28.10.2014, 06:00 Uhr
Business aus der Wolke
Business-Software-Anbieter, die keine Cloud-Variante im Repertoire führen, sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Wer als Entwickler früh genug auf den Trend aufgesprungen ist, kann heute davon profitieren. Ein Beispiel aus der Schweiz.
Der Autor ist Redaktor der Online Marketing AG, die u.a. die myfactory Software Schweiz AG betreut.
Dass um das Thema Cloud Computing kaum noch ein Unternehmen herumkommt, ist heute unbestritten. Für die Anwenderunternehmen stehen dabei die Themen mobile Arbeitsprozesse, flexibles Ressourcenmanagement und Kostenreduktion im Mittelpunkt. Für die Anbieter von Business-Software ergeben sich mit der Cloud neue Geschäftschancen. Wie man diese nutzt, aber auch welche Hürden es auf dem Weg zu einem tragfähigen SaaS-Angebot zu überwinden gilt, zeigt das Beispiel eines Schweizer ERP-Anbieters, der schon früh auf den Cloud-Zug aufgesprungen ist.
«Als myfactory im Jahr 2000 die Vision hatte, Business-Software anwendergerecht aus dem Internet zur Verfügung zu stellen, war der Begriff Cloud noch gar nicht bekannt», erinnert sich David Lauchenauer, Geschäftsführer der myfactory Software Schweiz AG, dem Schweizer Distributor der gleichnamigen Unternehmens-Software. Deren Funktionsumfang reicht vom CRM über ERP und Finanzbuchhaltung bis zu Produktionsplanung und -steuerung (PPS). «Wir wollten damals nicht einfach ein Anbieter mehr im klassischen Lizenzgeschäft sein. Deshalb entwickelten wir die Software von Anfang an webbasiert», sagt Lauchenauer. Die zentrale Anforderung: Sämtliche Unternehmensprozesse sollten aus einem Guss integrierbar sein und standortübergreifend gesteuert werden können. Konkret heisst das: Es darf keine Medienbrüche geben und alle betriebswirtschaftlichen Prozesse des Unternehmens müssen stets zur Verfügung stehen – auch von unterwegs.
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Kniffliger Start
Zu Projektbeginn stellten sich gleich mehrere knifflige Aufgaben: So musste das Software-Unternehmen zuerst ein geeignetes Datacenter in der Schweiz evaluieren. Weil die Lieferzeiten für die dazu notwendige Hardware lange dauerten, war man gezwungen, diese gleich auf Vorrat und überdimensioniert einzukaufen.
Da die Begriffe «Cloud Computing» sowie «SaaS» den potenziellen Kunden damals noch nicht geläufig waren, musste der Software-Entwickler zudem auch noch Aufklärungsarbeit betreiben. Zu Beginn versuchte das Unternehmen, auch kleinste Start-up-Firmen anzusprechen. «Diese waren aber relativ beratungsresistent und verzichteten auf Anweisungen», legt David Lauchenauer dar. Für ihn ist seither klar: «Eine umfassende und komplette Business-Software mit entsprechender Funktionalität braucht eine ausführliche Einführung.»
Misstrauischer Schweizer Markt
2009 konnte das Unternehmen bereits eine echte Public-Cloud-Lösung anbieten. Der Schweizer Markt reagierte jedoch anfänglich mit recht grossem Misstrauen. Insbesondere die konservativen Firmen im KMU-Umfeld hegten Vorbehalte. Allerdings waren die Gründe vorwiegend psychologischer Natur. So sahen einige Entscheider den Faktor, keine eigene Serverinfrastruktur mehr betreiben zu müssen, keineswegs als Vorteil, sondern taten sich im Gegenteil schwer damit, die Daten nicht mehr im eigenen Haus zu wissen. «Die uns entgegengebrachte Skepsis haben wir sehr ernst genommen», so Lauchenauer. «Deshalb schlugen wir den Kunden zur Beruhigung vor, selber ein Backup zu erstellen und dieses auch in den eigenen Räumlichkeiten aufzubewahren. Diese zusätzliche Funktion bauten wir eigens in der Software ein.» Auch wichtig: Schweizer Kunden schätzen an Cloud-Lösungen vor allem, dass die Datenhaltung und das Backup in der Schweiz bleiben.
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Technische Hürden
Als weiteres Hindernis erwiesen sich technische Anforderungen, etwa die Integration einer Inhouse-Telefonanlage in das CTI-Modul, die sich in der Cloud ganz anders auswirkte. So musste das bestehende Tool myfactory.phone technisch völlig neu entwickelt werden, damit die Kommunikation über den Server an unterschiedlichen Standorten einwandfrei funktioniert.
Auch konnten die IaaS-Anbieter zu dieser Zeit noch nicht die gewünschte Skalierung anbieten, sodass das Wachstum des Projekts nicht synchron zum Leistungsausbau verlief. «Dies führte dazu, dass unsere Server zeitweise nur eine suboptimale Performance zeigten», sagt Lauchenauer. Um dieses Problem zu lösen, schätzte das Unternehmen das Business-Wachstum sowie die bestehenden Lieferfristen für die Hardware-Ausbauten und versuchte, auf dieser Basis eine Zeitplanung für den Ausbau vorzunehmen. Eine respektable Leistung wurde jedoch erst erzielt, als die Erweiterung tatsächlich lieferbar war. Heute sind dagegen genügend leistungsfähige IaaS-Anbieter auf dem Markt, die innert Minuten die Kapazitäten erweitern können.
Cloud als Wettbewerbsvorteil
Die Skepsis der Anfangsjahre ist auf Kundenseite inzwischen verebbt. «Innovative Unternehmen fordern in zunehmendem Masse Cloud-Dienste, weil sie um deren Stärken wie Webbasiertheit, Flexibilität, Funktionsumfang und Kosten wissen», sagt der myfactory-Chef. 2010 war das grundsätzliche Bedürfnis nach entsprechender Business-Software in der Schweiz erstmals richtig spürbar, 2012 konnten bereits viele Software-Firmen ihre Cloud-Umsätze verdoppeln und ein Jahr später war laut einer Bitkom-Studie bereits ein starker Zufluss von immer grösser werdenden Kunden zu spüren.
Für myfactory selbst hat der Weg in die Cloud viel bewirkt: Die vollumfängliche Konzentration auf Cloud Computing ermöglichte eine gezielte Weiterentwicklung in diesem Bereich. Auch finanziell steht das Projekt mittlerweile auf sicheren Beinen, nachdem man in der Anfangszeit viele Investitionen tätigen musste. Der Lohn der Mühe: Die im Sommer 2014 veröffentlichte Studie «Cloud Vendor Benchmark 2014 – Schweiz» des unabhängigen Marktforschers Experton Group platziert myfactory in der Sparte «SaaS – ERP» auf den Spitzenrang. Insbesondere lobten die Juroren und Anwender den Komfort und die Übersichtlichkeit der Programme sowie die sinnvollen Zusatzmodule.
Dank seines Cloud-Fokus konnte das Unternehmen die Anzahl seiner Kunden in den letzten Jahren schnell erhöhen. Derzeit setzen rund 400 Kunden in der Schweiz auf diese Programme. Aktuell beschäftigt sich das Unternehmen mit der Erweiterung des Projekts. «Wachstum ist enorm wichtig, da wir den Wettbewerbsvorteil bewahren wollen. Zudem haben wir noch keine Partnerstruktur aufgebaut. Auch da müssen wir uns umorganisieren», unterstreicht David Lauchenauer.
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Offen in die Zukunft
Cloud-Lösungen eignen sich seiner Auffassung nach prinzipiell gut für die einfache Integration von Drittlösungen. So können die Programme in Sachen Funktionalität schneller und einfacher wachsen. Seine Forderung: Gesamtlösungen müssen sich für solche Innovationen öffnen, etwa durch die Offenlegung von Schnittstellen mittels WebAPI oder REST. «Für die Anwender bedeutet dies, dass sie schnell und einfach Dienste, aber auch neue Geschäftspartner einbeziehen und neue Geschäftsmodelle nutzen können», sagt Lauchenauer. «Im Cloud-Bereich wird sich der Markt also noch stark verändern.»
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