06.03.2015, 10:04 Uhr

Container ? die besseren VMs? Das sagen Analysten

Die Geschäfte von VMware, Microsoft und Citrix laufen gut. In den letzten Monaten aber entfesselte die kleine Firma Docker einen veritablen Technik-Hype. Sind Dockers schlanke, effiziente Container eine Gefahr für die grossen Virtualisierungsmarktführer?
Die Virtualisierungstechnologien von VMware, Microsoft und Citrix gene­rieren hohe Effizienzgewinne. Das ist unbestritten. Im vergangenen Jahr hat jedoch eine Firma von sich reden gemacht, die noch weitaus höhere Benefits verspricht: Docker und seine Container. «Docker hat einen kometenhaften Aufstieg hinter sich, weil es perfekt in die neue DevOps-Welt passt», sagte Jörg Fritsch, Research Director Security and Risk Management bei Gartner, zu Computerworld. Die Effizienz- und Ressourcengewinne, die Firmen mit Virtuellen Maschinen (VMs) realisierten, würden mit Docker noch weit übertroffen. Zwischen Containern und Virtuellen Maschinen liegen nach Fritsch Welten, und VMs haben unter Effizienzgesichtspunkten das Nachsehen.

Lässt Microsoft Hyper-V fallen?

Sind Container die besseren VMs und müssen sich etablierten Anbieter wie VMware, Microsoft und Citrix Sorgen um ihre Umsätze machen? Es klingt fast so. «Container werden den Hyper­visoren das Geschäft verderben», sagt Frank Gens, Chefanalyst bei IDC. Der Boom der Container-Technologien, allen voran Docker, stelle Virtualisierungsanbieter wie VMware und Microsoft vor grosse Herausforderungen. «Wir wären nicht überrascht, wenn Microsoft 2015 sein Hyper-V ganz aufgibt und voll auf Docker setzen würde, auch um dem Konkurrenten VMware eins auszuwischen», prognostiziert Gens («IDC Predictions 2015: Accelerating Innovation – and Growth – on the 3rd Platform»).
Docker-Container sind einfacher zu skalieren und benutzerfreundlicher. Kunden könnten damit beginnen, eine kleine Installation für Entwickler aufzusetzen, dann eine Orchestrierungskomponente ergänzen und schliesslich einen grossen Rollout im Rechenzentrum in Angriff nehmen. Auf die gleiche Art und Weise hätten früher Hypervisoren einen Fuss in die Unternehmens-IT bekommen, erzählt Gens.
Ein weiterer Vorteil: Docker-Container sind viel einfacher zu migrieren als die eher schwerfälligen Virtuellen Maschinen (VMs). Der Umzug von einem physikalischen Host auf einen anderen fällt leicht. Denn Container benötigen kein eigenes Gast-Betriebssystem (wie VMs). Diese Funktionalität vermittelt eine sogenannte Docker Engine, die direkt auf dem Host-Betriebssystem aufsetzt. Solomon Hykes, Gründer und CTO von Docker, zieht die Parallele zum Schiffstransport: So wie dort Containerschiffe die gesamte Fracht in kleine, normierte und leicht transportierbare Einheiten aufteilen und dadurch Effizienzgewinne erzielen, würden auch Dockers IT-Container die IT-Landschaften effizienter machen – und nachhaltig verändern.

Zerstörerische Kraft im Markt

Für Lars Herrmann von Red Hat sind Container eine disruptive Kraft im Markt, die viele Probleme löst, die mit Virtualisierung und Cloud Computing einhergehen. Herrmann versteht Container als logische Einheiten, die Prozesse gruppieren. Im Jargon der klassischen Virtua­lisierungstechnologie sind Container mit der Applikationsvirtualisierung, also der schnellen Bereitstellung von Business-Anwendungen oder Entwicklungsumgebungen, vergleichbar. Sie virtualisieren jedoch nicht die zugrunde liegende Hardware, lasten also Server- und Storage-Ressourcen nicht besser aus. Die Frage, ob nun Container oder Virtuelle Maschinen die bessere Alternative seien, weist nach Herrmann in die falsche Richtung. Container seien effizienter und flexibler und daher für die Applikations­bereitstellung (app deployment) sehr gut geeignet. Gehe es aber um die Konsolidierung ganzer Applikations- und Infrastrukturlandschaften, hält Herrmann VMs für das Mittel der Wahl.
Die Virtualisierungsanbieter Microsoft und VMware haben das riesige Potenzial von Docker erkannt und sind Partnerschaften mit dem Start-up eingegangen. Nach aussen hin gibt man sich cool und gelassen, aber natürlich will keiner den Anschluss verpassen, wenn der Docker-Zug in Zukunft dann doch Fahrt aufnimmt. VMware partnert seit August 2014 mit Google, Pivotal (EMC-Gruppe) und Docker, um Container für den Enterprise-Einsatz bereit zu machen. Computerworld liegt die Partnerschaftsvereinbarung vor. VMware arbeitet mit Docker in den Open-Source-Projekten Libswarm, Libcontainer und Libchan zusammen. Ausserdem ist der Virtualisierungsmarktführer der Kubernetes-Gemeinde (ursprünglich Google) beigetreten, die ein Open-Source-Management- und Orchestrierungswerkzeug für Container entwickelt hat. Mitte Januar dieses Jahres kündigte VMware zudem den «kompletten Einsatz von Docker-Containern auf VMware Fusion, vCloud Air und vSphere an sowie eine vereinfachte Bereitstellung von führenden Ressourcenplanungs- und Cluster-Management-Lösungen für Container, die in VMware-Umgebungen laufen». Lesen Sie auf der nächsten Seite: Dockerisierte Windows-Apps

Dockerisierte Windows-Apps

Auch Microsoft spannt seit Oktober 2014 mit Docker zusammen. Dockerisierte, also in Docker-Container eingepackte Anwendungen, sollen nicht mehr nur unter Linux, sondern auch in Windows-Umgebungen eingesetzt werden können. Am Ende würden Anwendungen des Docker Hub wohlmöglich in der Azure Gallery bereitstehen. Zurzeit stapelt Microsoft jedoch noch tief und sieht Container und Hypervisor als komplementäre Technologien, die sich nicht gross in die Quere kommen. Container erlauben es zum Beispiel, auf einer einzigen physikalischen Maschine, wo nur zehn Hyper­visoren Platz hätten, Hundert oder sogar Tausend voneinander isolierte Webseiten laufen zu lassen. Sie spielen dort ihren riesigen Effizienz­vorteil aus und im Gegensatz zu VMs sind sie in wenigen Millisekunden einsatzbereit (Boot). Gleichwohl laufen in Containern einzelne Applikationen und nicht vollständige Betriebs­systeme wie Linux oder Windows. Das setzt dem Einsatz zurzeit noch recht enge Grenzen.

Was noch fehlt

Applikationsvirtualisierung, das machen Container letztlich, ist die Domäne von Citrix (XenApp). Docker provisioniere Applikationen, lege aber den Fokus auf den Entwicklungsbereich wie Webserver oder PHP-Umgebungen, betont Oliver Lomberg, Manager Systems Engineering bei Citrix. Die Technologie lege grossen Wert auf die Isolation von Applikationsprozessen. In der Client-Welt aber, wo Citrix zu Hause sei, gehe es nicht um Isolation, sondern um Interaktion, betont Lomberg. Er sieht also keine Gefahr für das eigene Geschäft. Denn punkto Interaktion zwischen den Layern hat Docker zurzeit noch nichts zu bieten. Auch Docker selbst hält – auf den ersten Blick erstaunlich – den Ball flach. Container mit VMs zu vergleichen oder sie sogar langfristig ersetzen zu wollen, stehe nicht im Fokus, sagte Gabe Taylor von Mindshare/Docker. «Wir konzentrieren uns auf Applikationen und nicht auf die Infrastruktur; Container und VMs betrachten wir als komplementäre Technologien», erklärt er.

Investoren bleiben im Dunkeln

Bei genauerem Hinsehen ist die diplomatische Vorsicht verständlich, denn das kleine Start-up ist auf Fremdkapital angewiesen. Eine dritte Finanzierungsrunde spülte im September letzten Jahres weitere 40 Millionen US-Dollar in die Kassen. Offizieller Investor ist zwar die Risikokapitalgesellschaft Sequoia Capital. Branchenkenner äusserten jedoch gegenüber Computerworld den Verdacht, dass Firmen wie Microsoft oder VMware hinter dem frischen Geld stecken könnten. Und die eigenen Kreditgeber will man natürlich nicht mit provokanten Äusserungen verärgern. Container scheinen zurzeit den klassischen Virtuellen Maschinen noch nicht das Wasser reichen zu können. Fakt aber ist auch: Sässe die klassische Virtualisierungslobby mit im Boot, dann stünden die Chancen für Dockers Container, ihr tatsächliches Potenzial voll zu entfalten, wohl nicht so günstig.


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