08.11.2013, 09:04 Uhr
Grosse Veränderungen bei den Banken
Aufgrund vielfältiger regulatorischer Anforderungen und einschneidender Veränderungen im Kundenverhalten stehen die Privatbanken in der Schweiz vor einer strategisch wichtigen Weichenstellung. Dabei muss die IT einen wesentlichen Beitrag leisten.
Bei der Auswahl der richtigen Kernbankenlösungen sollten sich Privatbanken vor allem auf die Aspekte konzentrieren, mit denen sie eine Marktdifferenzierung entwickeln können
Andreas Toggwyler ist Partner Financial Services Advisory, EY Schweiz. Dr. Robert Rümmler ist Senior Manager Financial Services Advisory, EY Schweiz.
Vor der Finanzkrise war der für die Finanzinstitute wichtigste Treiber der Profitabilität das Volumen der verwalteten Vermögen. In der Branche konnten ein gutes Wachstum erzielt und relativ hohe Margen erwirtschaftet werden. Dem Betriebsmodell oder der Effizienz des Geschäfts wurde nur eine nachgelagerte Bedeutung beigemessen. Dieses Modell hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Bankkunden haben ihre Investitionstätigkeiten sowohl verlagert als auch reduziert. Gesamthaft ist das Volumen der verwalteten Vermögen zurückgegangen. Auf der Kostenseite sind die Ausgaben aufgrund erhöhter regulatorischer Anforderungen gestiegen. Vor allem die Erfordernisse erhöhter Steuertransparenz in Form von Abgeltungssteuer und dem Foreign Account Tax Compliance Act (Fatca) haben sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Kostenseite Wirkung gezeigt: Kundengelder sind abgeflossen und die Richtlinien zur Steuertransparenz haben die Betriebskosten erhöht. Gegenwärtig prüfen Schweizer Privatbanken ihre Marktaktivitäten in Offshore-Märkten. Aufgrund regulatorischer Risiken haben sich einige Banken entschieden, ihre Offshore-Aktivitäten zu reduzieren beziehungsweise komplett einzustellen. Bei ausländischen Privatbanken stellt sich die Situation genau gegenteilig dar, da bei diesen Privatbanken der Verbleib im Schweizer Markt auf dem Prüfstand steht. Auch hier ist zu erwarten, dass sich die Anzahl ausländischer Banken im Schweizer Markt reduzieren wird. Aus dieser Dynamik heraus ergeben sich für die verbleibenden Marktteilnehmer vielfältige Möglichkeiten, mithilfe von Akquisitionen anorganisch zu wachsen.
Neue Marktsituation
Im Zuge der Finanzkrise haben sich die Bedürfnisse der Kunden verändert. Kunden legen mehr Wert auf transparente Gebührenmodelle, sind defensiv im Umgang mit Investitionen und suchen den Zugang zur Bank über moderne Kommunikationskanäle. Diese disruptive Entwicklung hat zur Folge, dass Banken ihr Produkt- und Serviceangebot, aber auch ihre Vertriebskanäle den neuen Kundenanforderungen anpassen müssen. Dabei sind Privatbanken
angehalten, ihre Alleinstellungsmerkmale im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern in den Vordergrund zu stellen. Im Gegensatz zu einem undifferenzierten Marktauftritt hat eine ausgeprägte Differenzierung zur Folge, dass der Preis nicht die dominante Wettbewerbsgrösse darstellt und daher weniger Einfluss auf das Kundenverhalten hat. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Standardisieren & Differenzieren
angehalten, ihre Alleinstellungsmerkmale im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern in den Vordergrund zu stellen. Im Gegensatz zu einem undifferenzierten Marktauftritt hat eine ausgeprägte Differenzierung zur Folge, dass der Preis nicht die dominante Wettbewerbsgrösse darstellt und daher weniger Einfluss auf das Kundenverhalten hat. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Standardisieren & Differenzieren
Standardisieren & Differenzieren
Um Kosteneinsparungen zu realisieren, suchen Privatbanken nach Mitteln, ihre Geschäftsprozesse zu standardisieren, d.h. zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Dabei ergeben sich Möglichkeiten vor allem bei Geschäftsprozessen, die vom Kunden nicht wahrgenommen werden und durch die sich auch keine Alleinstellung im Markt verwirklichen lässt. Daher setzen viele Privatbanken bei der Standardisierung vor allem auf Geschäftsprozesse im Backoffice an. Um Geschäftsprozesse im Backoffice zu vereinfachen und zu vereinheitlichen, entscheiden sich Privatbanken statt für Eigenentwicklungen zunehmend für den Einsatz standardisierter Kernbankenlösungen. Um diese Standardisierung zu erreichen, werden bei der Einführung der Kernbankenlösung die zugrundliegenden Prozesse des Anbieters so gut wie möglich originär übernommen. Auch grössere Banken denken über den Einsatz von Standardlösungen nach. In der Vergangenheit war dies deutlich seltener der Fall. Beim Outsourcing von Geschäftsprozessen an Drittanbieter wird sowohl eine Fokussierung auf die wesentlichen Kernkompetenzen der Privatbank, als auch die Möglichkeiten zu weiteren Kostenersparnissen angestrebt. Recht häufig zeigt die Erfahrung jedoch, dass die erhofften Kostenersparnisse nicht immer im gewünschten Mass realisiert werden können. Nichtsdestotrotz liegt ein grosser Vorteil des Outsourcings darin begründet, dass sich die Privatbank wesentlich stärker auf die fundamentale Kompetenz, nämlich der Betreuung ihrer Kunden, konzentrieren kann. An der Schnittstelle zum Kunden benötigen Privatbanken Lösungen, mit denen sie sich im Wettbewerb differenzieren können. Aus einer Perspektive der Technologie setzen hier einige Marktteilnehmer auf Eigenlösungen, mit denen sie ein hohes Mass an Flexibilität in der Ausgestaltung der Kundenschnittstelle aufbieten können.
Auswahl der Kernbankenlösung
Bei der Auswahl der richtigen Kernbankenlösungen sollten sich Privatbanken vor allem auf die Aspekte konzentrieren, mit denen sie eine Marktdifferenzierung entwickeln können, zum Beispiel über innovative Lösungen im Mobile Banking. Die Alleinstellungsmerkmale können dabei in der Abbildung von Produkten und Dienstleistungen oder in der bankenspezifischen Umsetzung des Kundenkanals realisiert werden. Privatbanken sollten bei der Evaluierung von Kernbankenlösungen den Fokus daher auf die differenzierenden Geschäftsprozesse an der Schnittstelle zum Kunden setzen. Für die Geschäftsprozesse im Backoffice können Privatbanken in den meisten Fällen die Standardprozesse des Anbieters mit wenigen Modifikationen übernehmen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Compliance als Herausforderung
Compliance als Herausforderung
Die Vielzahl an regulatorischen Anforderungen stellt für Privatbanken eine zunehmend grosse Herausforderung dar. Aufgrund der hohen Dichte an regulatorischen Anforderungen ist es Banken in den letzten Jahren nicht immer gelungen, regulatorische Anforderungen ganzheitlich umzusetzen. In vielen Fällen wurden Insellösungen doppelspurig zu anderen regulatorischen Anforderungen entwickelt. Jedoch haben die Erfahrungswerte aus den letzten Jahren dazu geführt, dass Privatbanken heute wesentlich besser in der Lage sind, regulatorische Anforderungen holistisch und effizient umzusetzen. Bei der Evaluierung von Software-Anbietern sollte dem Aspekt der regulatorischen Anforderungen unbedingt Rechnung getragen werden. Beim Outsourcing der Geschäftsprozesse wird der Drittanbieter eine gewisse Compliance sicherstellen können. Trotzdem obliegt die Pflicht der Erfüllung der regulatorischen Anforderungen auch im Falle eines Outsourcings von Geschäftsprozessen weiterhin bei der Bank.
Umsetzung der Transformation
Bei der Neuausrichtung auf die veränderten Marktbedingungen trägt die IT-Abteilung dazu bei, die angestrebte Differenzierung in der Kundenschnittstelle und die Standardisierung bei internen Geschäftsprozessen umzusetzen. Die IT hat dabei nicht nur die Aufgabe, die Wünsche der Fachabteilungen und vor allem der Front umzusetzen, sondern sie sollte sich auch als Inkubator einbringen – und zwar, um neue Geschäftsmodelle dank des Einsatzes modernster Technologien zu ermöglichen. In den letzten Jahren sind Veränderungsvorhaben bei Privatbanken vor allem durch die Agenda der regulatorischen Anforderungen geprägt gewesen. Um eine neue Ära des Wachstums einzuläuten, muss eine Anpassung des Geschäftsmodells in den Vordergrund gestellt werden. Dabei kann die Informationstechnologie weit mehr beitragen, als nur Anforderungen effizient umzusetzen. Vielmehr sollte die IT-Abteilung signifikant dabei helfen, mittels
modernster Technologie eine Alleinstellung der Privatbank an der Schnittstelle zum Kunden zu erreichen.
modernster Technologie eine Alleinstellung der Privatbank an der Schnittstelle zum Kunden zu erreichen.