12.11.2013, 06:00 Uhr

Gemeinsam entwickelt, doppelt gespart

Fünf Schweizer Banken haben sich zusammengetan, um zur Umsetzung des Quellensteuerabkommens eine gemeinsame Software zu entwickeln. Die Kooperation hat sich für alle gelohnt.
Das kooperationsprojekt hat sich für beide gelohnt
Simon Leumann ist Mitglied der Geschäftsleitung (IT & Services) der Basellandschaftlichen Kantonalbank. Flavio Curti ist Principal Consultant bei der GFT Technologies (Schweiz) AG. Kooperationen bei Entwicklungsprojekten findet man bislang in der Schweizer Bankenlandschaft nur selten. Zu gross ist der Wunsch, sich von der Konkurrenz abzuheben und durch individuelle Lösungen im Wettbewerb die Nase vorn zu haben. Die Zusammenarbeit von fünf Schweizer Banken zur Entwicklung einer gemeinsamen Lösung für die Quellensteuererhebung zählt daher zu den grossen Ausnahmen. Das ungewöhnliche Gemeinschaftsprojekt erwies sich nicht nur auf Kostenebene als voller Erfolg, sondern schuf zudem eine vertrauensvolle Basis für einen zukünftigen engeren Informations- und Erfahrungsaustausch aller Beteiligten. Den Anstoss gab einmal mehr eine neue rechtliche Regelung: Am 1. Januar 2013 traten die Quellensteuerabkommen der Schweiz mit Grossbritannien und Österreich in Kraft. Demnach wird für nicht-deklarierte Vermögenswerte bei Schweizer Banken einmalig eine Pauschalsteuer an den entsprechenden Fiskus überwiesen. Dies geschieht anonym und rückwirkend für zehn Jahre. Künftige Erträge werden dann genauso besteuert wie in Grossbritannien beziehungweise in Österreich.
Wie viele kleine und mittelgrosse Banken sah auch die Basellandschaftliche Kantonalbank durch die neue Regelung immense Kosten auf sich zukommen. Einerseits waren nur vergleichsweise wenige Kunden betroffen, andererseits bot Avaloq, der Hersteller des Kernbankensystems, keine Standardlösung für die zurückliegende Quellensteuererhebung an. Selbst eine Vorgehensweise zu definieren und diesen Prozess technisch im Kernbankensystem umzusetzen, lohnte sich kaum. Die Bank schlug daher einen bislang ungewohnten Weg ein: eine Kooperation mit mehreren betroffenen Banken. Die Ziele waren zum einen, mit einer gemeinsamen technischen Lösung die Kosten zu senken, und zum anderen, mit einer gemeinsamen fachlichen Lösung eine stärkere Position gegenüber der Regulierungsbehörde zu erreichen. Fünf Banken einigten sich letztendlich darauf, den Weg unter der Initiative der Basellandschaftlichen Kantonalbank zusammen zu gehen. Nächste Seite: Basislösung mit Erweiterungen

Basislösung mit Erweiterungen

Mit der Umsetzung beauftragten die Banken die GFT Technologies (Schweiz) AG. Dank langjähriger Erfahrung im Steuerbereich war der IT-Dienstleister mit Gesetz und Wegleitung vertraut und brachte zum Beratungsgespräch bereits konkrete Vorschläge und Implementierungsmöglichkeiten zur Datenbeschaffung und -aufbereitung mit. Anhand eines Prototyps, den die Avaloq-Experten zur Veranschaulichung entwickelt hatten, konnten diese Vorschläge praxisnah diskutiert werden. Das Ergebnis war eine Basislösung für den Prozess der Steuer­abwicklung – die Grundlage für die praktische und organisatorische Implementierung. Um der Heterogenität der beteiligten Banken Rechnung zu tragen, wurde diese Basislösung dann individuell angepasst. So variierte beispielsweise die Anzahl der Briefvorlagen für die notwendigen Kundenanschreiben zwischen fünf und zwanzig, je nach internen Leitlinien der Bank. Für alle individuellen Wünsche galt das Prinzip, Leistungen und Kosten transparent zu halten – ein weiterer Erfolgsfaktor der Kooperation. Denn oft genug schätzen IT-Dienstleister den Arbeitsaufwand zu optimistisch ein und sind der Überzeugung, alle Probleme «in time and budget» bewältigen zu können. Die Realität sieht jedoch häufig anders aus und bringt neben hohen Zusatzkosten für den Kunden vor allem auch einen Vertrauensverlust mit sich. Doch gerade das gegenseitige Vertrauen ist für eine funktionsfähige Dienstleister-Kunden-Beziehung essenziell – dies gilt umso mehr bei einer Kooperation, wenn mehrere Auftraggeber beteiligt sind. Wichtig war im beschriebenen Projekt daher, dass unerwartete Aufwände, zusätzliche Kosten und andere Abweichungen vom Plan immer offen angesprochen wurden und somit transparent waren.

Unangenehme Überraschungen

Dafür tauchten unangenehme Überraschungen an anderer Stelle auf: Während des laufenden Projekts wurde das Quellensteuerabkommen immer wieder verändert. Banken und Dienstleister mussten darauf schnell und flexibel reagieren, neu entwickeln und neu testen. Hier zeigte sich eine weitere Besonderheit dieses Projekts: Kunde und Dienstleister sahen sich als gleichberechtigte Sparringspartner. Gleiches galt für die Banken untereinander. Bei einer Änderung wurden sofort alle Beteiligten informiert und man beschloss gemeinsam eine Lösung. Gerade weil die regulatorischen Anforderungen während des Projekts laufend geändert wurden, war jedoch schnell klar, dass die ursprünglich geplante Basislösung so nicht erreicht werden konnte. Auch hier war wichtig, dass alle fünf Banken zu Abstrichen bereit waren und im Nachhinein individuelle Anpassungen vornahmen. Nächste Seite: Ziel erreicht, Kosten gespart

Ziel erreicht, Kosten gespart

Insbesondere hinsichtlich der Kosten hat sich die Kooperation gelohnt. Bei vergleichbaren Projekten, in denen GFT Individuallösungen entwickelte, waren die Kosten für den einzelnen Kunden rund doppelt so hoch. Aufgrund der positiven Erfahrungen aus dem Gemeinschaftsprojekt soll eine solche Zusammenarbeit kein Einzelfall bleiben. Die Vertrauensbasis, die durch das abgeschlossene Projekt zwischen den beteiligten Banken entstand, ist eine gute Grundlage für zukünftige gemeinsame Lösungen. Wichtig ist in jedem Fall, dass sich alle austauschen und Informationen mit einbringen. Keiner darf nur Nutzniesser sein. Dabei darf aber eines nicht vergessen werden: Nicht alle Themen eignen sich für Kooperationslösungen. Bei der Umsetzung einer regulatorischen Anforderung ohne Wettbewerbsvorteile, wie sie hier beschrieben wurde, stimmten die Ausgangsvoraussetzungen. Aufgrund der Vorteile und dem aktuellen Umfeld der Banken bietet es sich jedoch immer an zu prüfen, ob eine Zusammenarbeit sinnvoll wäre. Nächste Seite: Projekt-Facts
Zum Projekt
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Zeitrahmen: Mai 2012 bis März 2013
Erreichtes Ziel: 50 Prozent Kosteneinsparung bei gleichem Aufwand
Dienstleister: GFT Technologies (Schweiz) AG


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