Mit dem HR in die Cloud wechseln
Nicht nur migrieren, sondern auch transformieren
In der Praxis lässt sich feststellen: Erfolgreiche HR-Projekte verfolgen keinen blossen Migrationsansatz (lift und shift von A nach B mit einer neuen Software), sondern implementieren einen ganzheitlichen Transformationsprozess. Sie fragen sich, welche Personalprozesse noch zukunftsorientiert und agil sind. Nicht wenige S/4HANA-Projekte sind schon gescheitert, weil man nur die alte in der neuen Welt abbilden wollte.
Beim Aufbau eines Kulturwandels empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen. Konkret zum Beispiel mit dem SuccessFactors-Recruiting beginnen, um damit Erfahrungen beim Betrieb einer Cloud-Lösung zu sammeln, da es sich isoliert einführen lässt. Vor allem aber entwickeln sich Online-Stellenbörsen im Netz so schnell weiter, dass man sie mit einem Recruiting-On-Premises kaum noch selbst abbilden kann. Hier helfen Cloud-Lösungen, die standardisierte Schnittstellen zu allen relevanten Stellenbörsen bereits mitbringen.
Komplexere, historisch in den Unternehmen gewachsene Bereiche sind die Entgeltabrechnung und die Zeitwirtschaft. Vor allem Letztere wird in SuccessFactors ziemlich anders als bisher aussehen, mit zahlreichen neuen Funktionen in der Architektur, weg von den Batch-Läufen, keine reine Terminalerfassung mehr, stattdessen mobiles Einstempeln und so weiter. Damit ist klar: Der Umstieg funktioniert nicht über eine einfache Migration. Bisherige Zeitpläne, Zeitarten – alles, was zum bisherigen System hinzukonfiguriert wurde, lässt sich nicht per Copy & Paste übernehmen. Viele Unternehmen werden daher im Personalbereich noch längere Zeit ein hybrides Szenario fahren. Mit H4S4 können sie genau dies bis mindestens 2040 tun. Spätestens bis dahin dürfte auch feststehen, wie die derzeit in Entwicklung befindliche «Next Generation Payroll» von SAP im Einzelnen aussehen wird. Aus Sicht der DSAG wird die Abbildung der Komplexität in der Cloud bei diesem Thema eine besondere Herausforderung darstellen.
Digitale Transformation im HR-Wesen heisst also konkret: die Personalprozesse analysieren und hinterfragen, entsprechend aufräumen und anschliessend zielgerichtet in die Cloud gehen. Der erste kleine Schritt könnte zum Beispiel so aussehen: Man fertigt eine demografische Liste aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, um zu sehen, wer wann das Unternehmen verlassen wird und somit Know-how abfliesst. Das erlaubt es, frühzeitig nach einer gut qualifizierten Nachfolge zu suchen.
Souveräne Cloud für HR-Daten von Behörden
Der Einsatz von Human-Resources-Cloud-Lösungen im öffentlichen Dienst ist an besondere Bedingungen geknüpft. Die DSAG hat die Grundlagen für rechtskonforme Cloud-Lösungen im Bereich HCM in der öffentlichen Verwaltung erhoben. Ein Ansatz könnte zum Beispiel in einem öffentlichrechtlichen Rechenzentrum in Deutschland als Private Cloud für den Betrieb aller HCM-Cloud-Lösungen für die öffentliche Verwaltung unter staatlicher Hoheit bestehen. Der Betrieb erfolgt in eigener Hoheit und in eigener Betriebsverantwortung durch staatlich Beschäftigte, gegebenenfalls mit Betriebsunterstützung und Nutzung von Dienstleistungen durch Externe. Die Cloud-Lösungen müssen der öffentlichen Verwaltung den vollständigen von ihr benötigten Funktionsumfang bieten und sich kundenspezifisch erweitern lassen können.
SAP und Arvato Systems haben im Februar 2022 eine Partnerschaft angekündigt, welche die Schaffung einer solchen souveränen Cloud-Plattform für den öffentlichen Sektor zum Inhalt hat. Technisch basiert sie auf der Microsoft-Azure-Plattform, die jedoch entkoppelt vom Microsoft-Netz und den Microsoft-Rechenzentren autark in den für die Verwaltung aufgebauten Data Centern betrieben wird. Auch Drittanbieter können über diese Services anbieten, ebenso wird Open Source unterstützt.
Aus Schweizer Sicht stellen sich ähnliche Fragen wie im gesamten deutschsprachigen Raum. Grundsätzlich setzen viele Unternehmen Cloud-Lösungen ein, auch im Bereich HCM, wo Vertraulichkeit besonders wichtig ist. Wenn SAP es wie Microsoft schafft, lokale Datenhaltung zu erlauben (zum Beispiel Microsoft 365 mit Exchange und OneDrive nur in der Schweiz), sieht die DSAG keinen Hinderungsgrund für Funktionalitäten in SuccessFactors oder in anderen SAP-Cloud-Apps.
Die Autoren und Verband
Hermann-Josef Haag ist DSAG-Fachvorstand «Personalwesen & Public Sector».
Jean-Claude Flury ist DSAG-Fachvorstand «Schweiz».
Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) ist ein Netzwerk mit über 60 000 Mitgliedern aus mehr als 3700 Unternehmen – vom KMU bis zum Grosskonzern – aus der ganzen DACH-Region. Gegliedert in 200 Arbeitskreise und Arbeitsgruppen, optimieren sie gemeinsam SAP-Lösungen für den täglichen Gebrauch in den Mitgliedsunternehmen und erstellen im Sinn des Erfahrungsaustauschs zudem Leitfäden. Der Verband pflegt auch einen konstruktiv-kritischen Dialog mit SAP.