10.08.2011, 06:00 Uhr

Change Manager in eigener Sache

Nichts ist so beständig wie die Veränderung: Dieser Satz könnte für die IT erfunden worden sein. CIOs kennen sich bestens mit Veränderungsprozessen aus – nur nicht, wenn es um ihre eigene Rolle geht. Das muss jetzt schleunigst anders werden.
Bild: © Joshua Blake / istockphoto.de
Der Autor ist Director Solution Marketing bei alfabet AG. Unternehmen müssen sich permanent neuen Bedingungen anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, wachsen zu können, auf Regulierungen zu reagieren oder auch, um neue Märkte zu erschliessen. Fast immer bedeutet das eine mehr oder minder umfassende Neugestaltung der Struktur und der Prozesse. Diesen oft auch kulturellen Umbau umzusetzen, ist Aufgabe des Change Managements. In den letzten Jahrzehnten hat nahezu jedes grosse Unternehmen intensiv Change Management betrieben – schlicht, um überleben zu können. Und immer hat die IT-Abteilung – allen voran der CIO – eine entscheidende Rolle gespielt, wenn es darum ging, Prozesse zu optimieren oder zu automatisieren und diese auf entsprechende Anwendungen abzubilden. Insofern haben CIOs einige Erfahrung mit Change Management. Im Lauf der Jahre wurden so fast alle Unternehmensbereiche bezüglich ihrer Optimierungspotenziale überprüft und entsprechend restrukturiert. Bis auf einen: die IT-Abteilung selbst. Doch gerade deren Effektivität und Effi­zienz bei der Verwaltung des bestehenden Portfolios von Anwendungen und Funktionalitäten sowie dessen strategische Ausrichtung sind essenziell für den Erfolg eines Unternehmens.

Die IT darf keine Blackbox sein

Für Geschäftsführer und Manager aus anderen Bereichen ist die IT jedoch zumeist ein Buch mit sieben Siegeln. Welchen Wertbeitrag leisten einzelne Anwendungen? Warum übersteigen die Kosten des CRM-Projekts den Plan? Haben wir zu viele oder zu wenige Anwendungen im Einsatz? All diese Fragen konnte der CIO bisher mit dem Hinweis auf notwendige SLAs, die Zukunftssicherheit durch einen Wechsel auf SOA und die neuen Service Cluster oder auf die Private Cloud parieren – und das Budget wurde gewährt oder eben auch nicht. Ohne kaufmännische Entscheidungsgrundlage wurden so Millionen verschwendet oder wichtige Investitionen nicht getätigt. Einfach, weil niemand ausserhalb der IT deren Bedeutung nachvollziehen konnte. Hinzu kommen externe Regulierungen, deren Nichtbeachtung das Risiko empfindlicher Strafen bergen und deren interne Überprüfung nicht selten grosse Teile der IT-Abteilung durch den ungeahnten Aufwand der Datenerhebung lähmt. Das muss sich angesichts der Bedeutung der IT für das Unternehmen ändern: Erforderlich sind standardisierte, transparente Prozesse, die bestimmten Gesetzmässigkeiten – auch externen – folgen und bei gegebenem Ressourceneinsatz das erwartete Ergebnis liefern.

Neue Rolle des CIO

Um diese Erwartungen zu erfüllen, müssen CIOs neue Fähigkeiten mitbringen oder entwickeln, die über ein exzellentes Technologieverständnis hinausgehen: Der CIO muss Kommunikator, Stratege und Koordinator sein – und das alles in Zusammenarbeit mit CEO wie CFO und den Kollegen der Fachabteilungen. Um das zu können, muss er zum Change Manager in seiner eigenen Abteilung werden und die Eckpunkte eines erfolgreichen Change Managements beherrschen. Diese sind: -Verständlichkeit: Die IT-Abteilung muss eine gemeinsame Sprache mit den Fachabteilungen sprechen – nicht die Sprache der IT. - Verbindlichkeit: Entscheidungen über IT-Investitionen benötigen eine zuverlässige Informationsbasis. Sie müssen erkennbar zu einem Wertbeitrag für das Business führen und ihre Umsetzung muss für alle Beteiligten nachvollziehbar sein. - Vernetzung: Letztendlich müssen die Prozesse des IT-Managements selbst so optimiert werden, dass sie einerseits effizient werden und andererseits Experten aus anderen Abteilungen wie IT Risk Manager einbinden. Das mag wenig revolutionär und beinahe selbstverständlich klingen. Aber vor dem Hintergrund der Komplexität, mit der CIOs bei bestehenden IT-Landschaften und deren Planungsprozessen konfrontiert sind, gleicht die Aufgabe dem Umbau einer Regionalbahn zum ICE – bei voller Fahrt und gleichzeitiger Verbesserung des Service für die Fahrgäste. Daher lohnt sich der Blick darauf, wie die Verwaltung des IT-Portfolios zum Change Management genutzt werden kann, damit die Voraussetzungen für einen nachhaltigen Wandel zu einem an Geschäftszielen orientierten, ganzheitlichen Business IT Management gelingen kann. Zunächst ist die Transparenz der bestehenden Informationen wichtig – und zwar für alle Beteiligten. Was ist an Funktionalität vorhanden, was davon wird nicht mehr benötigt, was muss angepasst werden? Noch immer sind viele Unternehmen nicht in der Lage, all ihre IT-Anwendungen hinsichtlich des Wertbeitrags und der finanziellen Aufwendungen abzubilden. Dafür braucht es eine gemeinsame Sprache, die sowohl alle Perspektiven beschreibt als auch die Konsistenz der Informationen sicherstellt. Diese einzuführen, hilft dem CIO, verständlicher zu kommunizieren.

Erwartungslücke schliessen

Der Frust auf Fachseite ist häufig gross, wenn von der IT etwas geliefert wird, das man so nicht bestellt hat und es zudem gern früher gehabt hätte. Der CIO muss sicherstellen, dass neue Anforderungen und Erwartungen vor dem Hintergrund bestehender Funktionalität diskutiert werden – unter anderem, um Redundanzen und Nebenwirkungen zu vermeiden. Das wichtigste Werkzeug sind in diesem Zusammenhang aktuelle und konsistente Informationen. Das klingt selbstverständlich, ein aktueller Bericht von Nucleus Research zeichnet jedoch ein anderes Bild. Demzufolge müssen viele Unternehmen heutzutage auf Informationen zurückgreifen, die durchschnittlich 14 Monate alt und nur zu 55 Prozent korrekt sind. Auf Basis aktueller und korrekter Daten kann der CIO dann zukünftige Szenarien für Fachabteilungen verständlich (Stichwort gemeinsame Sprache) sowie in ihrer Umsetzung nachvollziehbar abbilden und so aktiv Erwartungsmanagement betreiben, indem er verbindliche Antworten liefert.

Über Abteilungsgrenzen hinweg

Mit aktuellen, konsistenten Anwendungsdaten, die neben der IT-Perspektive auch relevante Informationen zu Business, Finanzen und Risiko abbilden, hat der CIO ein unschätzbares Instrument, um vom reinen Dienstleister zum Strategiepartner zu werden. Voraussetzung ist meist eine Änderung der Prozesse der IT-Organisation. Beispielsweise bei der Datenerhebung weg vom zentralen Pull (ein Verantwortlicher für die Datensammlung fragt die Informationen bei den Verantwortlichen für die Anwendungen ab) hin zum Push (der Verantwortliche für die Anwendung propagiert jede Änderung automatisch). Gleichzeitig erstrecken sich Prozesse über Abteilungsgrenzen hinweg, weil eine gemeinsame Informationsbasis entsteht, die unter anderem auch für IT Risk Manager und IT-Governance-Beauftragte von grossem Interesse ist. Der CIO kann so die unterschiedlichen Stake­holder im Unternehmen vernetzen und Synergien schaffen.

Fazit: Der CIO in der Hauptrolle

Die Rolle des CIO ändert sich. Von einem Verwalter komplexer IT-Landschaften muss sie oder er sich zu einem strategischen Geschäftspartner innerhalb des Unternehmens ent­wickeln. Dafür muss der CIO zum Change Manager in eigener Sache werden. Zum einen, um in seiner Abteilung Akzeptanz für mehr Transparenz und die klaren Verantwortlichkeiten jedes Einzelnen zu schaffen. Zum anderen, um innerhalb des Unternehmens die Aufmerksamkeit und Kompetenz zu bekommen, die der neuen Rolle entsprechen. Angesichts der Komplexität der zu verwaltenden IT-Landschaften und der Dynamik ihrer Entwicklung werden CIOs zukünftig integrierte Software-Lösungen einsetzen, die sie bei der Durchführung der notwendigen Management- und Planungsprozesse unterstützen. Ausgehend von einer konsistenten Datenbasis, die IT-, Business- sowie Finanzperspektive umfasst, wird damit ein kollaborativer Ansatz der Strategieplanung und -ausführung geschaffen – mit dem CIO in einer Hauptrolle. Der Umbau des Regionalzugs zum ICE sollte also im Cockpit mit den Steuerungsinstrumenten beginnen, um nicht mehr auf Sicht zu fahren, sondern nach Fahrplan. Dann kennen auch alle Fahrgäste die Richtung. Was für eine Verbesserung des Service.


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