Verabschiedung von Analog-Telefonie
05.07.2016, 15:14 Uhr
Fragen & Antworten
An der heutigen Pressekonferenz stand Swisscom Red' und Antwort über den aktuellen Stand von «All IP» - d.h. der Umstellung von analoger auf IP-Telefonie.
Swisscom ist offenbar zuversichtlich, den bisher verkündeten Fahrplan einzuhalten. Derzeit seien 1,3 Millionen Kunden bereits umgestellt, das sei mehr als die Hälfte. Bis Ende 2016 soll der Anteil auf drei Viertel wachsen und ab Ende 2017 will man 100% erreicht haben. Ab dann ist Schluss mit der analogen Telefonie. Die Journalistenfragen an Swisscom wurden durch Beat Döös beantwortet, Leiter All IP Transformation. Wir haben die wichtigsten Informationen sowie Antworten zu den brennendsten Fragen zu diesem Thema zusammengestellt.
Worum geht es bei «All IP»?
Nach der Umstellung auf All IP erfolgt die Übermittlung eines Telefongesprächs nicht mehr mit einer analogen Technologie, sondern digital, und zwar übers Internet-Protokoll namens «TCP/IP». Das ist ein weltweiter Trend – in fast allen Industrieländern sind Umstellungen im Gange. IP-Telefonie ist effizienter, kostengünstiger und weitaus flexibler als herkömmliche Telefonie.
Wie erfolgt die Umstellung beim Privatanwender?
Sofern die Leitung bereits IP-ready ist (das dürften praktisch alle sein), ist das sehr einfach. Wer ausschliesslich ein Festnetztelefon ohne Internet hat, bekommt von Swisscom kostenlos einen Router. Den stöpselt er an der Telefonsteckdose und am Strom an. Sein altes analoges Telefon kann er am Router einstecken, sofern es Tonwahl unterstützt. Die alten Geräte mit Wählscheibe unterstützen nur Pulswahl. Erst die Tastentelefone wählen per Tonwahl.
Und ab wann wird migriert?
Das läuft schon seit über zwei Jahren auf Hochtouren. Geschäftskunden telefonieren schon heute meistens via IP. Neukunden werden seit ein paar Jahren von Anfang an nur noch mit IP-Telefonie ausgerüstet. Kunden mit Festnetz und bestehendem Swisscom-Internetanschluss werden seit 2016 fortlaufend auf IP-Telefonie migriert. In den nächsten Tagen beginnt Swisscom auch damit, bestehende Festnetz-only-Kunden umzurüsten; also jene, die ausser einem Festnetzanschluss keine Swisscom-Dienste beziehen. Aktuell seien es wöchentlich zwischen 8000 und 12000 Kunden, die per Brief oder Anruf durch Swisscom kontaktiert würden.
Sind dabei Probleme zu erwarten?
Kaum! Es ist in der Tat ein Kinderspiel. All-IP-Leiter Döss berichtete, Swisscom habe bei der «Customer Complaint Quote» keine Ausschläge bei den umzustellenden Kunden zu verzeichnen. Das heisst, es gebe bei den betroffenen Kunden keine signifikante Zunahme an Supportkontakten zu vermelden. Nächste Seite: Was passiert mit dem alten Telefon?
Muss das alte Telefon ins Recycling?
Wenns noch eine Wählscheibe hat, eher ja. Ein Tastentelefon unterstützt hingegen bereits Tonwahl; jenes können Sie am entsprechenden Anschluss des Swisscom-Routers anstöpseln. Falls Sie noch eins mit Wählscheibe haben, ist dies nicht mehr geeignet. Es gebe laut Beat Döös scheints im Fachhandel spezielle Konverter, mit denen die Signale umgewandelt werden können. Aber von deren Nutzung rät Swisscom ab.
Was ist mit ISDN und SIP-Telefonen?
Bei IP-Telefonie ist es kein Problem, bis zu drei Rufnummern zu nutzen. Sie können auf ein gleichwertiges Produkt umsteigen. Die ISDN-Kabel, ISDN-Router und Telefongeräte müssen bei Privatanwendern über die Klinge springen. Swisscom-eigene so genannte HD-Phones lassen sich via Funk direkt mit dem Swisscom-Router verbinden. Wenn es sich um Swisscom-fremde SIP-Telefone handelt: Laut Mitteilung auf der Swisscom-Webseite könne man mittels einer Funktion namens «Lokale IP-Telefonie-Zugangsdaten» die Swisscom Festnetznummer auch über andere SIP-fähige Geräte oder Programme verwenden. Es seien bis zu zehn solche Zugänge möglich.
Haben die Kunden auch einen Nutzen davon?
Es gibt zahlreiche sehr positive Aspekte. Der Kunde kann (muss aber nicht) zum Beispiel in seinem Konto eine Mobile-Nummer als «Backup-Nummer» angeben. Falls das Festnetz vorübergehend ausfallen sollte, landen die Anrufe automatisch auf dem Handy.
Richtige IP-Telefone sind preisgünstig zu haben. Sie verfügen über ein Display. Sofern die Nummer des Anrufers im öffentlichen Telefonbuch steht, sieht der Angerufene nicht nur die Nummer, sondern gleich den Namen.
Weiter gibt’s auch eine Möglichkeit der «nomadischen Nutzung» des Anschlusses. Beat Döös brachte das Beispiel eines Schreinermeisters: Jener kann seine Festnetznummer auch auf dem Smartphone einrichten. Damit ist er für seine Kunden immer erreichbar, auch wenn er einmal auf einer Baustelle unterwegs ist.
Sehr spannend wird auch der zu erwartende Spamfilter, siehe weiter unten.
Richtige IP-Telefone sind preisgünstig zu haben. Sie verfügen über ein Display. Sofern die Nummer des Anrufers im öffentlichen Telefonbuch steht, sieht der Angerufene nicht nur die Nummer, sondern gleich den Namen.
Weiter gibt’s auch eine Möglichkeit der «nomadischen Nutzung» des Anschlusses. Beat Döös brachte das Beispiel eines Schreinermeisters: Jener kann seine Festnetznummer auch auf dem Smartphone einrichten. Damit ist er für seine Kunden immer erreichbar, auch wenn er einmal auf einer Baustelle unterwegs ist.
Sehr spannend wird auch der zu erwartende Spamfilter, siehe weiter unten.
Hauseigentümer aufgepasst: Was ist mit Lifttelefonen?
Wer Liegenschaften mit Aufzügen besitzt, sollte von sich aus aktiv werden. Hier geht es um die Notfallkommunikation in feststeckenden Liften. Die muss natürlich weiterhin funktionieren. Etwa 80% der in der Schweiz betriebenen Lifte stammen laut Döös von international tätigen Grossunternehmen, der Rest teile sich auf kleinere, lokale Anbieter auf. Swisscom sei mit ihnen im Gespräch. Bereits jetzt laufe die Notfallkommunikation schon in vielen Liften über IP oder Mobile. Wo es die Empfangssituation erlaubt oder sofern der Lifthersteller eine zusätzliche Antenne angebracht hat, kommt eine Lösung via Mobilfunk in Frage. Oftmals kommt sogar eine Zweiweglösung zum Einsatz: Die Verbindung läuft via IP und schaltet bei einem allfälligen Festnetz-Ausfall automatisch auf Mobile um.
Ähnliches gilt auch für alle weiteren Sonderanwendungen, also bei Alarmanlagen, bei Notrufknöpfen für Betagte oder Behinderte, bei Frankiermaschinen und Haustechnikinstallationen. Nächste Seite: Tote Hose bei einem Stromausfall
Ähnliches gilt auch für alle weiteren Sonderanwendungen, also bei Alarmanlagen, bei Notrufknöpfen für Betagte oder Behinderte, bei Frankiermaschinen und Haustechnikinstallationen. Nächste Seite: Tote Hose bei einem Stromausfall
Was ist bei Stromausfällen?
In der Tat war die analoge Telefonie noch «stromautonom». Das Gerät bezog den Strom via Telefonkabel. Bei einem Stromausfall im Haus funktionierten die Geräte darum weiterhin. Bei IP-Telefonie verhält es sich anders: Router und Endgeräte benötigen Strom. Bei lebenswichtigen Anlagen empfiehlt sich darum das Einrichten einer USV (Unterbrechungsfreie Stromversorgung). Was das Netz an sich betrifft: Das Mobilnetz verfügt bereits über Stützbatterien, die einen etwa einstündigen Stromausfall verkraften sollten. Auch beim IP-Festnetz sind die wichtigsten Teile durch USV gesichert, sodass sie kürzere Stromunterbrechungen sollten überbrücken können. Stromausfälle sind in der Schweiz jedoch sehr selten; ausserdem treffen zwischen 80 und 90% der Notrufe via Mobilfunk ein.
Anwender mit mehreren Telefongeräten
Wer in einem Haus unter derselben analogen Nummer mehrere Endgeräte betreibt, muss sich selbst um Ersatz kümmern. Swisscom ist nur bis zum Hausanschluss verantwortlich, nicht aber für die Verkabelung innerhalb des Hauses. Hier bietet sich zum Beispiel an, den Router möglichst zentral aufzustellen und mehrere Funktelefone daran zu betreiben.
Was machen sie mit KMU?
Kleinere Unternehmen mit einfachen Bedürfnissen werden auf ein Produkt namens My KMU Office migriert, für Telefonie und Internetzugang. Da sind ebenfalls verschiedene Services möglich. Einer davon ist auch hier das Wireless/Mobile-Backup, für Fälle, in denen das IP-Festnetz streiken sollte.
Was ist mit dem Routerzwang?
Reine Festnetzkunden ohne Internetzugang müssen sowieso mit dem von Swisscom kostenlos zur Verfügung gestellten Router Vorlieb nehmen. Da dürfte es auch kaum Gründe geben, sich etwas anderes hinstellen zu wollen. Aber auch was jene mit Internetzugang betrifft, scheint Swisscom nach wie vor nicht von ihrer Idee des Routerzwangs abzurücken. Der Kunde darf sich also nicht auf dem freien Markt einen schicken Router kaufen und ihn anstelle des Swisscom-Routers einsetzen. Was ihm bleibt: Den schicken Router einfach zusätzlich an den Swisscom-Router zu hängen. Die Swisscom gibt nämlich die SIP-Credentials nicht heraus, die fürs Einrichten der Telefonie auf einem Swisscom-fremden Router nötig wären.
Bei fortgeschrittenen Anwendern dürfte das auf wenig Gegenliebe stossen, haben sich doch die von Swisscom eingesetzten Router bisher nicht als besonders multifunktional, performant oder konfigurationsfreundlich erwiesen.
Swisscom führt als Begründung immer noch Sicherheits- und Qualitätsaspekte ins Feld, während bei unserem Nachbarn in Deutschland der Wind bereits dreht. Dort ist der Routerzwang faktisch abgeschafft. Nächste Seite: Endlich! Callcenter-Spamfilter
Bei fortgeschrittenen Anwendern dürfte das auf wenig Gegenliebe stossen, haben sich doch die von Swisscom eingesetzten Router bisher nicht als besonders multifunktional, performant oder konfigurationsfreundlich erwiesen.
Swisscom führt als Begründung immer noch Sicherheits- und Qualitätsaspekte ins Feld, während bei unserem Nachbarn in Deutschland der Wind bereits dreht. Dort ist der Routerzwang faktisch abgeschafft. Nächste Seite: Endlich! Callcenter-Spamfilter
Endlich: Callcenter-Spamfilter
Swisscom wird übrigens offenbar noch dieses Jahr einen optionalen Spamfilter gegen nervige Telefonmarketing-Anrufe einführen. Damit ist nicht nur eine individuelle Blacklist des Kunden gemeint. Es sei eine dynamisch gepflegte, lernfähige Liste, die der Anwender abonnieren kann. Sollten Unternehmen auf der Liste landen, deren Anrufe der Kunde trotzdem gerne hätte, kann er deren Nummern wieder auf die Whitelist setzen.
Und was ist mit dem Kostenvorteil?
Der Betrieb nur noch einer Festnetzinfrastruktur anstelle von zweien dürfte preisgünstiger ausfallen. Aber niemand bei Swisscom konnte oder wollte uns gegenüber konkrete Aussagen dazu machen, wie viel man einspart – und ob man von diesen Einsparungen auch die Kunden profitieren lasse. Hier bleibt man bei schwammigen Marketingfloskeln: Die Umstellung auf All-IP sei kostenintensiv und man mache das ja nicht zum Zwecke des «Kostensavings», sondern wolle die Services verbessern und ausbauen.
Swisscom informiert auf der Webseite swisscom.ch/ip über die Details zur Umstellung.
Swisscom informiert auf der Webseite swisscom.ch/ip über die Details zur Umstellung.