SBB 06.11.2013, 06:00 Uhr

Generalüberholung des digitalen Schienennetzes

Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) stemmen in diesem Jahr eine Herkulesaufgabe: Eines der grössten BI-Systeme des Landes soll bis Ende 2013 generalüberholt sein und vor allem deutlich an Performance gewinnen.
Michael Fijol ist Leiter Business Warehouse Applications, Schweizerische Bundesbahnen SBB. Reto Leser ist Senior Consultant bei Q_Perior AG. Das SAP Business Warehouse (SAP BW) der SBB befindet sich bereits seit mehr als zehn Jahren im Einsatz, um Abfragen im Berichtswesen zu ermöglichen oder Datamining zu betreiben. Jetzt stösst diese Lösung an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, insbesondere bezüglich ihrer Performance, Agilität und Flexibilität. Das komplette System muss deshalb generalüberholt werden. Die Sanierung von gewachsenen SAP-Strukturen erweist sich jedoch häufig als besonders anspruchsvoll – allein schon durch die Vielzahl angeschlossener Quelldatensysteme. Bei den SBB sind immerhin 23 zuliefernde Systeme zu berücksichtigen, aus denen das SAP BW Daten in grossen Mengen bezieht, aufbereitet und für die Divisionen Cargo, Immobilien, Infrastruktur, Personenverkehr sowie die Konzernbereiche gezielt auswertet. Das Projekt «SAP-BW-Sanierung» betrifft mehr als 40 Applikationen mit einem Datenvolumen von rund 16,4 Terabyte. Zum Vergleich: Das entspricht der Verwaltung von mehr als 3 Milliarden ausgedruckten A4-Seiten Text. Ein Kraftakt, den die SBB gemeinsam mit der Business- und IT-Beratung Q_Perior stemmen. Nächste Seite: Einführung in Teilschritten

Aufgeräumte Datenregale

Um im Hinblick auf künftige Projekte kostengünstiger und bei erforderlichen Änderungen effizienter zu arbeiten, wird das System nun saniert. Die Kosteneinsparung soll sich dabei auf geschätzte 250000 Franken pro Jahr belaufen. Der Weg zum Ziel besteht in erster Linie in einer sauberen Datenmodellierung, die Informationen auf Basis von Referenzschichten verwaltet (Layered Scaled Architecture). Die Performance wird sich allein schon dadurch verbessern, dass doppelte Daten gezielt eliminiert sowie nicht mehr benötigte Applikationen abgeschaltet werden. Vor allem aber tragen geringere Durchlaufzeiten bei Datenladeprozessen zur höheren Systemleistung bei. Darüber hinaus sorgen NLS-Strukturen (Nearline Storage) dafür, die physische Datenmenge durch das Auslagern von älteren Daten weiter zu verringern.

Einführung in Teilschritten

Aktuell befindet sich das Projekt mitten in der Realisierungsphase, die aus acht zuvor definierten Einheiten besteht. Jede dieser Einheiten bündelt sämtliche erforderlichen Einzelschritte wie Umsetzung, Entwickler- und Integrationstests, Transporte in das produktive System sowie die Abnahme durch die Fach­bereiche. Der Vorteil dieses Vorgehens liegt auf der Hand: Einerseits erlaubt die paketweise Zerlegung eine stufenweise Einführung, andererseits lassen sich die zahlreichen wechselseitigen Abhängigkeiten besser berücksichtigen. Somit können Integrationsschwierigkeiten während der Realisierungsphase weitgehend vermieden werden. Dabei sollten anzupassende Datenstränge und Applikationen so zu Realisierungseinheiten zusammengefasst werden, dass die Fachabteilungen ihre Tests nicht mehrfach durchführen müssen. Dies sorgt für übersichtliche Einzelschritte im Projektfortschritt. Darüber hinaus ist es aufgrund der kompakten Abwicklungspakete möglich, bereits während der Umsetzung notwendige Dokumentationen für neu- oder umgestaltete Datenflüsse zu erstellen. Davon hängt schliesslich ab, ob erzielte Fortschritte über einen langen Zeitraum erhalten bleiben oder bereits nach kurzer Zeit eine erneute Sanierung des SAP BW notwendig ist. Nächste Seite: Erfolgsfaktor Endanwender

Erfolgsfaktor Endanwender

Auf Prozessebene verlangt diese schrittweise Einführung jedoch einiges an Vorarbeit, um die betroffenen Fachabteilungen frühzeitig einzubinden. Denn im Rahmen des Projekts erfolgen zahlreiche Änderungen an produktiven Applikationen sowie am Datenmodell. Zwar liegt das Hauptaugenmerk bei der Sanierung auf einer verbesserten Datenbereitstellung, von der die Mitarbeiter aber bestenfalls nur durch schnellere Zugriffszeiten etwas mitbekommen. Eine so umfangreiche Sanierung bietet sich jedoch auch dazu an, darüber hinausgehende fachspezifische Verbesserungen in den Applikationen zu erreichen. Durch die Zusammenarbeit mit frühzeitig eingebundenen Endnutzern lassen sich damit sowohl die Produktivität als auch die spätere Akzeptanz des Projekts erhöhen. Gleichzeitig steht der Projektführung internes Know-how über die betreffenden Applikationen sowie die zugehörige Historie als wertvolle Ressource zur Verfügung. Viele Projektverantwortliche unterschätzen allerdings das Expertenwissen aufseiten der End­anwender bzw. Superuser. Der tägliche Umgang mit den betroffenen Applikationen unterstützt jedoch eine rechtzeitige Abstimmung, wenn es darum geht, bereits laufende Vorgänge, Änderungen oder komplizierte Störfälle in das Projekt zu integrieren. Die frühe Integration der Superuser in die drei Projektphasen Analyse, Realisierung und Test spielt deshalb eine wichtige Rolle. In der Projektleitung zahlt es sich dagegen aus, eindeutige Verantwortlichkeiten zu schaffen und die Themenbereiche klar von vornherein abzugrenzen. Das schafft Klarheit über die konkreten Projektziele. Passende Templates, Konventionen und Vorgaben helfen den Projektmitgliedern zudem, die relevanten Applikationen themenbasiert zu analysieren und massnahmenorientiert zusammenzufassen. So kann jeder Einzelne sehr effizient einen Beitrag zum Gesamterfolg leisten. Nächste Seite: Fazit und Projekt-Details

Fazit: Schon halb am Ziel

Derzeit sind rund 50 Prozent der mit über 350 Personentagen konzipierten Realisierungseinheiten umgesetzt. Bereits heute lässt sich absehen, dass sich die geplanten Kostenersparnisse von 250000 Franken pro Jahr realisieren lassen. Zudem haben sich durch die Einbindung erfahrener SAP-BW-Berater zahlreiche Synergieeffekte ergeben, erste Weichen für eine mögliche Weiterentwicklung Richtung SAP Hana wurden gestellt. Damit ist das Projekt auch aus Controlling-Perspektive erfolgreich.
Das Projekt
Kunde:
Die SBB ist eine öffentlich-rechtliche Aktiengesellschaft mit mehr als 29?000 Mitarbeitenden und einer Bilanzsumme von rund 35 Milliarden Franken (2012). Aufgabe: Sanierung SAP BW Datawarehouse Ziele: - Bis zu 250000 Franken pro Jahr einsparen - System auf SAP Hana vorbereiten Umfang: 40 Anwendungen und 23 Quellsysteme mit einem Daten­bestand von insgesamt 16,4 Tera­byte. Software: SAP BW 7.3 Umsetzungspartner: Q_Perior AG Projektlaufzeit: März bis Dezember 2013 Ressourcen: Rund 600 kalkulierte Personentage in einem Projektteam mit 15 Mitarbeitenden


Das könnte Sie auch interessieren