Abacus und Opacc, die britische Sage und den Marktführer SAP.
SAP entdeckt den Spassfaktor
Die Software aus Walldorf stand lange Zeit im Ruf, zwar funktional sehr gut, aber in Sachen Bedienfreundlichkeit mehr als gewöhnungsbedürftig zu sein. Am Weltmarktführer SAP kommt keiner vorbei, aber die Anwender haben es auch nicht immer leicht mit ihm. «Es gibt Produkte von SAP, die sind weder praxistauglich noch begehrenswert und attraktiv für den Kunden – und wir verkaufen sie dennoch», soll SAP-Mitgründer Hasso Plattner selbstkritisch gesagt haben. Plattner befürchtet, dass diese Masche in der Ära von Cloud Computing nicht mehr funktionieren werde, und startete für seine SAP eine Charmeoffensive: das Projekt Fiori (Blumen). Kleider machen Leute, sagt der Volksmund. Das SAP Graphical User Interface (GUI) prägt den Eindruck der Anwendbarkeit von SAP-Lösungen, betont der Weltmarktführer aus Walldorf. Fiori ist ein Portfolio intuitiv bedienbarer Apps für die verbreitetsten SAP-Funktionen, das auf Desktops, Smartphones und Tablets läuft. Zum Portfolio gehören Approval-Apps für den Manager, Apps zur Arbeitsorganisation für den In-House-Schaffenden und für den Vertrieb, der sich bei Auftragserfassung, Purchase-Tracking, Preis- und Verfügbarkeits-Checks bedienen darf. Mit Fiori beginnt SAP, seinen Lösungen ein attraktives Facelifting zu verpassen. Pilotkunden wie der Zahnpastahersteller Colgate loben die intuitive Bedienung und die praktisch wegfallende Einarbeitungszeit für die Anwender. Die Implementierung der ersten Fiori-App geht allerdings nicht ganz so schnell von der Hand. SAP veranschlagt dafür einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen. Die Applikationen greifen über das Netweaver Gateway – später auch über die modernere SAP Mobile Platform – auf Backend-Daten zu. Ist die technische Basisarbeit erst einmal geleistet, sollen weitere Applikationen in zwei bis vier Tagen aufgesetzt werden können. Punkto Business By Design (ByD), SAPs ERP-Suite aus der Cloud, herrscht dagegen Unsicherheit. Walldorf will die etwa 1000 ByD-Kunden zwar weiterhin unterstützen, aber das einstige Vorzeigeprojekt nicht mehr weiterführen – zumindest nicht in der derzeitigen Form. Stattdessen investiert SAP verstärkt in ihre In-Memory-Appliance Hana, die für den Konzern eine strategische Schlüsselrolle einnimmt. Ein (modifiziertes) ByD werde es in Zukunft auf Hana geben, deutet Pressesprecher Christoph Liedtke an, ohne jedoch weiter ins Detail zu gehen. «Wir halten am Konzept einer Suiten-Lösung in der Cloud fest», bekräftigt Liedtke gegenüber Computerworld. Nächste Seite: Opacc gibt Gas
Opacc gibt Gas
Anfang 2013 schickte der Luzerner ERP-Anbieter Opacc seine alte Datenbank Dataflex in Pension und stellte mit der Version 15 auf Microsoft SQL-Server um. «Das war technisch einer der wohl grössten und aufwendigsten Eingriffe in unsere Software-Plattform», sagt Beat Bussmann, Gründer und Chef von Opacc. Innert kurzer Zeit konnten 50 Bestandskunden auf SQL Server migrieren. Für die erfolgreiche Migration steht Opacc mit einer Update-Garantie ein: Sämtliche Daten werden vollautomatisch übernommen, alle individuellen Anpassungen und Einstellungen funktionieren wie zuvor. Mit dem SQL Server im Rücken verbessert sich Opacc punkto Antwortzeiten und Stabilität. In Sachen Transaktionsvolumen und Benutzerzahl gebe es in Zukunft keine Beschränkungen mehr, betont Bussmann. Allerdings steigen mit Microsofts SQL Server auch die Lizenzkosten. Die Migration auf ein leistungsfähigeres Serverbackend war also dringend notwendig. In die Zukunft schaut Opacc mit seinem Enterprise Shop und seiner CloudBox. Mit V5 sei eine mächtige E-Commerce-Plattform für den Einsatz im B2B- und B2C-Geschäft entstanden, betont Bussmann. Der Enterprise Shop könne die Funktionalität von Opacc-ERP nutzen, liesse sich aber über einen eigenen Service Bus auch in andere ERP-Systeme «nahtlos integrieren». Alle verwendeten Daten werden zentral verwaltet. Die Freigabe hat sich Opacc noch in diesem Jahr vorgenommen. Ausserdem sei mit der CloudBox (Cloud in a Box) auch der Einstieg ins Cloud-Computing-Zeitalter geglückt. Die CloudBox ist letztlich eine vorkonfigurierte Appliance, die Kunden mieten oder kaufen können. Opacc will, unabhängig vom Standort, verschiedene Managementservices dafür anbieten. Der Marktstart erfolgt voraussichtlich im nächsten Jahr.
Abacus optimiert Prozesse
Schweizer ERP-Anbieter konzentrieren sich jedoch nicht nur auf die Hype-Themen Cloud und Mobility. Sie sind dabei, neue Geschäftsfelder zu erobern. Abacus hat seinen Workflow Designer weiterentwickelt und will das Produkt ab 2014 als vollwertige Process Engine auf den Markt bringen. ERP und Business Process Management (BPM) miteinander zu verheiraten, ergibt Sinn. Fällt bei einem Kunden zum Beispiel ein Zulieferer aus, ändert sich also die Lieferantenkette, dann müssen Manager sehr schnell darauf reagieren. Mit Abacus’ neuer Process Engine sollen auch Endanwender derartige Änderungen in Geschäftsprozessen leicht umsetzen können. Die Abacus-Engine ist eine Kampfansage an die klassischen BPM-Anbieter und leistet, nach Aussage des Unternehmens, mehr als deren Lösungen. Auch Opacc arbeitet übrigens in seinem Projekt Gottardo an einer BPM-Innovation. Dabei geht es letztlich um dasselbe: das Management der Geschäftsbeziehungen zwischen Anbietern, Kunden, Partnern und Lieferanten. Nächste Seite: Sage mit vorbildlichem Support
Sage: vorbildlicher Support
«Sage bietet – vom Kleinstunternehmen bis zum gehobenen Mittelständler – die ganze Bandbreite an ERP-Lösungen für Schweizer KMU», betont Sage-CEO Jean-Jacques Suter. Sage Schweiz punktet bei seinen Kunden mit einem «ganzheitlichen Support», der über reine Technikfragen hinausgeht. «Von den rund 65000 Support-Anfragen, die pro Jahr an uns gestellt werden, dreht es sich bei kleineren Kunden nur zu etwa 15 Prozent, bei grösseren Kunden zu etwa 20 Prozent um technische Fragen zur Software selbst», berichtet Suter. Der grosse Rest, also 80 bzw. 85 Prozent der Hotline-Anfrager, hat Probleme mit dem Jahresabschluss oder der Mehrwertsteuerabrechnung. Daher beschäftigt Sage Schweiz im Support nicht nur Software-Spezialisten, sondern auch betriebswirtschaftlich ausgebildete Mitarbeiter, die Kunden auch bei arbeitsrechtlichen und kaufmännischen Fragen weiterhelfen können.
Punkto Cloud soll im Frühjahr 2014 die Software-as-a-Service-Lösung (SaaS) Sage One auf den Schweizer Markt kommen. Sage One richtet sich an Kleinstunternehmen mit wenig bis gar keinen Buchhaltungskenntnissen und unterstützt fachfremde Anwender beim operativen Tagesgeschäft: von der Offerte über die Rechnungslegung bis zum Jahresabschluss. Noch in diesem Jahr werde ausserdem für bestehende Kunden das neue Sage 200 ERP Extra mit mobiler Geräteanbindung, niedrigeren IT-Betriebskosten und Prozessintegration lanciert (die Zahl im Produktnamen markiert die typische Benutzeranzahl). Sage Schweiz betont, dass alle Lösungen auf Schweizer Bestimmungen und Gesetze wie geänderte Mehrwertsteuersätze, BVG-Abzüge und Quellensteuern zugeschnitten sind. Für Schweizer ERP-Anbieter wie Abacus oder Opacc dürfte das jedoch eine Selbstverständlichkeit sein.
Kleine ERP-Systeme sind oft besser
Werner Schmid von der Gesellschaft zur Prüfung von Software (GPS) testet seit über 20 Jahren ERP-Systeme. Laut Schmid hinken viele der aktuellen Produkte den realen Anforderungen der Wirtschaft hinterher. Es gebe heute keinen Mittelständler mehr, der alles selber an einem Standort herstelle, erläutert er. Es seien immer mehrere, auch ausländische Zulieferer und Veredler am Produktionsprozess beteiligt. Und genau dort, bei der erweiterten Produktions- und Transportplanung, hat Schmid Defizite ausgemacht. Dabei machen die Kleinen ihren Job oft besser als die Grossen. Die Schweizer Anbieter Abacus und Opacc scheinen mit ihren neuen Process Engines also goldrichtig zu liegen.