SAS-CEO im Interview
12.05.2015, 11:52 Uhr
«Watson bisher keine Konkurrenz»
Für das Geschäft gewinnt Analytik-Software immer mehr an Bedeutung. IBMs Watson ist eine Lösung. Sie ist für SAS bis anhin aber keine Konkurrenz, sagt CEO Jim Goodnight im Interview mit Computerworld.
Der Markt für Business-Intelligence- und Analytik-Software wächst quasi täglich. Einerseits kommen immer mehr Anwendungen hinzu, die Firmen bei der Optimierung ihres Geschäfts nutzen. Andererseits steigt auch die Anzahl der Anbieter. Jedes grosse Software-Unternehmen behauptet heute von sich, eine Analytik-Company zu sein. Der US-Hersteller SASist einer der Marktführer. Mitgründer und CEO Jim Goodnight erklärte im Interview am «SAS Global Forum» in Dallas, wie Kunden Analytik für ihr Geschäft nutzen und welches Potenzial die Produkte der Konkurrenz hat.
Computerworld: Die Führungsetage ist sich heute bewusst, dass Analytik einen Mehrwert für das Geschäft bringen kann. Das war vor fünf Jahren noch nicht der Fall, sagen Ihre Kollegen. Welche Gründe sehen Sie für den Sinneswandel? Jim Goodnight: Ein Grund sind sicher die mehreren Dutzend Management-Bücher, die in den vergangenen fünf bis sechs Jahre veröffentlicht wurden. Alle Autoren haben den Mehrwert von Analytik für das Business betont. Diese Werke wurden offenbar gelesen und die Erkenntnisse in Projekten umgesetzt. Ein weiterer Grund sind die offensichtlichen Resultate, die das Marketing dank Analytik-Lösungen erzielt. Wenn die Werber mithilfe von gesammelten Daten die Kunden gezielt ansprechen können, schlägt sich das in steigenden Verkäufen nieder. Das bleibt dem Management nicht verborgen. Ist dies eine neue Entwicklung? Oder: Wann begannen Unternehmen, Geschäftsdaten strategisch auszuwerten? Anfang der 90-er Jahre starteten Banken, mithilfe ihrer Daten eigene Modelle zu entwickeln. Sie wurden für das Optimieren von Geschäftsprozessen und zur Erweiterung des Portfolios verwendet. Der Kreditkartenherausgeber American Express nahm dabei eine Vorreiterrolle ein. Schon früh waren die dortigen Analysten in der Lage, anhand von rund 2000 Modellen das Kundenverhalten vorherzusagen. Heute sehen wir, dass nicht nur in Banken, sondern in allen Industriesparten die Daten für das Geschäft genutzt werden. Alleine wegen der grossen Menge an Informationen, die mittlerweile auf die Unternehmen einströmt – aus den Medien und auch von Sensoren – hat jedermann realisiert, dass er die Daten sinnvoll nutzen kann. Eine sehr verbreitete Anwendung ist die Betrugserkennung. Mittlerweile nutzen auch Steuerbehörden in Europa die Analytik, um Betrügern das Handwerk zu legen. Alleine bei der Mehrwertsteuer hat einer der EU-Staaten so Millionen Euro sparen können. Die Betrüger arbeiteten mit einem Karussellprinzip: Steuern wurden von einem Konto auf ein anderes geschoben, so dass es den Anschein hatte, sie Ausstände seien bezahlt. Allerdings erreichten die Beträge nie den legitimen Empfänger. Heute behaupten viele Ihrer Wettbewerber, Analytik zu beherrschen. Was unterscheidet SAS von den Produkten der Marktbegleiter? Jeder ist heute angeblich Hersteller ein Anbieter von Analytik-Software – IBM, Microsoft, SAP und wie sie alle heissen. Wir arbeiten eng mit den meisten grossen Software-Anbietern zusammen und haben Schnittstellen zu den gängigen Systemen, etwa DB2, SQL und Hana. Eine echte Kernkompetenz in fortgeschrittener Analytik besitzt allerdings alleine SAS. Der einzig ernstzunehmende Marktbegleiter, «Big Blue», gibt zwar viel Geld für Werbung aus, die IBM-Software leistet aber nicht so viel wie SAS-Produkte. Nächste Seite: IBMs Watson bisher keine Konkurrenz IBMs grosses Thema ist zurzeit die Watson-Technologie. Was denken Sie über Watson? Meine Kollegen und ich haben bis heute nicht verstanden, was Watson ist. Womöglich mag IBM den Namen «Watson». Nun benennen sie alle ihre Analytik-Lösungen danach. Bis anhin gab es kein Projekt, in dem SAS gegen Watson antreten musste.
Ein anderer Ansatz sind «lernende» Maschinen. Arbeitet SAS mit dieser Technologie? Unsere erste Technologie mit «selbstlernenden» Algorithmen haben wir im Jahr 1978 lanciert. Damals konnte SAS nichtlineare Regressionen berechnen, auf denen «lernende» Maschinen basieren. Machine Learing ist ein von Wissenschaftlern erfundener Begriff, der für iterative Verarbeitungsroutinen steht. Diese Methoden gehören seit 40 bis 50 Jahren zur Disziplin Statistik. Früher wurden die wiederholten Berechnungen manuell gemacht, heute erledigt es der Computer (viel schneller und bestenfalls fehlerfrei). Dabei «lernt» er allerdings nicht, sondern gehorcht nur dem Algorithmus. Der Terminus «Lernen» im Zusammenhang mit Computern ist irreführend, denn eine Maschine kann nicht «lernen». Ist der Begriff «kognitives» Computing ebenfalls irreführend? Im Prinzip ja. Ein «neuronales Netz» soll so funktionieren wie unser Gehirn. Allerdings wissen Forscher bis heute nicht, wie das menschliche Gehirn wirklich funktioniert. Das «neuronale Netz» ist eine Vereinfachung – und nichts anderes als ein nichtlineares Modell. Solche und andere fortgeschrittene statistische Prozeduren, etwa nichtlineare Modelle oder Clusteranalysen, beherrschen die gängigen Programme wie SAS schon seit Jahren.
Nun hat nicht jeder Mitarbeiter eines Anwenderunternehmens eine fundierte Statistik-Ausbildung. Welche Hilfestellungen gibt SAS? Ein Ansatz ist die Produktreihe Visual Analytics, die wir jüngst um Visual Statistics ergänzt haben. Mit diesen Tools wird das Auswerten von Daten sehr einfach. Selbst das Testen von Hypothesen oder das Modellieren funktioniert per Drag&Drop. Für die Interpretation der Ergebnisse werden Diskussionsvorlagen mitgeliefert, so dass dem Anwender rudimentäre Kenntnisse in Statistik genügen. Microsoft wirbt ebenfalls mit einfach zu bedienender Statistik-Software. Dafür hat Redmond jüngst Technologie von Revolution zugekauft, das Unternehmen hinter dem Profi-Tool R. Wie beurteilen Sie diesen Schritt? Revolution ist lediglich ein kommerzieller Distributor für das Open-Source-Produkt R. Das Unternehmen war offenbar nicht so erfolgreich wie erhofft, wenn es jetzt übernommen wurde. Nach meiner Einschätzung ist Microsofts Ziel gewesen, mit R einen weiteren Service auf der Azure-Plattform anbieten zu können. Das ist aber Spekulation [die sich als richtig erweisen sollte, denn Microsoft hat an der «Build»-Konferenz Ende April einen R-Service auf Azure angekündigt; Anmerkung der Redaktion]. SAS-Software läuft häufig noch im Rechenzentrum des Kunden selbst. Gibt es ein Produkt auf Azure? Bis anhin nicht. Unser vorrangiger Partner ist Amazon Web Services (AWS), über den Software bezogen werden kann, unter anderem Visual Analytics. Weiter kann ein Teil unserer Produkte in Amazon EC2 bereitgestellt werden. Abhängig von der Nachfrage wird SAS in Zukunft auch via Azure gemietet werden können.