28.01.2011, 06:00 Uhr

Verschenktes Potenzial

Die Lizenzkosten entwickeln sich zur entscheidenden Stellgrösse bei den IT-Kosten. Eine weitsichtige Planung ist angesichts alternativer Betriebskonzepte wie Cloud Computing Pflichtaufgabe des Managements.
Der Autor ist Miteigentümer und Vorstand der VMS AG Heidelberg Die erregte Diskussion im vergangenen Jahr um die Erhöhung der SAP-Wartungskosten (Stichwort: Enterprise Support) bewirkte vor allem eines: CIOs und Management wurden für das Thema Lizenzen sensibilisiert. Nachdem SAP nun mit viel Mühe wieder den Weg zum Dialog mit seinen Kunden fand, hat sich die Unruhe in den Anwenderunternehmen gelegt. Es hat den Anschein, als ob jetzt wieder allein der Einkauf die Verhandlungen verantwortet. Das ist erstens bedauerlich, da bereits heute neben dem klassischen Einkaufs-Know-how vertieftes technisches Verständnis und Prozesswissen gefragt sind, um die Lizenznutzung zeitnah zu optimieren. Zweitens ist es fahrlässig, weil alternative Betriebskonzepte (Cloud Computing/SaaS) und Technologien (In-Memory-Datenmanagement, Virtualisierung) die Lizenz­gestaltung im klassischen Lösungsgeschäft zunehmend auflösen. Die IT-Verantwortlichen in den Unternehmen stehen infolgedessen mehr denn je in der Pflicht, den (Ein-)Kauf von Lizenzen konsequent mit der Planung ihrer IT zu harmonisieren. Ansonsten laufen sie Gefahr, aufgrund der vorschnellen Kapitalbindung nur noch über einen begrenzten Handlungsspielraum zu verfügen. Am Beispiel einer SAP-geprägten Anwendungslandschaft lässt sich aufschlüsseln, was bereits heute mit Blick auf die Zukunft punkto Lizenzierung zu beachten ist.Nutzwertorientierte Preise Ein Unternehmen darf für seine Software-Kosten (Lizenz, Wartung, Abschreibung) im Grunde nur einen prinzipiellen Orientierungspunkt heranziehen: den geschäftlichen Nutzen. Vor diesem Hintergrund ist SAP beinahe vorbildlich. Die Preisgestaltung ist weithin unabhängig von der darunter liegenden Hardware. Sie orientiert sich an Nutzern, Volumen oder Wertschöpfung. Bedauerlicherweise bietet das Walldorfer Software-Haus mit diesen Punkten jedoch bestenfalls eine grobe Orientierung. Denn die Preisliste der SAP ist umfangreich (mehr als 150 Seiten), komplex (über 100 individuell bepreiste Komponenten), schwer abgrenzbar (mindestens 6 User-Typen) und zudem konfliktbehaftet (externe Nutzung via Web). Letztlich entscheidet das Verhandlungs­geschick des Kunden darüber, wie hoch der Preis ist. Das gilt allerdings nur für den Einstieg. Die real anfallenden Kosten liegen häufig höher, da SAP bekanntlich Funktionalität nicht trennscharf ausliefert. Der Kunde kann also mehr Funktionalität nutzen als erworben. Und die Lizenzbedingungen sehen vor, dass diese Mehrnutzung im Nachgang in Rechnung gestellt werden darf. Gegen ein solches Vorgehen ist zunächst auch wenig einzuwenden. Die gut geölte Verkaufsmaschinerie der SAP verleitet jedoch selbst gestandene IT-Leiter immer wieder, ein wenig mehr zu erwerben. Hinweise auf das Branchenwachstum und die Unternehmens-Performance umschmeicheln das Ego. Rabattstaffeln wecken den Schnäppchenjäger-Instinkt. Grosszügig anmutende Bepreisung nicht benötigter Nutzerkontingente mit weitreichenden Umwidmungsmöglichkeiten lassen beide Vertragsparteien als Gewinner erscheinen: Den Verkäufer, der seine spezifischen Zielvorgaben für bestimmte Module erfüllt, und den Käufer, der sich über Rabatt und Handlungsspielraum freut. Unter dem Strich gewinnt jedoch stets der Hersteller. Denn der Orientierungspunkt «geschäftlicher Nutzen» wird zumindest zeitweise erheblich vernachlässigt. Volumen, Nutzerprofile und Rollenverteilungen sind in Unternehmen einem ständigen Wandel nach oben und unten unterworfen. Die Lizenzierungspolitik der Hersteller kennt jedoch nur eine Richtung: mehr. Die automatische Anpassung der Lizenzierung an einen geringeren Bedarf ist einfach nicht vorgesehen. Die vertragliche Bindung einer Business-bezogenen Bepreisung in dynamischen Industrien wie zum Beispiel das Real Estate Management, die durch Zu- und Verkäufe von Firmenteilen geprägt sind, kann da so manche Überraschung bereithalten. Vertragsbindung bremst Innovation Das beschriebene Vorgehen im Einkauf ist einerseits zu breit angelegt, da die Planung des realen Bedarfs ausser Acht gelassen wird. Es bindet zugleich auf Jahre erhebliche Finanzmittel, da beim Kauf naturgemäss zu Beginn der grösste Teil der Kosten anfällt. Vielleicht noch grösser als die Begrenzung des finanziellen Verhandlungsspielraums ist die Gefahr, dass Unternehmen dadurch ihre IT bei der Einführung neuer IT-Techniken ausbremsen. Wenn beispielsweise heute der Einkauf den Vertrag für das vorhandene SAP-CRM-System erneuert, wird die IT kaum die Mittel erhalten, in den nächsten Jahren auf die künftige Software-as-a-Service-Lösung der Walldorfer zu wechseln. Wer in der In-Memory-Technik der SAP die Zukunft betriebs-wirtschaftlicher Anwendungslösungen erkennt, wird vielleicht von seinen Datenbankkollegen im Unternehmen behindert, die einen langfristigen Rahmenvertrag mit Oracle pflegen. Dieser Vertrag kann zugleich der Rechnermannschaft einen Strich durch den Plan machen, neue Mehrkern-Prozessorsysteme einschliesslich Virtualisierung als SAP-Trägersysteme einzuführen.Flexibles Lizenzmanagement Angesichts dieses Gefahrenpotenzials ist jedes Unternehmen in der Pflicht, ein kontinuier­liches Lizenzmanagement in Abstimmung mit der Planung der gesamten künftigen Anwendungslandschaft zu etablieren. Dazu muss der Einkäufer auch ein gewisses technisches Verständnis mitbringen und die Prozesse verstehen. Eine der wichtigsten Regel in diesem Zusammenhang ist die realistische Planung des eigenen Bedarfs. Das Lizenzmanagement definiert im Kontext der IT-Strategie, was benötigt wird. Im Vertrag wird zugleich die Möglichkeit einer späteren Umwidmung fixiert, um den Vertragswert auch bei Nutzungsänderung ausschöpfen zu können. Mindestens ebenso wichtig wie die Planung ist deshalb eine sorgfältige Verwaltung gekaufter Lizenzen. Werkzeuge von Drittanbietern wie der VMS AG unterstützen diese Tätigkeit, indem sie die Nutzung der Software in Unternehmen vermessen. Auf Basis der tatsächlichen Arbeitsweise der Anwender wird eine optimale Zuordnung zu einer Lizenzkategorie vorgeschlagen. Im Anschluss werden die real benötigten mit den vorhandenen Lizenzen verglichen und Optimierungswege identifiziert. Mit diesem Wissen lässt sich beispielsweise durch das interne Verschieben von Lizenzen so mancher Nachverkauf vermeiden und eine effiziente Umgestaltung der Verträge in Angriff nehmen. Unsere Projekterfahrungen mit dem VMS License Check zeigen, dass Einsparpotenziale zwischen 5 und 30 Prozent durchaus realistisch sind. Schon frühzeitig sollte ein Unternehmen sich deshalb professionelle Hilfe sichern, um in der Verhandlung mit dem Hersteller von den breiten Gestaltungsmöglichkeiten zur Lizenz­gestaltung zu profitieren. Mehr Handlungsspielraum Mit einem solchen strategischen Vorgehen im Einkauf und im Management der Lizenzen gewinnt ein Unternehmen den unternehme­rischen Freiraum zurück. Die konsequente Ausrichtung am realen Bedarf verhindert, dass Finanzmittel von ungenutzten Lizenzen gebunden werden. Die umfassende Abstimmung mit dem künftigen Design der gesamten Anwendungslandschaft unterbindet, dass langfristige Verträge die Einführung neuer Techniken und Betriebsmodelle blockieren. Für ein Unternehmen gibt es in Sachen Software im Grunde wieder nur einen Orientierungspunkt: den geschäftlichen Nutzen. 5 Regeln für zukunftsfeste Lizenzverhandlungen Realistische Planung des eigenen Bedarfs: Definieren, was man benötigt, ­und nur das kaufen.Variabilität sicherstellen: Umwidmungen von bereits erworbenen Teilen zur Ausschöpfung des Vertrags­werts.Koordinierendes Lizenzmanagement: Abstimmung zwischen tatsächlicher Nutzung und künftigem Design der Anwendungs- und IT-Landschaft.Konsequentes Vorgehen: Beim Verhandeln der Lizenzen sind technisches Verständnis und Prozesswissen ebenso gefragt wie klassisches Einkaufs-Know-how.Professionelle Hilfe einbeziehen: Know-how-Transfer, um alle Gestaltungsmöglichkeiten der Lizenzmodelle ausloten zu können.


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